Merken

Wo die Bilder laufen lernten

Filmfans aus Großenhain und Umgebung müssen jetzt wirklich tapfer sein: Ihr Kino hat ab Donnerstag geschlossen.

Teilen
Folgen
© Klaus-Dieter Brühl

Von Catharina Karlshaus

Großenhain. Daniel Craig lief hier als „James Bond“ zur Höchstform auf. Matthias Schweighöfer sah auf dem Frauenmarkt „Vaterfreuden“ entgegen und Emma Watson kämpfte an der Seite ihres Freundes „Harry Potter“ in der Röderstadt gegen die Schatten der Vergangenheit. Stars und Sternchen aus der ganzen Welt gaben sich in den vergangenen Jahrzehnten im Großenhainer Filmpalast ein Stelldichein. Dankbar angenommen von Generationen begeisterter Zuschauer. Immerhin 30 000 Besucher sahen allein 2015 die aktuellen Kassenschlager aus Deutschland, Frankreich, England und nicht zuletzt der Traumfabrik Hollywood. Begeisterte und scheints treue Gäste, die sich angesichts des guten Preis-Leistungs-Verhältnisses ganz bewusst für das Kino vor der Haustür entscheiden und nicht unbedingt in die großen Säle nach Dresden fahren.

Prominente Gäste bei der Wiedereröffnung des Hauses am 12. März 2000 waren Regisseur Joseph Vilsmeyer sowie die beiden Schauspieler Hans-Werner Meyer und Heino Ferch (v.l.).
Prominente Gäste bei der Wiedereröffnung des Hauses am 12. März 2000 waren Regisseur Joseph Vilsmeyer sowie die beiden Schauspieler Hans-Werner Meyer und Heino Ferch (v.l.). © Archiv/Klaus-Dieter Brühl
Filmreif: Mit einem Schwerthieb zerteilte Bürgermeister Müller (li.) nach vier Jahren das Schild, das 1996 die Schließung verkündet hatte. Gehalten wird es vom damaligen Betreiber Torsten Siegert.
Filmreif: Mit einem Schwerthieb zerteilte Bürgermeister Müller (li.) nach vier Jahren das Schild, das 1996 die Schließung verkündet hatte. Gehalten wird es vom damaligen Betreiber Torsten Siegert. © Archiv/Klaus-Dieter Brühl

Zumeist Großenhainer und Bewohner der umliegenden Dörfer, die sich bis Ende August nun allerdings in filmischem Verzicht üben müssen. Bis zu diesem Tag, so Rathaussprecherin Diana Schulze, werde die Filmgalerie nämlich einer kleinen Schönheitskur unterzogen: Neuer Fußboden, eine frische Wandbespannung und moderne Sitze würden im Saal 1 eingebaut. „Die letzten Umbauarbeiten stammen bereits aus dem Jahr 2000. Es war an der Zeit, etwas zu tun“, so Diana Schulze.

Wenn der Fußboden im Saal 1 in den nächsten Tagen herausgerissen wird, werden sich so manche Großenhainer vielleicht an die prominenten Füße erinnern, die auf ihm schon gelaufen sind. Denn zur Erinnerung: Am 12. März 2000 ist es gewesen, als das traditionsreiche Filmtheater nach über vierjähriger Schließzeit feierlich eröffnet wurde. 1996 hatte sich die Flügeltür des alten Kinos endgültig geschlossen und wurde entsprechend der neuesten Standards umgebaut. 1,8 Millionen Euro investierte die Wohnungsgesellschaft Großenhain und fand im damaligen Betreiber Torsten Siegert einen engagierten Partner.

Engagement, das sich zur Einweihung des runderneuerten Hauses im wahrsten Sinne des Wortes sehen lassen konnte. Über eben jenen Fußboden, der nun aufs Altenteil getragen wird, liefen nämlich mit Joseph Vilsmeier einer der bekanntesten Regisseure Deutschlands sowie die beliebten Schauspieler Hans-Werner Meyer und Heino Ferch. Beide im damals aktuellen Film „Marlene“ zu sehen und alle drei sichtlich angetan von der Großenhainer Filmtradition.

Immerhin: Den ersten Streifen auf Leinwand bewundern durften die Großenhainer bereits 1909 in ihrer Stadt. Der Reform-Kino-Salon an der Wasserkunst war ein gern besuchtes Kino. Später gesellte sich für kurze Zeit in der Klostergasse das Zentral-Lichtspiel-Theater hinzu, bevor im Sommer 1921 die Bauarbeiten für das moderne Haus am Frauenmarkt begannen. Feierlich eröffnet wurde es im Februar 1922: Das neumodische Wunder „Tonfilm“ flimmerte geräuschvoll über die Leinwand.

Das Kino am Frauenmarkt sollte über Jahrzehnte hinweg zum zweiten Wohnzimmer der Großenhainer werden. Im Oktober 1996 wird hier die letzte Filmrolle eingelegt – erst nach vier kinofreien Jahren in Großenhain finden die Stadtväter schließlich mit Torsten Siegert einen neuen Betreiber im frisch sanierten Gebäude.

Eines, in welchem naturgemäß schon wieder der Zahn der Zeit nagte. Bis zum 23. August bleiben seine Türen nun wegen der Renovierung geschlossen. Doch dann heißt es wieder: Film ab. So wie immer in Großenhain. So wie immer am Frauenmarkt.