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Wo Flüchtlinge wohnen könnten

Vier potenzielle Standorte gibt die Stadt Pulsnitz weiter. Bürgermeister Graff rechnet fest mit den ersten Asylbewerbern.

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© René Plaul

Von Reiner Hanke

Der Pulsnitzer Ratssaal konnte den Publikumsansturm am Dienstagabend nicht fassen. Bürger standen draußen die Treppe hinunter und hatten sich auch auf dem Markt versammelt.

Drei ungenutzte Objekte schlägt die Stadt Pulsnitzer dem Kreis als Asylbewerberunterkünfte vor. Das frühere Konsumgebäude auf der August-Bebel-Straße gehört dazu.
Drei ungenutzte Objekte schlägt die Stadt Pulsnitzer dem Kreis als Asylbewerberunterkünfte vor. Das frühere Konsumgebäude auf der August-Bebel-Straße gehört dazu. © Reiner Hanke
Der Lagerplatz des städtischen Bauhofes könnte ein Containerdorf für Flüchtlinge aufnehmen.
Der Lagerplatz des städtischen Bauhofes könnte ein Containerdorf für Flüchtlinge aufnehmen. © René Plaul
Das Wohnhaus Feldstraße2 ist bereits im Kreisbesitz und ziemlich sanierungsbedürftig. Dach, Sanitäranlagen und Heizung gehören zu den wunden Punkten.
Das Wohnhaus Feldstraße2 ist bereits im Kreisbesitz und ziemlich sanierungsbedürftig. Dach, Sanitäranlagen und Heizung gehören zu den wunden Punkten. © Reiner Hanke

So viel Aufmerksamkeit gibt es derzeit nur für ein Thema: Flüchtlinge und Asylunterkünfte. Vorschläge der Kommunen für Flüchtlingsunterkünfte hatte jetzt Landrat Michael Harig (CDU) von den Kommunen abgefordert. Hintergrund ist der ungebrochene Zustrom von Asylbewerbern. Bis zum Jahresende rechnet der Kreis noch mit mehr als 2 100 Menschen, für die ein Quartier gefunden werden müsse. Der Pulsnitzer Bürgermeister Peter Graff (FDP) hatte den Bürgern versichert, öffentlich darüber zu beraten. Über Mikrofone wurde die Debatte auch auf den Markt übertragen. Graff verwies auch auf die gesetzliche Verpflichtung der Kommune, die Suche nach Unterkünften zu unterstützen und Flüchtlinge aufzunehmen.

Neun Gebäude und drei Flächen hatte die Stadt auf die Liste gesetzt. Eine Gemeinsamkeit verbindet fast alle Objekte. Sie sind größtenteils stark sanierungsbedürftig, einige eher abrissreif. Über jede Position auf der Liste wurde debattiert und einzeln abgestimmt. Einige Gebäude fielen durchs Rost wegen der Nähe zu Schulen. So erklärte Cornelius Hartmann (CDU), man habe sich bereits im Ausschuss darauf verständigt, solche Objekte nicht vorzuschlagen. Damit waren das frühere Wohngebäude auf dem Enso-Gelände an der Schillerstraße und die alte Schule in Oberlichtenau quasi schon vom Tisch. Außerdem will die Stadt in dem Enso-Gebäude gern selbst einen Schulhort einrichten. Aus städteplanerischer Sicht oder strategischen Gründen wurden noch andere Gebäude von der Vorschlagsliste gestrichen. Die ehemalige Schule auf der Schillerstraße zum Beispiel, weil es jetzt einen Investor gebe. Das Herrenhaus wegen der Nähe zur Schlossklinik und zum Markt. Beim Mehrfamilienhaus Lichtenberger Straße 9 sprach sich der Rat für eine Sanierung aus. Hier sollte Wohnraum für Familien geschaffen werden.

