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Ich und mein Holz

Der Dresdner Wissenschaftler Björn Weiß enträtselt die Geheimnisse des natürlichen Werkstoffs. Manche davon verrät er auch seinen Studenten.

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© Sven Ellger

Von Jana Mundus

Er ist ein besonderer Trophäenjäger. So einen wie Björn Weiß hatten die Waldarbeiter in der Schweiz wahrscheinlich auch noch nicht erlebt. Als sie vor Jahren auf einem Berg in 1 600 Metern Höhe eine alte Lärche fällten, trat der Dresdner mit einem Wunsch an sie heran. Eigentlich war er im Urlaub und mit seiner Frau auf Wandertour. Nun wollte er gern ein Scheibchen abhaben von dem Baum, der da umgesägt worden war. Also trennten die Männer ihm ein Stück ab, das Weiß im Rucksack nach unten getragen hat. „Meine Frau sagt schon immer, eigentlich müsste der Chef unseren Urlaub bezahlen.“ Aber so ist das nun einmal. Die Leidenschaft für seinen Beruf lässt ihn nicht los. Egal, wo er ist. Holz ist nun mal sein Leben.

Fast ein bisschen andächtig streicht Björn Weiß über das Stück Lärche aus der Schweiz. Dunkel zeichnen sich die Jahresringe ab. Ganz eng beieinander stehen sie. „140 Jahre alt war der Baum ungefähr“, erzählt er weiter. Ganz ungestört konnte der Baum auf seinem Schweizer Berggipfel wachsen, Kraft sammeln, die dem Holz auch anzusehen ist. „Solch ein Holz ist wertvoll“, sagt der Experte des Dresdner Instituts für Holztechnologie.

Es ist nicht das einzige Stück, das er über die Jahre gesammelt hat. In seinem Labor auf dem Zelleschen Weg stehen Hunderte Scheiben und Stücke, fein säuberlich aufgereiht in einem Regal hinter Glas. Viele waren schon hier, als er 1986 am Institut als wissenschaftlicher Mitarbeiter angefangen hatte. Alle sind mit einer Nummer versehen, deren Spur jeweils zu einem Karteikärtchen führt. Aufgeschrieben sind dort die Holzart, der Fundort, das Alter. Es ist eine Holz-Bibliothek, in der Björn Weiß blättert, wenn er hölzerne Rätsel lösen muss. Wenn sich beispielsweise ein Auktionshaus meldet.

Neulich standen Holzmöbel aus der Ming-Dynastie zum Verkauf. Der Dresdner fertigte ein Gutachten an. „Wir arbeiten auch eng mit Museen zusammen“, sagt Björn Weiß. Die Holzrahmen von Gemälden erzählen schließlich eine ganz eigene Geschichte. Mittels kleinster Proben von der Rückseite, die im Labor analysiert werden, lässt sich bestimmen, wann die Bilder gerahmt worden sind. Doch diese kunsthistorische Detektivarbeit ist nur ein kleiner Teil seiner Arbeit.

Da gibt es dieses Lied seit dem vergangenen Jahr. Die Band 275er besingt die Liebe zum Holz. Der Song wurde zum Kult im Internet. „Ich und mein Holz“, heißt es im Refrain. Und „Holz sieht sehr schön aus, Holz ist vielseitig“ im Song. „Klar kenne ich den“, sagt Björn Weiß und lacht. An diesem Lied könne er ja gar nicht vorbeikommen. Das passe nun mal.

Als nach der Schule die Frage stand, welche Berufsausbildung mit Abitur er macht, gab es für ihn nur eine Option. „Metall hat mich nie interessiert. Ich konnte mich schon immer für Holz begeistern.“ Also wird er erst Facharbeiter für Holztechnik in den Deutschen Werkstätten Hellerau. Danach studiert er an der Ingenieurschule für Holztechnik in Dresden mit der Fachrichtung „Möbel und Bauelemente“.

Nach dem Studium beginnt er am Institut, das heute eine gemeinnützige GmbH ist. Hier arbeitete er mit Rudi Wagenführ zusammen, der Jahrzehnte als Labor-, Abteilungs- und Ressortleiter tätig war. „Von ihm habe ich viel gelernt“, sagt Björn Weiß. Wagenführ weckte in ihm eine weitere Begeisterung. Die Leidenschaft dafür, sein Wissen an andere weiterzugeben. Seit 1994 hält er Vorlesungen. Erst beim Sächsischen Holzschutzverband, dann am Europäischen Institut für postgraduale Bildung. Seit 2000 ist er Lehrbeauftragter an der Berufsakademie in Dresden. Alles nebenberuflich. Ende 2016 bekam er für sein Engagement den Titel eines Honorarprofessors des sächsischen Wissenschaftsministeriums verliehen. Eine große Ehre. „Das ist eine schöne Anerkennung meiner Arbeit, über die ich mich sehr gefreut habe.“ Jetzt ziert der Titel „Prof.“ seine Visitenkarten. „Mehr Geld bekomme ich dadurch aber nicht.“

Lehren will er auch weiterhin. „Bei sehr vielen Studenten kann man die Begeisterung fürs Holz wecken“, erzählt er von seinen Veranstaltungen. „Holz kann interessant sein, wenn man es interessant macht.“ Wenn er den Studenten zum Beispiel von den Ausgrabungsgegenständen erzählt, die er im Labor analysiert, um den Archäologen bei der Bestimmung des Alters zu helfen. Aber Weiß kann auch praktisch. Einmal ging es zum Beispiel um den Einsatz von Holz für Koppelzäune auf den Weiden. Da gäbe es immer wieder absolute Fehlgriffe: Zu dünn, zu weich, zu schnell verwittert. „So ein Zaun soll ja länger halten. Man braucht Holz, das nicht gleich verrottet.“ Sein Spezialgebiet ist seit Jahren der Holzschutz. Der sei nicht nur Chemie. Vielmehr ginge es darum, Holz zu verstehen, es richtig zu trocknen und das Beste für den jeweiligen Einsatz auszuwählen.

An etwa 200 Gutachten ist Björn Weiß jedes Jahr beteiligt. Darin geht es meist um Pilze. Die schaut er sich dann unter dem Mikroskop an und bestimmt sie. Der gefürchtete Hausschwamm ist ab und an auch dabei. „Klar macht man sich bei so einem Ergebnis schon mal Gedanken, was das jetzt für den Hausbesitzer heißt.“ Doch er könne nicht bei jedem Gutachten emotional werden. Am Ende wolle er mit seinem Wissen über Holz helfen. Wie heißt es so im Holz-Song: „Es beginnt ein neues Leben, wenn ein Baumleben endet.“