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Wo singt denn nun der Ortolan?

Zwischen Löbau und Weißenberg sollen Bauern Land für den Vogelschutz freimachen. Die zweifeln aber am Sinn.

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© picture alliance / dpa

Von Anja Beutler

Löbau. Seit sieben Jahren rollt der Verkehr auf der neuen B178-Trasse zwischen Löbau und Nostitz. Ob da auch das zarte Vögelchen Ortolan, das die B178 n-Pläne an vielen Stellen durcheinandergebracht hat, hier noch piept? Das fragt sich zumindest Jörg Freiherr von Lüdinghausen. Der Mann aus Kleinradmeritz hat den kleinen Bodenbrüter noch nie gesehen oder gehört – weder vor noch nach dem Bau an der Bundesstraße. Der Landwirt aus Kleinradmeritz soll aber einige Stücke seines Ackers für den Ortolan-Schutz abgeben und manches künftig anders machen auf den Feldern – wenn das alles einmal amtlich ist.

Dann sollen die Bauern keinen Mais und Raps mehr anbauen. Auch das Getreide dürfen sie nicht mehr so eng säen. Bäume und Sträucher sollen an den Wegen und auch auf Feldern gepflanzt werden. So wie es Ortolane mögen. „Wir bauen hier für viel Geld einen Vergnügungspark für den Vogel und wissen gar nicht, ob er noch hier lebt“, spitzt Lüdinghausen zu. Denn es gibt Gerüchte, das niemand vor dem Straßenbau geprüft habe, ob tatsächlich zwischen Löbau und Nostitz diese Vögel leben.

Ortolan wurde in den vergangenen Jahren kartiert

Solche Gerüchte – und die Frage, ob es noch was zu schützen gibt – sind für Dr. Joachim Ulbricht von der Vogelschutzwarte in Neschwitz nichts Neues. Und er kann die Reaktionen der Leute verstehen. Denn, wer einen Ortolan sucht, muss die Ohren spitzen und wissen, wie er ruft. „Man muss sich ein bisschen mit dem Vogel auskennen“, erklärt Ulbricht. Wenn man weiß, wie der auch Gartenammer genannte Vogel ruft, ist er unverkennbar, betont der Ornithologe. Zudem kann Ulbricht auf die Zweifel der Bauern mit Argumenten antworten: Denn der Ortolan ist in den vergangenen Jahren sehr wohl kartiert worden – schon allein, weil das für die Ausweisung des Vogelschutzgebietes nötig war.

Nach diesen Unterlagen der Vogelschutzwarte, die von amtlicher Seite mit solchen Aufgaben betraut wird, hat es sowohl 2004 als auch 2010 und 2011 Ortolannachweise rund um Nostitz gegeben. Dabei handelte es sich 2004 um eine Ersterfassung und in den beiden anderen Jahren um Monitoring-Vorhaben. Auf den danach erstellten Karten ist eindeutig zu sehen, dass in dem Gebiet Ortolane leben. „Dieses Terrain ist Teil des europäischen Vogelschutzgebietes Feldgebiete der östlichen Oberlausitz“, sagt Ulbricht. Es ist sogar eine der beiden Regionen in Sachsen, wo der seltene Vogel hauptsächlich vorkommt. Deshalb sei es gar nicht der springende Punkt, auf einem speziellen Feld einen Ortolan-Nachweis zu erbringen, ordnet der Experte ein. Es gehe um ein größeres Gebiet, in dem sich die Tiere heimisch fühlen.

„Die Vögel sind durchaus flexibel, warum nicht auch die Menschen?“

Die Regeln, an die sich die Bauern künftig halten sollen, sind demnach dazu da, die Tiere zu halten. „Wenn wir nichts tun, passiert das, was nahe Moritzburg passiert ist: Der Ortolan ist weg“, sagt Joachim Ulbricht. Dabei sei bei Moritzburg gar keine Straße neu gebaut worden. Die Bauern hätten einfach nur so weitergewirtschaftet wie in den vergangenen Jahren. Bei viel Mais, Raps und sehr eng stehenden Pflanzen finde er eben keine guten Bedingungen mehr und ziehe weg.

Wolfram Poick, Ornithologe aus Kemnitz bei Bernstadt, der selbst viele Kartierungen gemacht hat, sieht das hingegen nicht so verbissen. Denn er habe selbst schon nahe der Autobahn bei Görlitz Ortolane gefunden – und da habe auch keiner den Bauern gesagt, dass sie etwas ändern müssen. Poick warnt davor, Naturschutz zu eng auszulegen. „Die Vögel sind durchaus flexibel, warum nicht auch die Menschen?“

In den Augen des Bauherrn – dem Landesamt für Straßenbau und Verkehr (Lasuv) – ist man durchaus flexibel. Im Rahmen des Möglichen. Schließlich gab es in den vergangenen Jahren, vor allem nach einem Erörterungstermin vor zwei Jahren, einige Änderungen. Annelore Nahrstedt, deren eigene Flächen auch vom Ortolanschutz betroffen sind, bestätigt zumindest, dass die Behörde einiges gestrichen habe und Anregungen der Landwirte gefolgt sei: So sei man für Schutzstreifen teilweise von Privatflächen auf verpachtetes Ackerland, das dem Bund gehört, ausgewichen. Am Grundsatz wird sich aber nichts ändern: Die Bauern müssen auf den Ortolan Rücksicht nehmen. „Vielleicht geht es schon ab Herbst los“, sagt Frau Nahrstedt. Genaueres wisse sie noch nicht.