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Wo ein Kunstwerk am seidenen Spinnenfaden hängt

Die Sanierung der Kirche in Reinhardtsdorf ist Rettung in letzter Not. Die Kirchgemeinde hatte schon einmal großes Glück.

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© Egbert Kamprath

Von Gunnar Klehm

Reinhardtsdorf. Welche Spinnenart es genau war, kann Restauratorin Jana Bösenberg nicht sagen, aber sie ist den Tierchen sehr dankbar. „Wenn die Spinnenfäden nicht die blätternde Farbe gehalten hätten, sähe das Deckenbild der Kirche heute anders aus“, sagt sie. Seit Juli arbeiten sie und ihre Kollegen an der Rettung der einzigartigen Deckenmalerei aus dem 17. Jahrhundert in der Kirche in Reinhardtsdorf. Behutsam und Erschütterungen vermeidend arbeiteten sie sich Zentimeter um Zentimeter voran. Zwischen Gerüstboden und Decke sind gerade mal 1,80 Meter Platz. Restauratoren dürfen offenbar nicht allzu groß sein. Mit Seidenpapier und Leim-Kreide-Grund wird die blätternde Farbe aufgefangen und wieder am ursprünglichen Ort befestigt. Etwa 30 Prozent der Bemalung wurden durch die Spinnen gerettet, schätzt Bösenberg.

Blicke in die Kirche

Das Deckengemälde in Reinhardtsdorfs Kirche blätterte immer mehr ab.
Das Deckengemälde in Reinhardtsdorfs Kirche blätterte immer mehr ab.
Die Kirche kann derzeit nicht betreten werden.
Die Kirche kann derzeit nicht betreten werden.
Franziska Wosnitza arbeitet kopfüber mit Nackenkissen.
Franziska Wosnitza arbeitet kopfüber mit Nackenkissen.

Diesmal ging es für sie und ihre bis zu acht Kollegen auch um Tempo. Nicht nur, weil immer mehr Farbe abzufallen drohte. Sondern auch, weil die Dachdecker schon warten. Die Restaurierung des Deckengemäldes und der Unterseiten der Empore ist nur ein Teil der anstehenden Baumaßnahmen. So wird auch der Dachstuhl saniert, das Dach neu gedeckt und der Westgiebel instand gesetzt. Seit Jahren hat sich die Kirchgemeinde um Geld für die Sanierung bemüht. „Endlich hat es geklappt“, sagt Evelin Arnold vom Vorstand der Evangelisch-Lutherischen Kirchgemeinde Bad Schandau, zu der die Reinhardtsdorfer gehören. Die Kosten aller Arbeiten werden auf 340 000 Euro geschätzt. 190 000 Euro kommen von der Landeskirche, 126 000 Euro aus einem Sonderprogramm der Denkmalpflege. Die restlichen 24 000 Euro muss die Kirchgemeinde aufbringen.

Wegen Bauarbeiten gesperrt

Wer in den letzten Jahren irgendwann einmal etwas in den Klingelbeutel in Reinhardtsdorf gesteckt hat, sollte sich die Kirche unbedingt anschauen, wenn sie fertig saniert ist. „Denn alle Spenden fließen in die Sanierung“, sagt Evelin Arnold. Und es wird noch immer gesammelt. Mehrere Tausend Euro fehlen noch, heißt es.

Bis die Arbeiten vorbei sind, dauert es aber noch eine Weile. Die Deckensanierung ist zum größten Teil abgeschlossen. Das Gerüst kann innen wieder abgebaut werden. Stattdessen wird die Kirche nun von außen eingerüstet, damit die Dachdecker ihre Arbeit beginnen können. Bis zum Wintereinbruch müssen sie möglichst fertig sein.

Im Frühjahr, sobald die Temperaturen wieder wärmer werden, müssen die Restauratoren dann noch mal ran. „Die Restarbeiten sollten dann aber zügig und ohne Gerüst gehen“, sagt Jana Bösenberg. Das freut Evelin Arnold, denn im Mai ist die erste Trauung in der sanierten Kirche geplant.

Derzeit ist sie komplett gesperrt. Das enttäuscht auch viele Touristen. In zahlreichen Wanderführern wird die Bauernbarockkirche in Reinhardtsdorf wegen ihrer Einzigartigkeit gepriesen und ein Besuch empfohlen. Ähnliche ausgemalte Holzkassettendecken gibt es in der Region nur noch in Schellerhau oder Grumbach. Die schlichte Schönheit der Reinhardtsdorfer Bemalung kommt ohne Gold und Bronze aus. „Die Schrift in der Sonne ist Perlglanzpigment“, klärt Jana Bösenberg auf. Alle anderen Fehlstellen werden mit Gouache-Farbe ausgebessert. Lichtechte Pigmente werden zugesetzt, die nicht so leicht verblassen. Eine Stelle nahe der Orgel wurde schon mal restauriert, und zwar 1938/39. Damals wurde erstmals Elektrik in der Kirche eingebaut. Dabei wurde festgestellt, dass an einer Stelle Figuren mit Wolken übermalt worden waren. Die freizügigen Figuren wurden dann wieder freigelegt.

Vorm Luftangriff gerettet

Erstaunt sind die Restauratoren auch über den guten Zustand der Holzkassetten. Das verwendete Nadelholz ist komplett intakt, nichts vermodert. Auch die mit Holznägeln befestigten Leisten sind so fest wie am ersten Tag. „Das ist eine beeindruckende Zimmermannsarbeit, genau wie der hölzerne Altar“, sagt Restauratorin Jana Bösenberg.

Auch der Altar wurde schon mal im letzten Moment gerettet. Der gotische Schnitzaltar aus dem Jahre 1521 wurde im 17. Jahrhundert durch einen barocken Altar ersetzt. Der Schnitzaltar landete schließlich im Museum in Dresden im Großen Garten. Nach der Sanierung der Kirche 1938 bemühte sich die Kirchgemeinde, den Altar zurück nach Reinhardtsdorf zu holen. Das gelang erst im Januar 1945, nur wenige Tage vor den Luftangriffen auf Dresden, die das Museum zerstörten.

Tag der offenen Baustelle in der Kirche Reinhardtsdorf, Sonnabend, 2. September, 13.30 bis 16 Uhr;

Am Viehbigt 78 W; Dort gibt auch Restauratorin Jana Bösenberg den Besuchern fachliche Auskünfte.