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Wo man einst von der Straßenbahn in den Zug umstieg

Die SZ erinnert an Zittauer Gebäude und Menschen, die jeder kennt, die aber nicht mehr da sind. Heute: der Wandel des Bahnhofsgeländes.

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© Postkarte

Von Heike Schwalbe

Zittau. Um die Mitte des 19. Jahrhunderts erreichte der technische Fortschritt auch Zittau. Eisenbahnen versprachen ein schnelles und bequemes Reisen, wie in allen Regionen Deutschlands, auch hier Gleise verlegt. Die erste Schienenverbindung nach Löbau entstand 1848.

© Rafael Sampedro

Ursprünglich sollte die Endhaltestelle in der Nähe des Webertores liegen, doch fürchtete man eine starke Lärm- und Schmutzbelästigung und entschied sich, diese in Zittaus Norden zu verlegen. Hier führte auch einst die direkte Straße nach Löbau entlang. Der erste Bahnhof war ein einfacher Kopfbahnhof, eingeschossig, mit einem Arkadengang auf der Süd- und dem Bahnsteig auf der Nordseite. Auch ein kleiner Vorplatz mit Fußwegen und Stellplätze für Fuhrwerke und Kutschen wurden geschaffen.

1859 entstand ein neues klassizistisches Bahnhofsgebäude. Der Platz davor wurde vergrößert und als Parkanlage mit Bäumen, Bänken und Rabatten gestaltet. Bald „zierten“ ebenso Buden und Reklameschilder diesen Platz. Es gab wieder Stellplätze für Fuhrwerke, und Dienstboten erwarteten hier Aufträge.

Durch die verbesserte Wirtschaftslage nahm Zittaus Einwohnerzahl stetig zu. Im westlichen Bahnhofsbereich wurden bis 1876 Abstellplätze gebaut, denn jetzt verkehrten Züge auch nach Görlitz, Reichenberg, Großschönau und ab 1877 nach Dresden. Für die Anlage einer Schmalspurbahn war im Bahnhofsbereich kein Platz mehr und sie musste sich mit dem Vorplatz begnügen. Ab 1884 fuhren von hier deren Züge nach Reichenau und ab 1890 auch nach Oybin und Jonsdorf ab. Viele Reisende, darunter zunehmend Kurgäste und Sommerfrischler, eilten über den Platz zu ihren Anschlüssen. Auch die Restaurants wie das des südlicher stehenden „Hütters Hotel“ oder „Zur Burg“ auf einer kleinen Anhöhe östlich des Platzes waren gut erreichbar.

Erst 1908, nach Abriss des Burg-Restaurants, entstand an dieser Stelle der Schmalspurbahnhof. Doch deren Bahnen müssen den Vorplatz queren, um zu Lokschuppen und Betriebsanlagen zu gelangen, auch heute noch. Ein breiter Fußweg führte durch die Grünanlagen und über ihre Gleise. 1911 erfolgte eine erneute Umgestaltung, die Installation einer elektrischen Beleuchtung und die Einführung einer neuen Verkehrsführung, was damals notwendig wurde, weil es zu dieser Zeit immer mehr Autos gab. Die weiße und blaue Linie der Straßenbahn, die bis 1919 fuhr, hatten hier ihre Haltestelle, ebenso die später folgenden Linienbusse. Viel Verkehr also für einen Platz, den nur die Bahnhofstraße am Rande streift, in welche die Eisenbahnstraße mündet, zu der auch ein Treppengang führt.

Zu DDR-Zeiten waren am Bahnhofsvorplatz Zug-, Mietwagen- und Busverkehr vorherrschend. Jedoch wurde Letzterer zunehmend auf die Bahnhofstraße verlegt, hier stand auch eine Wartehalle und auf dem jetzigen Parkplatz wurden an einem Stand Busfahrscheine verkauft. Die Parkanlage blieb wie in früherer Zeit erhalten, Bäume und Sträucher sorgten für Schatten. Das Aus der Schmalspurbahn war bereits beschlossen, als die Wende kam. Nun durfte die Bahn fortbestehen und am 25. Mai 1990 wurde zu ihrem 100. Geburtstag am Bahnhof ein großes Fest gefeiert mit extra dafür gebrautem Festbier. Später nahm der Schienenverkehr schrittweise ab. Im Bahnhof schlossen die Fahrkartenschalter, die Schließfächer fürs Gepäck verschwanden und am Vorplatz sind Blumenpavillon und Bahnpost abgerissen worden.

2001 konnte Zittau den Tag der Sachsen ausrichten und das Bahnhofsgebäude wurde vorher saniert. Auch der Bereich davor ist völlig umgestaltet worden mit sechs modernen Bussteigen, Asphaltstraße und neuem Parkplatz. Heutzutage erscheint der Bahnhofsvorplatz recht langweilig, es fehlen Farben, mehr Bäume und an heißen Tagen ein schattiges Plätzchen für die Busreisenden. Das Flair der früheren Jahre ging leider verloren, so wie der Name, denn offiziell heißt dieser Ort nun Platz des 17. Juni.