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Wo die Schnitzel wachsen

Im Stall der Agrö Horka GmbH stehen 4 500 Schweine. Das sorgt manchmal für Stunk.

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© André Schulze

Von Katja Schlenker

Es wäre schön, wenn Sie duschen könnten“, sagt Hagen Roßmann zur Begrüßung. Er ist der Geschäftsführer der Agrö Horka GmbH. 4 500 Schweine stehen am Rande des Ortes in einer großen Stallanlage. So einfach hinein kommt hier keiner. Denn Schweine sind den Menschen sehr ähnlich – nicht nur, was mögliche Krankheiten angeht, sondern auch, wenn es um die Struktur und Beschaffenheit von Fleisch und Fettgewebe geht. Deswegen ist das Risiko groß, dass die Tiere sich anstecken, wenn ein menschlicher Stallbesucher kommt und Keime mitbringt. Duschen ist also für jeden Pflicht, der in den Stall möchte. Der Blaumann liegt bereits im Umkleideraum parat samt T-Shirt, Socken und Schuhen. Der Besuch im Schweinestall kann beginnen.

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Neugierig beäugen die Horkaer Schweine die Besucher im Stall. Das ist ein Zeichen dafür, dass sie sich wohlfühlen, erklärt Geschäftsführer Hagen Roßmann (kleine Fotos). Ebenso wenn sich die Tiere zum Ausruhen auf die Seite legen. Über eine computergesteue
Neugierig beäugen die Horkaer Schweine die Besucher im Stall. Das ist ein Zeichen dafür, dass sie sich wohlfühlen, erklärt Geschäftsführer Hagen Roßmann (kleine Fotos). Ebenso wenn sich die Tiere zum Ausruhen auf die Seite legen. Über eine computergesteue © André Schulze

Unterdessen wartet Hagen Roßmann an der Futteranlage. Mit einer Suppe aus Getreide, Mais, Soja, Rapsschrot, Mineralstoffen, einer Vitaminvormischung, flüssigen Eiweißkomponenten sowie Kartoffelschälabfällen werden die Schweine täglich 13-mal gefüttert. Die Suppe wird automatisch von der Futteranlage zu den Trögen befördert. Ein Sensor am Trog misst, ob Nachschub notwendig ist. Morgens um 5 Uhr gibt es Frühstück, abends um 21.30 Uhr beginnt die Nachtruhe. Schweine sind Gewohnheitstiere, brauchen einen regelmäßigen Tagesablauf. Zwischen vier und zwölf Liter schlürfen die Schweine täglich von der nahrhaften Suppe. Je nachdem wie lange sie bereits im Stall sind und wie viel sie mittlerweile wiegen.

Geboren werden die Ferkel in Kodersdorf. Wenn sie etwa dreißig Kilo wiegen, kommen sie in den Horkaer Stall und werden hier gemästet. Sobald die Tiere um die 120 Kilo auf die Waage bringen, geht es zum Schlachthof. Da Sachsen seit 2011 keinen eigenen mehr hat, werden rund achtzig Prozent der Horkaer Schweine ins sachsen-anhaltinische Weißenfels gebracht. Hier zerlegt der größte deutsche Fleischkonzern Tönnies 535 Schweine pro Stunde und verkauft sie als potenzielle Schnitzel, Koteletts oder Medaillons an die Fleischer weiter. Die übrigen zwanzig Prozent der Tiere werden ins thüringische Altenburg gebracht. Hier kann die Südost Fleisch GmbH 320 Schweine pro Stunde zerlegen.

Außerdem ist die Agrö Horka GmbH Partner von Sachsenglück. Die Marke soll auf Qualitätsfleisch aus der Heimat Sachsen hinweisen. Dafür wird eine Vorauswahl unter den Schweinen getroffen. Die Tiere werden danach zwar auch in den zwei genannten Schlachthöfen zerlegt, gehen dann aber als Hälften zurück nach Dresden zur Mega – das Fachzentrum für die Fleischerei und Gastronomie GmbH. Erst dort werden die Hälften in ihre Einzelteile zerlegt und weiterverkauft. So ist genau nachvollziehbar, wo das Fleisch herkommt. „Was der Schlachthof an Fleisch behält, geht hingegen in die Welt“, sagt Hagen Roßmann.

