SZ +
Merken

Wochenmarkt der Zukunft

Viele Berufstätige haben keine Chance, Märkte zu besuchen. Doch neue Vorschläge zeigen: Es ginge anders.

Teilen
Folgen
NEU!

Von Ulrike Keller

Der krasse Einschnitt kam 2008. Seit der Finanzkrise machen viele Wochenmarkthändler im Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge rund die Hälfte weniger Umsatz. Besonders extrem sei es in Pirna, heißt es hinter vorgehaltener Hand. Doch ein merkliches Wegbleiben von Stammkunden ist seit 2008 selbst auf dem beliebten Naturmarkt Tharandter Wald festzustellen. „Die gefühlte Armut ist größer geworden“, analysiert Mitorganisator Jens Heinze. Viele Händler hätten aufgehört, weit gereiste Anbieter gäbe es kaum noch. Die Zeiten, in denen die Marktleitung Stände ablehnen konnte, seien lange vorbei. Der Chef der Marktgilde-Niederlassung Dresden, Frank Hadan, nimmt sogar das Wort „Märktesterben“ in den Mund. Schmiedeberg und Heidenau sind nur zwei Beispiele in der Region. Doch der Marktexperte sieht verschiedene Möglichkeiten, dieser Entwicklung gegenzusteuern und mehr Berufstätige auf die Märkte zu locken. Einige Vorschläge:

Einen Markt bis abends einführen

Das Hauptpublikum der meisten Märkte besteht aus älteren Leuten. Diese erledigen bis mittags ihre Einkäufe, dann wird es recht leer an den Ständen. In vielen Städten hat sich deshalb eingeschliffen, dass die Händler nicht bis zum offiziellen Marktende bleiben, sondern den Platz bereits etliche Stunden früher verlassen. Wer als Berufstätiger regional einkaufen möchte, trifft nach der Arbeit häufig nur noch vereinzelte Stände an. Frank Hadan schlägt deshalb einen Wechselmarkt vor, der aus einem Vormittagsmarkt (etwa 9 bis 15 Uhr) und einem Nachmittagsmarkt (etwa 15 bis 19 Uhr) besteht. Die frühen Händler könnten pünktlich aufbrechen. Ersetzt würden sie von anderen Kollegen für den späten Markt. Der Leiter der Dresdner Marktgilde-Niederlassung schätzt ein: „Notwendig wäre die Absprache mit den Kommunen, aber es würde mich wundern, wenn die etwas dagegen hätten.“

Mehr Aufenthaltsqualität für Familien

Wer zu Discountern und Einkaufszentren fährt, kennt kostenfreie Parkplätze als Selbstverständlichkeit. In größeren Häusern gehört Kinderbetreuung zum Standard. Doch warum können nicht auch Märkte in diesem Bereich aufschließen? In Städten mit angespannter Parkplatzsituation wie Pirna sieht Frank Hadan die Möglichkeit, Parkflächen für Marktbesucher freizuhalten und die entrichtete Parkgebühr beim Einkauf zu verrechnen, sodass das Ticket unterm Strich nichts kostet.

„Und die Kinderbetreuung beim Einkauf ließe sich vielleicht ehrenamtlich klären“, sagt der Marktexperte. Auch auf die Frage nach dem Wo fällt ihm sofort etwas ein: Zumindest in den kalten Monaten könnte man sich zunutze machen, wenn der Markt in unmittelbarer Rathausnähe liegt. Gedacht sei an Pirna, Dippoldiswalde, Sebnitz oder Neustadt. Dort würde möglicherweise die Verwaltung einen Raum bereitstellen. Und der Fachmann spinnt den Faden weiter: In dem Zimmer könnte ein Spiel-Wochenmarkt aufgebaut sein, wo mit den Kleinen Obst und Gemüse eingekauft und abgewogen werden. „So führt man Kinder auf spielerische Weise an regionale Produkte und das Thema gesunde Ernährung heran.“

Online-Vorbestellungen anbieten

Doch die Marktgilde-Niederlassung Dresden, zuständig auch für den Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge, wendet sich besonders an jene, bei denen der Markt als Alternative zum Discounter und Internethandel erst wieder ins Bewusstsein finden muss. Um sie neugierig zu machen, soll in Kürze eine „Marktbox“ eingeführt werden: Diese Kiste in der Größe eines Umzugskartons wird mit einem Grundsortiment des Marktes bestückt, indem jeder Händler ein Produkt beisteuert. Dieses verschlossene Überraschungspaket im Wert von zum Beispiel 20 Euro könnte vor jedem Markttag online auf der Homepage der Marktgilde Dresden vorbestellt und unabhängig von den Marktzeiten an einem festgelegten Depotort – etwa einer nahe gelegenen Tankstelle – abgeholt werden.

Um das Interesse daran zu erkunden, hat die Gilde über die Wintermonate Online-Befragungen geplant. Ziel ist, Pilotmärkte zu ermitteln, auf denen der Test anlaufen kann. „Ab dem Frühjahr wäre es denkbar, die Marktbox über unseren Online-Shop anzubieten“, sagt Frank Hadan. Als Weiterentwicklung kann er sich auch gut eine reine Fischbox oder Gemüsebox vorstellen, die sich im Vorfeld des Markttages online ordern ließe.

Eine Vorstufe praktizieren manche Händler bereits. Als besonderen Service nimmt unter anderem der Dohmaer Spezialitätenproduzent Tino Knauthe an Markttagen per SMS Bestellungen von Stammkunden entgegen. In freien Minuten packt er die Wunschpakete zusammen und bringt sie nach Marktende an einen verabredeten Treffpunkt, wo Ware gegen Geld übergeben wird.

Neue Händler auf den Markt holen

Den Wochenmarkthändlern fehlt es an Nachwuchs. Frank Hadan plädiert dafür, (Hof-)Ladenbesitzern ohne Markterfahrung ein Hineinschnuppern zu ermöglichen – und ihnen im Idealfall die Erfahrung eines Verkaufserlebnisses zu bescheren. Seine Idee: Eingelagerte Weihnachtsmarkthütten aus dem Eigentum der Stadt werden „Schnupper-Händlern“ zur Verfügung gestellt, um das Marktgeschäft zu testen. Der Fachmann ist guter Dinge, dass der eine oder andere so auf den Geschmack kommt.