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Witzigkeit kennt keine Grenzen

Raoul Schoregge ist Clown bei Sarrasani und gleichzeitig Chef des Chinesischen Nationalcircus. Ohne Spaß jetzt!

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© Sven Ellger

Von Henry Berndt

Als er André Sarrasani zum ersten Mal ohrfeigte, da stimmte gar nichts. Das Timing, der Ausdruck, das Zusammenspiel. Es war die Premiere der neuen Show im Trocadero „Elements II: Feu et L’Eau“ Anfang November und die Karate-Persiflage zwischen Clown und Gastgeber ging voll in die Hose. „Ich mach die Nummer schon seit 20 Jahren und oft liegen die Leute da vor Lachen auf den Bänken“, sagt Raoul Schoregge alias Clown Correggio. Am Premierenabend aber blieb das Publikum verhalten und dachte wohl eher an die zweifelhafte Symbolik, wie Sarrasani selbst in seiner eigenen Show noch die Backpfeifen um die Ohren fliegen. „Er war da natürlich besonders angespannt“, sagt Schoregge. „Inzwischen haben wir einen ganz anderen Drive reinbekommen und uns viel besser eingegroovt.“ Das gelte nicht nur für die Hau-drauf-Nummer, sondern für die ganze Show.

Aber darf ER sich überhaupt so ein Urteil rausnehmen? ER ist doch noch nur der Clown hier, der Spaßmacher, der zwischen zwei Nummern ein bisschen rumhampelt, während im Hintergrund umgebaut wird. Der Clown, der halt immer dabei ist, weil er dazugehört, und der in Rezensionen meist gar nicht erst erwähnt wird. Oder?

Clowns haben es oft nicht leicht. Sie sind die chronisch unterschätzten Künstler in der Manege. Dabei sind sie es meist, die die Stimmung im Zelt prägen und die das Programm zusammenhalten. Für seinen Freund André hat Raoul einige seiner besten Clown-Nummern mit nach Dresden gebracht. Auch der geniale Anfang der Show, bei dem ein gedankenverloren in seiner Garderobe sitzender Sarrasani noch einmal die harten Schlagzeilen der vergangenen Monate hört, war seine Idee.

Mehr noch: Zwei der besten Artistinnen bei Sarrasani wären ohne Raoul Schoregge nicht hier. So ganz nebenbei ist der 47-Jährige nämlich seit 16 Jahren Chef des Chinesischen Nationalcircus und tourt durch die Welt. Genauer gesagt ist er der Produzent, seine Frau die Geschäftsführerin. Mit seinem PR-Büro Schoregge managt er außerdem Künstler wie Justus Frantz und Julio Iglesias. Manchmal fragten die Leute da schon: „Wie geht das denn? Du bist doch nur ein Clown!?“ Das passt doch perfekt, antwortet er dann. Wer könne das Geschäft denn besser verstehen als jemand, der selbst auf der Bühne steht? „Im Endeffekt ist doch ein Clown auch nur ein Produzent – von Gefühlen. Das ist sein Job.“

Mit seiner neuen Show „The Grand Hong Kong Hotel“ macht der Chinesische Nationalcircus vom 31. Januar bis 5. Februar auch Station im Trocadero in Dresden. Bis dahin ist Raoul Schoregge erst einmal nur der Clown bei Sarrasani. Aber was heißt nur? Im Programm wird er als nichts weniger angekündigt als „der beste Clown Deutschlands“. „Ich halte nicht viel von solchen Superlativen“, sagt er selbst. Was am Ende zähle, sei auch nicht die Pointe, sondern einzig und allein die Reaktion des Publikums. Als Schauspieler sei jede Vorstellung gleich, als Clown aber sei jeder Abend anders. Mal ist die Hütte voll, mal hast du nur 50 Zuschauer, mal hast du einen penetranten Zwischenrufer und mal ist Totensonntag. „Da durften hier in der Show gar keine Clowns auftreten. Wir haben uns dann als Kellner verkleidet und die Situation so gerettet.“

Keine Frage, dafür braucht ein Clown Erfahrung. Die sammelte Schoregge schon zu Schulzeiten, als er in seiner Heimatstadt Münster zusammen mit einem Klassenkameraden auf Kleinkunstbühnen auftrat. Eines Tages ging er einfach mal zu einem Zirkus – und blieb. Ein halbes Jahr vor dem Abitur schmiss er zur Begeisterung seiner Eltern die Schule. Sein Plan ging auf. Innerhalb weniger Jahre machte er mit seiner Figur Correggio Karriere bei Zirkus-Größen wie Busch-Roland und Renz, wurde bald auch in Japan und China gebucht.

Als Clown hat Raoul Schoregge heute noch ein großes Ziel. „Ich möchte einmal auf die Bühne kommen und gar nichts machen.“ Das sei die höchste Form dieser Kunst. Sein kürzlich verstorbenes Vorbild Oleg Popov habe sie meisterhaft beherrscht. Er selbst, so sagt er, sei als Clown unwahrscheinlich ehrgeizig und auch auf der Sarrasani-Bühne nie ganz zufrieden mit sich. Gerade für seinen Freund André will er nur das Beste zeigen. „Ich war selber schon mal in einer ähnlichen Situation wie er“, sagt er. „Er hat schon viel für andere gemacht. Solange du erfolgreich bist, bist du der Liebling aller Leute.“ Jetzt zeige sich, wer wirklich zu ihm steht.

Tickets für „Element II: Feu et L’Eau“ gibt es unter: 0700 727727264 und www.sarrasani.de