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Wo ist Teddy Pauli?

Der sechsjährige Til hat im Kaufpark sein liebstes Plüschtier verloren. Das Bärchen half ihm durch eine schwere Zeit.

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© Norbert Millauer/privat

Von Nora Domschke

Scheu ist Til nicht – sofort rennt er zu der Frau, die mit ihrem Reinigungswagen in den Gängen des Nickerner Einkaufszentrums unterwegs ist. „Haben Sie Pauli gesehen?“ Sein Gesicht spricht Bände, offenbar gibt es wieder keine heiße Spur zu seinem Teddy Pauli. Den hat der Sechsjährige am vergangenen Montagabend im Kaufpark verloren. „Irgendwo zwischen dem Parkdeck 3 und dem Kaufland-Restaurant in der oberen Etage muss es passiert sein“, berichtet Tils Mutter Dana Pietsch. Ihr geht Paulis Verschwinden genauso nahe wie ihrem Sohn. Denn Pauli ist nicht nur irgendein Spielzeug: Der kleine Plüschbär hat eine schwere Zeit mit Til durchgestanden, ist Glücksbringer, Tröster, Einschlafhilfe, ein Kuscheltier mit eigener Stimme und Persönlichkeit.

Das Bärchen begleitet ihn seit seiner Geburt – und beim Kampf ums Überleben.
Das Bärchen begleitet ihn seit seiner Geburt – und beim Kampf ums Überleben. © privat

Zwei Wochen im Koma

Ohne Pauli ging gar nichts, damals im Juli 2011. Von einem Tag auf den anderen veränderte sich das Leben des knapp Dreijährigen und seiner Eltern. Was nach einer leichten Grippe aussah, endete im zweiwöchigen Koma auf der Intensivstation der Dresdner Uniklinik. Die Diagnose: Meningokokken-Sepsis. Die Blutvergiftung wird durch Bakterien verursacht – bei Til führte sie zu einem multiplen Organversagen. Zum Glück wohnt die Familie in Kliniknähe, die Ärzte können schnell genug handeln, denn binnen einer Stunde ist Tils Zustand lebensbedrohlich. Zweimal muss der kleine Junge wiederbelebt werden, dann wird er ins künstliche Koma versetzt. Es sind bange 24 Stunden für die Eltern Dana Pietsch und Frederik Wozel, denn Tils Überlebenschance liegt bei etwa 50 Prozent. Die Familie hat Glück – nach zwei Wochen Koma und elf Wochen Intensivstation darf Til die Klinik verlassen. Im November 2011 bedanken sich die Drei mit einem Plakat in der Bushaltestelle vor der Uniklinik: Es zeigt Til mit feschem Hut – und Teddy Pauli (die SZ berichtete).

„Das Kuscheltier war damals wie ein Anker für ihn“, sagt seine Mutter heute. In der Nacht müssen die Eltern die Klinik verlassen, dürfen nicht bei Til auf der Intensivstation bleiben. Doch Teddy Pauli harrt aus, tröstet den kranken Jungen – für Til wird das Stofftier zur eigenen Persönlichkeit. „Er hat immer Quatsch mit mir gemacht“, berichtet der Sechsjährige lachend. Das Plüschtier, eigentlich ein Schmusetuch mit Bärchenkopf, ist später dabei, als Til das Krankenhaus verlässt und neue Herausforderungen warten. Pauli sitzt mit am Tisch, wenn der Dreijährige sein kalium-, eiweiß- und phosphatarmes Essen zu sich nimmt. Das bereitet Mama Dana mühevoll zu: Kartoffeln müssen zum Beispiel dreimal mit neuem Wasser aufgekocht werden, damit das Kalium – und damit auch alle wertvollen Vitamine – aus den Knollen verschwinden. Möhren werden vorher eingeweicht und „schmecken dadurch schrecklich“, gesteht die 33-Jährige. Für den Kindergarten, den Til seit Mai 2012 wieder besucht, kocht sie das Mittagessen vor, auch Frühstück und Vesper gibt sie ihrem Sohn mit.

Trotz aller Umstände und der Medikamente, die Til aufgrund seiner geschädigten Niere nehmen muss, ist die Familie froh, dass es dem Jungen bislang gut geht. Im November 2011 prognostizierten die Ärzte, dass das Blut ihres kleinen Patienten künftig mithilfe einer Dialyse regelmäßig gereinigt werden muss. Doch die Niere funktioniert – so lange Til Diät hält. Das bedeutet: keine Bananen, keine Tomaten und vor allem keine Schokolade. Für Dana Pietsch keine einfache Situation, denn die Angst ist groß, dass ihr Sohn doch einmal heimlich nascht. „Ich weiß nicht, ob er versteht, wie ernst die Lage ist“, fragt sich die Mutter. Im schlimmsten Fall löst das Kalium einen Schock aus, der zum Herzstillstand führen kann. Es ist ein Leben zwischen Zuversicht und Zukunftsangst, zwischen Loslassen und Kontrolle.

Im September bekommt Til ein kleines Geschwisterchen. Ob es ein Mädchen oder ein Junge wird, will Dana Pietsch nicht verraten. „Hauptsache, unsere Kinder sind und bleiben gesund.“ Für Til hofft sie nun, dass Pauli schnell wieder auftaucht. Der Dreijährige will sich darauf nicht verlassen und befragt indes die nächste Putzfrau.

Wer Kuschelbär Pauli, blau-beige und etwa 20 Zentimeter groß, gefunden hat, kann sich bei der Center-Information im Kaufpark oder telefonisch unter 28620 melden.