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Wissenschaftlicher Rückhalt für B 170-Blitzer

Über die Hälfte des Verkehrs ist an der steilen Bergstraße im Dresdner Süden zu schnell. Das hat nun Konsequenzen.

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© René Meinig

Von Kay Haufe

Freital/Dresden. Die Fakten sprechen eine klare Sprache: Über die Hälfte der Fahrzeuge, die stadtauswärts auf der Dresdner Bergstraße (B 170) unterwegs sind, fahren schneller als die erlaubten 50 Stundenkilometer. Nicht ungewöhnlich für Dresden, doch gerade auf dem steil ansteigenden Zubringer zur A 17 – zugleich die wichtigste Pendlerstrecke Richtung Bannewitz und Dippoldiswalde – hat das besondere Auswirkungen auf die Luftqualität. Wie eine gemeinsame Studie des Landesamtes für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie (LfLUG) sowie der TU Dresden ergab, stoßen dort Mittelklasse-Diesel-Pkws bei Tempo 60 über das Doppelte an Stickoxiden im Vergleich zu Tempo 50 aus. Konkret steigt der Wert von 400 Milligramm auf 820, sagt Tilo Roß vom Lehrstuhl Verbrennungsmotoren des Institutes für Automobiltechnik an der TU.

Er hat mit weiteren Mitarbeitern den Ausstoß von fünf verschiedenen Fahrzeugtypen bei den Geschwindigkeiten von 30 bis 60 Kilometer pro Stunde gemessen. Es gab drei Messungen je Tempo. Dabei waren neben dem Mittelklasse-Diesel-Auto auch ein Stadtlinienbus, ein 3,9 Tonnen-Lkw mit Auflieger, ein 1,8-Liter-Benzinmotor-Pkw sowie ein Dieselmotor-Pkw mit drei Litern Hubraum. Alle waren mit Automatikgetriebe ausgestattet.

Interessantes Ergebnis der Messung: Beim Oberklasse-Diesel-Pkw war kein einheitlicher Einfluss der Geschwindigkeit auf den Stickoxid-Ausstoß spürbar, dieser lag bei jedem gemessenen Tempo unter 200 Mikrogramm pro Kilometer. Äußerst gering und mit der eingesetzten Messtechnik gar nicht messbar war der Stickoxid-Ausstoß des Benziners, sagt der Motoren-Spezialist. Der voll beladene Lkw erreichte die Geschwindigkeit von 50 km/h bei der Steigung von sieben Prozent gar nicht. Der spezifische Stickoxid-Ausstoß war bei geringem Tempo niedrig: Bei 30 km/h erzeugte er nur circa 30 Milligramm pro Kilometer dank Abgasbehandlung. Bei Tempo 40 lag der Ausstoß bereits bei 250 Milligramm pro Kilometer, für die Volllastfahrt (45 km/h) ergab sich bezogen auf diesen erhöhten Wert eine nochmalige Steigerung auf 3 600 Milligramm pro Kilometer, so Roß.

Für den Bus mit 18,7 Tonnen Gesamtgewicht war wie beim Oberklasse-Diesel kein einheitlicher Einfluss der Geschwindigkeit auf den Stickoxid-Ausstoß feststellbar. Der maximale Stickoxid-Ausstoß lag bei rund 240 Milligramm pro Kilometer. Auch hier wurde ein Fahrzeug mit SCR-Abgassystem getestet. „Natürlich liegt es auch am Fahrer, wie umweltfreundlich er unterwegs ist“, sagt Tilo Roß. Wenn er die Motorleistung seines Autos nicht ausreize, würde jeder an der Bergstraße einen Beitrag zu besserer Luft leisten.

Die Stadt Dresden hat auf das Ergebnis dieser Studie sofort reagiert und installiert an der Bergstraße gerade einen neuen Blitzer. Dieser soll sicherstellen, dass sich Autofahrer an die Geschwindigkeit von 50 km/h halten. Laut der Untersuchungen der TU und des LfLUG waren von 12 655 gemessenen Fahrzeugen, die bergauf unterwegs waren, rund 54 Prozent zu schnell. Davon waren 1 084 Lieferwagen. Bei den 706 Schwerlastern, die dort fuhren, überschritten rund 20 Prozent das Tempolimit. Wann der Blitzer in Betrieb geht, ist aber noch nicht klar, da noch Sensoren in der Straße installiert werden müssen, sagt Wolfgang Socher vom Dresdner Umweltamt.

Was noch konkreter untersucht werden müsse, ist, ob und wie die Wetterlage Einfluss auf die Schadstoffbelastung hat, sagt Andrea Hausmann von der Landesanstalt. 2017 seien im Vergleich zum Vorjahr überall sinkende Stickoxidbelastungen festgestellt worden. Laut Wolfgang Socher vom Umweltamt wirke eine Inversionswetterlage, bei der die höheren Luftschichten wärmer sind als die unteren, im Winter wie eine Glocke über der Stadt. Die Schadstoffe sinken nach unten und können nicht abfließen. „Aber ob das die alleinige Ursache für die hohe Belastung 2016 war, ist nicht nachweisbar“, so Socher.

Nun muss abgewartet werden, wie der Blitzer wirkt und ob das eingehaltene Tempo wirklich zu sinkenden Stickoxidwerten führt. „Wenn das nicht reicht, müssen wir über Tempo 30 an der Stelle nachdenken“, sagt Socher. Doch das bedinge Abstimmungen an allen Ampeln in der Nähe, damit die Grüne Welle nicht unterbrochen wird, denn der kontinuierliche Verkehrsfluss sei ebenfalls wichtig für eine geringe Schadstoffbelastung.

Interessantes Detail am Rande: Die Messstelle an der Bergstraße steht nur einen halben Meter entfernt von der Straße. Erlaubt ist ein Abstand von bis zu zehn Metern. „Natürlich steigt die Schadstoffbelastung, je näher man an die Fahrbahn herankommt“, sagt Wissenschaftler Roß. Ein Umsetzen der Messstelle kommt für das Land Sachsen, das diese betreibt, nicht in Frage. Keinem nützten beschönigte Daten, heißt es.