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Wo kaufst Du Deine Brötchen?

Zwar gibt es kaum noch Bäcker auf dem Lande, aber dennoch kaum weiße Flecken in der Versorgung.

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© Anne Hübschmann

Von Susanne Plecher

Die Claims sind abgesteckt. Kurz nach der Wende haben sich viele Landbäckereien Verkaufsmobile angeschafft und Versorgungstouren festgelegt. In ihnen rumpeln wackere Verkäuferinnen von Ort zu Ort und versorgen noch im kleinsten Dorf die Menschen mit frischen Backwaren. Das ist vor allem für die Älteren ein unverzichtbarer Service. Für Ursula Seidel aus Zottewitz zum Beispiel. „Ich bin 86 Jahre alt und habe mein Auto stillgelegt. Zwar kann ich mit dem Bus noch in die Stadt fahren, aber beim Ein- und Aussteigen brauche ich beide Hände. Wie soll ich da noch eine Tasche tragen?“ sagt sie. Sohn und Nachbarn kaufen zwar für sie ein. Aber selbst zum Bäcker zu gehen, die Auswahl zu treffen und einen Plausch zu halten, will sich die betagte Dame nicht nehmen lassen. Das ist für sie ein Stück Lebensqualität.

Der letzte Zottewitzer Bäcker hat sein Geschäft 1983 geschlossen. Von da an mussten die Dörfler schauen, woher sie ihre Brötchen beziehen konnten, wenn sie sie nicht im Konsum kaufen wollten. Dann kam die Marktwirtschaft und die Karten der Brötchenversorgung wurden neu gemischt. Seit 20 Jahren übernimmt die in Zottewitz nun zum Teil die Niederlommatzscher Bäckerei Reimann. Kerstin Fritzsche geht für sie auf Versorgungstour. „Ich kenne meine Kunden und halte auch gerne mal ein Schwätzchen“, sagt sie. Auch die Großenhainer Bäckerei Thieme gehört zu den insgesamt acht Betrieben der näheren Umgebung, die ihre Produkte direkt auf die Dörfer bringen. Sandra Thieme schafft sie ihren Kunden sogar nach Hause. „Ich fahre direkt auf den Hof und trage ihnen die Sachen zum Teil auch hoch“, sagt sie. Mehr Service geht fast nicht.

Manche frieren ein

Rund 90 Dörfer gibt es im Einzugsbereich der Großenhainer SZ. In zehn davon geht ein Bäcker noch seinem traditionellen Handwerk nach, in sieben anderen bieten Verkäuferinnen in Filialen Brot, Brötchen und Kuchen feil. Nach einer SZ-Recherche halten in mindestens 60 Dörfern ein oder mehrere Verkaufswagen. In Orten, die nicht mehr angefahren werden, hat sich das Geschäft für die Händler nicht gelohnt. Deren Einwohner kaufen ihre Backwaren in den Discountern oder Bäckereien. Wer den Weg nicht jeden Tag auf sich nehmen möchte, friert seine Brötchen auf Vorrat ein. Diese Strategie kennt die Steinbacher Bäckersfamilie Sperling ziemlich gut. Samstags verkaufen die alteingesessenen Bäcker – das Geschäft existiert seit 1897– in Spitzenzeiten bis zu 2 500 Brötchen. Das sind rund viermal so viele wie an den anderen Wochentagen. Gut die Hälfte davon wird vorbestellt. „Die Kunden bezahlen vorher und geben ihre Semmelbeutel ab“, erzählt Bäckermeister Dirk Sperling. Im Verkaufsraum hat er extra eine Hakenleiste für die vielen Beutel angebracht. Andere Verkaufsschlager sind das Roggenmischbrot und die Eierschecke, die seit 118 Jahren nach unverändertem Rezept gebacken werden.

Seit vier Generationen

Auch in Rödern und Zabeltitz gibt es noch solche traditionellen Dorfbäcker, deren Geschichte seit Generationen eng mit dem Herkunftsort verwoben ist. Der Röderner Georg Bicknäse ist mit seinen legendären „Ostsemmeln“ weit über die Ebersbacher Flur hinaus bekannt. Seit 1960 werden im Haus Bicknäse die Brötchen im gleichen Ofen gebacken, der mit Kohle beheizt wird. Der typische Geschmack ist unverzichtbarer Teil des Erfolgsrezeptes. Haases haben den alten Ofen mit neuer Technik ersetzt, und die Kunden sind ihnen trotzdem treu. Seit vier Generationen backen die Zabeltitzer Bäcker Brot, Brötchen und Kuchen, immer im gleichen Haus, mit dem Laden immer an der gleichen Stelle. Gleich nach der Wende hat der Traditionsbetrieb begonnen, auch die umliegenden Dörfer zu beliefern. „Dort hat es schon zu DDR-Zeiten keine Bäcker gegeben“, sagt Seniorchef Andreas Haase. Sein Sohn Silvio bäckt schon lange mit und wird den Familienbetrieb weiterführen. In Zabeltitz bleibt der Bäcker dem Dorf also noch lange erhalten.