Der 45-Jährige hat einst im Horkaer Stall gelernt. Seitdem hat sich vieles verändert. Früher haben die Schweine hier einmal übereinander gestanden. Auf zwei Ebenen, jede etwa anderthalb Meter hoch. Da mussten die Mitarbeiter noch gebückt herumkriechen, wenn die Schweine umgetrieben wurden, erzählt Hagen Roßmann. Siebzig Leute haben sich damals um die rund 9 000 Tiere gekümmert. Heute sind es lediglich zwei für 4 500 Schweine. Mittlerweile gehört der Horkaer Stall zu denen der bayrischen Familie Gröbner. Um 14 Anlagen kümmert sich Geschäftsführer Hagen Roßmann. Elf davon sind in Sachsen, unter anderem in Kodersdorf und Döbeln, zwei in Bayern und eine in Thüringen. Viele Kilometer fährt Hagen Roßmann jedes Jahr, um die einzelnen Anlagen zu besuchen. In manchen ist er nur einmal im Jahr, in anderen mehrmals im Monat.

Außerdem muss sich der Geschäftsführer noch mit ganz anderen Problemen auseinander setzen. Zum Beispiel soll es in Deutschland ab 2019 verboten sein, Tiere zu kastrieren, ohne sie dabei zu betäuben. Das stellt für Schweineerzeuger eine Herausforderung dar. Denn die männlichen Ferkel werden in den ersten Lebenstagen auch kastriert, weil das Fleisch von Ebern in drei Prozent der Fälle einen unangenehmen Geruch entwickeln kann. Die männlichen Ferkel fürs Kastrieren zu betäuben, ist mit hohem Aufwand und zusätzlichen Kosten verbunden, bei dieser Menge an Tieren. Zum anderen werden Schweine ungefähr mit sechs Monaten geschlechtsreif. Weibliche und männliche Tiere müssen also separat gehalten werden. „Seit zwei Jahren kastrieren wir die Hälfte unserer Tiere nicht mehr“, sagt Hagen Roßmann. „Um uns auf das Verbot vorzubereiten.“

Hinzu kommt, dass es in der Vergangenheit immer mal wieder Beschwerden gegeben hat – wegen des Geruchs. Wer im Stall bei den Schweinen steht, merkt davon aber nichts. Das liegt daran, dass stets frische Luft in den Stall kommt und verbrauchte Luft abgesaugt wird. Die Temperatur liegt stets bei etwa zwanzig Grad Celsius. Stinken tut es erst, wenn die Gülle unterhalb der Boxen abgelassen oder bewegt wird. Das ist aber notwendig, wenn die Güllebehälter voll sind oder die Felder damit gedüngt werden sollen. „Je nach Wind riechen die Leute das dann“, sagt Hagen Roßmann. „Auch Thermik spielt eine Rolle.“

Als größerer Schweinehalter im Landkreis Görlitz wird der Betrieb regelmäßig, in der Regel mehrmals im Jahr, durch das Veterinäramt besucht, erklärt Amtstierarzt Dr. Ralph Schönfelder. Er leitet auch das Lebensmittelüberwachungs- und Veterinäramt. Bei diesen Besuchen wird die Tierhygiene und -gesundheit kontrolliert sowie Augenmerk auf eine tierschutzgerechte Haltung gelegt sowie Behandlung beim Transport. Um die Beschwerden kümmert sich das Umweltamt. Zum letzten Mal ist die Horkaer Anlage am 17. September 2013 überprüft worden. Anlass war damals eine Beschwerde zu aufgetretenen Geruchsbelästigungen und einer Gewässerverschmutzung. „Die Beschwerde war allerdings unbegründet“, heißt es vom Umweltamt des Landkreises Görlitz. „Es wurden keine Verstöße festgestellt.“