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Wölfe im Blutrausch

Ein Züchter beklagt den Verlust von 17 Tieren. Es ist der größte Fall bisher in Sachsen. Er stellt die Zucht-Politik infrage.

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© dpa

Von Reiner Hanke & Frank Oehl

Region. Nach der brutalen Wolfsattacke vor gut vier Wochen in Wachau, haben jetzt nahe Kamenz erneut Wölfe zugeschlagen. Der Schock war riesig: Mehr als zehn tote Schafe fand am Dienstagvormittag ein Züchter aus Cunnewitz in Ralbitz-Rosenthal auf seiner Weide hinter dem Hof. Beobachter und Fachleute bestätigen: Die Koppel war allen Regeln und Vorgaben entsprechend eingezäunt, die Tiere also offiziell „gesichert“ gewesen. Dennoch schafften es die Wölfe, in die Koppel einzudringen. Beobachter sprachen zunächst von bis zu 20 toten Tieren, seit gestern liegen präzise Zahlen vor: 13 Schafe sind tot, zwei werden vermisst. Zwei wurden verletzt.

Fachleute gehen von mehreren Raubtieren aus, die diesen enormen Schaden angerichtet haben. So auch der Kreisjagdverbands-Vorsitzende und Wolfs-Sachverständige Friedrich Noltenius. Man spreche bei dieser Dimension auch von einem sogenannten Overkill. „Der oder die Wölfe töten weit mehr Tiere, als sie überhaupt fressen können.“ Man könnte auch von einem Blutrausch sprechen. Der Sachverständige aus Lichtenberg schätzt ein, dass es sich wohl um den größten einzelnen Wolfsangriff in Sachsen gehandelt habe. Jedenfalls könne er sich an keinen vergleichbaren Fall erinnern. Das Landratsamt Bautzen hat gestern Nachmittag den Vorfall bestätigt. „Die Schafe waren ausreichend durch einen Elektrozaun geschützt“, so Kreissprecher Gernot Schweitzer. Der Besitzer halte sich mit Informationen zurück, es sei aber nicht die komplette Herde betroffen gewesen. Gemunkelt wird von bis zu 100 Tieren, die in Cunnewitz gehalten werden.

Sogar drei Rudel aktiv?

Ein in der Vergangenheit ebenfalls Betroffener aus der Region berichtete gestern gegenüber der SZ von der Angst, die mittlerweile im Ort umgehe. Mit Namen möchte er nicht genannt werden, aus Sorge, von militanten „Wolfsschützern“ bedroht zu werden. „Innerhalb von zwei Monaten sind im Umkreis von 20 Kilometern etwa 40 Schafe dem Wolf zum Opfer gefallen“, heißt es. Die offizielle Schadensstatistik für die „Wolfsregion“ von gestern, die den Riss von Cunnewitz bereits beinhaltet, geht für das gesamte Jahr 2015 von bisher 42 Fällen an Nutztierschäden bzw. an Gatterwild aus – im gesamten Freistaat gezählt. In 33 Fällen konnte der Wolf als Verursacher festgestellt beziehungsweise nicht ausgeschlossen werden. Dabei wurden insgesamt 89 Nutztiere getötet, drei sind vermisst und neun Tiere verletzt. In elf Fällen waren die Tiere nicht beziehungsweise unzureichend geschützt. Auffällig ist auch in dieser Statistik, dass der Raum um Neschwitz und Radibor besonders stark betroffen ist. Das gehe den Leuten mittlerweile an die Nieren, heißt es. Hier seien offenbar zwei oder sogar drei Rudel aktiv. Gerüchte sprechen von einem großen Rüden, der gesichtet worden sei. Für den Angriff in Cunnewitz sei wahrscheinlich das Rosenthaler Rudel verantwortlich. Der Schafhalter plädiert dafür, wirklich jeden Riss zu melden, um die prekäre Situation deutlich zu machen.

Offenbar gerät die offizielle Wolfspolitik, die auch stark EU-geprägt ist, immer stärker unter Druck. Friedrich Noltenius gibt zu bedenken, dass der Wolf in Ländern, in denen er traditionell zu Hause ist, nirgends so weitreichenden Schutz wie hier genieße. Immer häufiger wird gefordert, den Wolf von der Zivilisation ferner zu halten, was in bewohnten Gebieten an den dafür nötigen Respekt vor dem Menschen gekoppelt sei. Die „Wolfszucht“ in der Lausitz müsse dies berücksichtigen ….