Berufsschule von Liste gestrichen

Im Fokus waren sowohl städtische als auch private und kreisliche Liegenschaften. Zu diesen gehört die ehemalige Berufsschule auf der Goethestraße. Sie wurde ebenfalls von der Vorschlagsliste gestrichen. Die Lage am Stadtzentrum spielte dabei eine Rolle und andere planerische Vorstellungen der Stadt für dieses Areal mit der Industriebrache Scanbelt im rückwärtigen Bereich. Dort will die Stadt einen Wohnstandort entwickeln. Ob sich der Kreis von den Einwänden beeinflussen lässt, bleibt abzuwarten. Gerade dieses Gebäude prüfe der Kreis schon, ob es geeignet sei als Asylheim, so Bürgermeister Graff. Dem Kreis gehört auch das sanierungsbedürftige Wohnhaus Feldstraße 2. Das blieb auf der Liste, ebenso wie das Wohnhaus Wettinstraße 4 und das marode frühere Konsumgebäude auf der August-Bebel-Straße. Von den drei potenziellen Flächen für Containerdörfer verständigte sich der Rat auf den städtischen Lagerplatz für den Bauhof. Die Stadt müsste das Gelände freilich beräumen. Das sei aber machbar. Für und Wider gab es bei jedem der drei Standorte. Einmal war es die Sorge um die Sicherheit der benachbarten Gartenkolonie, ein andermal, Investoren zu verprellen, als das Gewerbegebiet Spittelweg zur Sprache kam. Auch die Industriebrache von Ferroli kam letztlich nicht in Betracht. Diskutiert wurde immer mit dem Wissen im Hinterkopf: „Wir müssen dem Landkreis etwas anbieten“, wie es Holger Längert (Linke) formulierte. Ansonsten werde der am Ende über die Köpfe des Rates hinweg Entscheidungen treffen. Vier Standorte waren es am Ende. Wie der Kreis auf die getroffene Auswahl reagiert, wird sich zeigen. Er wird alle Standorte auf ihre Eignung prüfen.

Aus den Reihen der Bürger kamen erstaunlich wenig Fragen oder Hinweise. So wurde die Forderung nach einem Polizeirevier laut und der Stadtrat von einem Mann zum Rücktritt aufgefordert, was er nicht tat. Beifall aus dem Publikum gab es mehrfach, wenn ein Gebäude von der Liste gestrichen wurde. Manchmal auch, wenn die Sorgen und Ängste unter den Räten zur Sprache kamen. Die Liste sollte auch ein Signal dafür sein, dass sich Pulsnitz für dezentrale kleinere Lösungen ausspreche, so Heike Kühnel (CDU). Der Rat müsse entscheiden, „aber die Situation ist beängstigend. Es müssen Lösungen von Regierungsseite her“, forderte sie. Patrick Thomschke (FDP) gab zu bedenken, ihm gehe das alles zu schnell. Viele Fragen seien zu beantworten. Wo passen die Asylbewerber hin, wo kann Integration stattfinden, was sagen die Anwohner? Darum sollte es an dem Abend nicht gehen, aber der Bürgermeister richtete den Blick voraus auf den 7. Oktober. Für den Tag plane er ein Treffen mit dem „Bündnis bunte Westlausitz“, mit Vertretern von Schulen, Kitas und Vereinen, damit die Stadt vorbereitet sei, wenn die ersten Asylbewerber eintreffen. Um das Zusammenleben so gut wie möglich gestalten zu können: „Vertretbar für die Bevölkerung und die Asylbewerber“, so Graff. In der Bürgerfragestunde meldete sich dazu noch Gabriele Kirfe zu Wort. Die Oberlichtenauerin ist im Bündnis aktiv. Die geplante Veranstaltung finde sie gut, und sie sei überzeugt davon, dass es in Pulsnitz Menschen gibt, die gern anderen Menschen helfen wollen. „Jeder hat Ängste“, sagte sie in Bezug auf die Diskussion: „Aber wir dürfen uns nicht davon vereinnahmen lassen.“