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Wo Heimat noch Hamit ist

Im Gymnasium Altenberg steht eine ungewöhnliche Unterrichtsstunde auf dem Stundenplan – Mundart.

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© Egbert Kamprath

Von Maik Brückner

Altenberg. Mundart kann man lernen. Das meint Kathrin Legler. Und sie weiß, wovon sie spricht. Schließlich hat sie sich selbst die „arzgebirgische“ Mundart beigebracht. Durch Lesen und Zuhören. Seit zehn Jahren gibt die Geisingerin ihr Wissen und ihre Erfahrung an Schüler weiter, die sich auch für den Dialekt der Altvorderen interessieren. Einmal in der Woche lädt die Bio- und Chemielehrerin des Altenberger Gymnasiums zum Fach Mundart im Rahmen des schulischen Ganztagsangebots ein.

„In den ersten Jahren kamen fünf bis zu sieben Schüler in den Unterricht“, erinnert sie sich. Inzwischen besuchen elf bis zwölf Schüler aus unterschiedlichen Klassen den Kurs. Da alle zu unterschiedlichen Zeiten Schulschluss haben, war es im vergangenen Jahr unmöglich, einen Termin in der Woche zu finden. Deshalb blieb den Mundartfans nichts anders übrig, als sich sonnabends zu treffen. Und das funktioniert. Die Jungs und Mädels lassen sich zum Unterricht fahren. Dort geht es entspannt zu.

Denn die Lehrerin bringt leckeren Kuchen mit. Dann lernen sie die arzgebirgische Mundart. die sie im Alltag so nicht mehr hören. „Früher war die Mundart auch im Osterzgebirge noch üblich“, sagt Frau Legler. Heimat hieß Hamit und Abend Obnd. Doch durch die Massenmedien wurde die arzgebirgische Mundart im Osterzgebirge immer mehr zurückgedrängt. Die Nähe zu Dresden, wo viele Arbeit fanden, tat sein übrigens. Immer mehr schwappte das „höfische Sächsisch“, das die Dresdner sprachen, ins Osterzgebirge. Das sei bedauerlich. Denn so ging ein Dialekt unwiderruflich verloren, sagt Frau Legler. Aufzuhalten sei der Prozess nicht. Schließlich gebe es auf anderen Gebieten ähnliche Entwicklungen. Zum Beispiel im Nahverkehr. „Wer würde heute auf die Postkutsche umsteigen. Ich jedenfalls nicht“, sagt die Mundart-Lehrerin und lächelt. Deshalb bleibt nur eins: Zumindest im kleinen Rahmen sollte die Mundart, in der die großen Erzgebirgs-Dichter Max Nacke, Seff Gessinger und Max Tandler gedichtet haben, gepflegt werden.

Sonnabends in die Schule

Und dieser Sache hat sich Katrin Legler, die im Spreewald geboren wurde und in Reinhardtsgrimma und Geising aufwuchs, verschrieben. Zum Interesse an der Mundart kam sie durch Regine Klapczinski, die Mutter ihrer besten Freundin. Die Begegnungen mit ihr weckten das Interesse an diesem Dialekt, den auch in Geising niemand mehr spricht. Einige Frauen und Männer haben noch zu DDR-Zeiten begonnen, ihn zu pflegen. Zu ihnen gehörte eben auch jene Regine Klapczinski. 1983 gründete sie die Erzgebirgsgruppe Bimmelbah’ Musikanten, die sie bis 2003 leitet. Auch als sich der Erzgebirgszweigverein Geising 1992 wiedergründete, war Frau Klapczinski mit dabei. Diese Heimatgruppen versuchten, den Dialekt der Altvorderen zumindest im kleinen Rahmen zu bewahren. Sprachkurse gab es aber nicht. „Ich habe eine Weile in Fürstenau gewohnt, da gab es noch Leute, die Mundart sprachen“, sagt Frau Legler. „Dort habe ich mir einiges abgehört.“ Und nach dem Prinzip versucht Frau Legler, den Mädchen und Jungen den Dialekt nahezubringen. Anders als im früheren Russisch-Unterricht werden hier nicht Vokabeln gepaukt, sondern Lieder und Sketche vorgespielt. So hören sich die Schüler in die Aussprache rein.

Später lesen sie die Texte selbst. Wo es nötig ist, korrigiert Frau Legler. „Es geht um den Spaß beim Verstehen, Lesen, Sprechen, Singen und Schreiben der doch heute so sonderbar anmutenden Mundart“, sagt sie. Um den Schülern einen kleinen Anreiz zu geben – Zensuren werden bei diesem Unterricht nicht vergeben – begibt sich die Mundartgruppe hin und wieder auf die Bühne, um ihren „Unterrichtsstoff“ zu präsentieren und die Leute zu unterhalten. Die Sketche drehen sich um lustige Begebenheiten, die aus Missverständnissen herrühren. „Wir beleuchten auch das manchmal schwierige Miteinander zwischen 'Maa un Fraa' wie in Sketchen mit dem Titel 'De Sperrmüllaktion' oder 'Wie mer unnern Ferertogsspack luswarn wulltn“, erzählt die Mundartlehrerin. Einen der nächsten größeren Auftritt wird die Gruppe zum Weihnachtskonzert des Gymnasiums Mitte Dezember in der Altenberger Kirche haben.

Bis dahin werden Weihnachtslieder und -sketche geprobt. Die Schüler sind begeistert. Manche, wie der 16-jährige Peter, sind schon seit einigen Jahren dabei. „Ich finde den Unterricht toll. Es wäre schade, wenn unsere Mundart völlig verloren gehen würde“, sagt der Geisinger. Und auch Tabea aus Hermsdorf ist begeistert dabei. Dass sie dazu auch sonnabends in die Schule muss, stört sie nicht. „Meine Familie unterstützt mich.“ Mal bringen ihre Eltern, mal ihr Bruder sie zum Unterricht.