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Wismut packt Uranschlamm ein

Am Teich IV in Freital wird seit Herbst gearbeitet. Wasser und Bäume sind weg. Übrig blieb graue Pampe. Wie gefährlich ist die?

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© Karl-Ludwig Oberthür

Von Matthias Weigel

Freital. Die Straßenschuhe müssen runter. Da kennt Michael Hüttl von der Wismut keine Gnade. Wer im Freitaler Hüttengrund die Mondlandschaft oberhalb des Stahlwerks betreten will, braucht Gummistiefel. Nicht nur wegen des Drecks. Sondern auch der Konsistenz des Schlamms. Die graue Pampe ist schließlich das, was die Wismut zu DDR-Zeiten übrig gelassen hat: Rückstände der Uranerzaufbereitung. 700 000 Kubikmeter Feinschlämme bis in mehr als 20 Meter Tiefe. Das Zeug strahlt immer noch. Nichts darf davon hinter den Absperrzaun gelangen. Nicht mal durch die Schuhe der Besucher.

Aktuell wird das Gelände für das erste Abdecken hergerichtet. Löschkalk soll dabei den Untergrund verfestigen helfen.
Aktuell wird das Gelände für das erste Abdecken hergerichtet. Löschkalk soll dabei den Untergrund verfestigen helfen. © Karl-Ludwig Oberthür
Eine Anlage auf dem Gelände filtert kontaminierte Partikel aus dem abgepumpten Wasser heraus.
Eine Anlage auf dem Gelände filtert kontaminierte Partikel aus dem abgepumpten Wasser heraus. © Karl-Ludwig Oberthür

Vor ein paar Monaten noch war der Tümpel weit weniger gesichert. Über Jahrzehnte lag sein gefährlicher Inhalt unter einer Wasserschicht verborgen. Schilf und Wald wuchsen an dem „Schlammteich IV“, der zwischen 1957 und 1960 mittels Betondamm angelegt worden war. Sogar Fische tummelten sich in der Brühe. „Die wurden umgesiedelt“, sagt Projektmanager Hüttl. Nicht in öffentliche Gewässer, wegen der Kontamination. Sondern in eine andere Ex-Absetzanlage in Dänkritz bei Zwickau.

Auch sonst hat sich viel am Teich IV verändert. Die seit Jahren geplante – und wegen des alternden Damms und der gefährlichen Feinschlämme auch dringend notwendige – Sanierung konnte im Herbst 2015 beginnen. Eine Containerburg für die Leute der ausführenden Baufirma Heitkamp und der Wismut entstand. Ein Zaun wurde aufgestellt und eine Baustraße im Teichgelände angelegt. Sämtliche Bäume auf dem Areal wurden gefällt, das Holz größtenteils abtransportiert. Es kam über die Baufirma in den Verkauf – oder geschreddert als Feuermaterial in Verbrennungsanlagen. Reste, wie Rinde und Wurzeln, folgen schrittweise noch.

Auch das Wasser ist weitgehend abgelassen. Pumpen zogen die Brühe ab. Über mehrere Grob- und Feinfilter, die belastete Partikel zurückhalten, wird das Wasser an das benachbarte Haldengerinne in den Hüttengrundbach und die Weißeritz abgegeben. „Natürlich messtechnisch alles streng überwacht“, sagt Hüttl. Problematische Konzentrationen habe es nie gegeben. Und insgesamt sei auch viel weniger Wasser angefallen, als erwartet.Allerdings laufen die Pumpen manchmal noch, weil Wasser nachsickert oder nachläuft.

Skepsis in der Nachbarschaft

Trotz aller Vorsorge und Versicherungen werden die Arbeiten von einem Teil der Bevölkerung kritisch beäugt. „Die Lkw, die da fahren, bringen viel Staub mit, wirbeln ihn auf. Auch der Wind weht herüber. Aber keiner sagt uns, wie gefährlich das wirklich ist“, sagt Rosemarie Liebert, die an der Schachstraße wohnt. Auch ihr Mann Jörg und Nachbar Dieter Ilgen klagen über die, ihrer Meinung nach zu geringe Transparenz. Eine Reifenwaschanlage haben sie nicht entdecken können. Über Messergebnisse kam nie eine Info. „Hier ist gleich eine Kita und alle atmen den Dreck ein. Wir leben doch nur einmal“, machen sich Lieberts Gedanken. Zum Start waren ihnen noch regelmäßige Infos versprochen worden. Nur eine billige Beruhigungspille?

Michael Hüttl kann die Sorgen verstehen. „Wir können aber nur immer wieder versichern, dass hier keine Gefahren drohen“, sagt er. Schon früher sei die radioaktive Gefährdung nur unmittelbar am Gewässer und bei längerer Aufenthaltsdauer problematisch gewesen. Daran habe sich nichts geändert. Schon wenige Meter vom Schlamm entfernt sind die Werte viel niedriger. Das Messgerät zeigt 270 Nanosievert pro Stunde an – nicht viel mehr als die natürliche Strahlenbelastung im Land. An der ersten Wohnbebauung ist die Štrahlung vom Teich quasi unmessbar. „Und Abwehen kann nichts. Dar Schlamm ist feucht. Das wird auch so bleiben“, sagt Hüttl.

Im Gelände, das oberhalb der Abfall-Umladestation Saugrund liegt, sind zudem an mehreren Stellen Messstationen aufgebaut. Die von den Überwachungsbehörden ausgewerteten Filter hätten bisher keine Ergebnisse gebracht. „Was sollen wir veröffentlichen, wenn wir nichts finden?“, sagt Hüttl. Für die Leute, die am Teich arbeiten, gebe es zudem ein engmaschiges Kontrollsystem. Die zulässigen Werte und Zeiten wurden stets eingehalten. „Da sind große Puffer eingebaut, die wir nicht ansatzweise erreichen“, sagt Hüttl.

Zudem gebe es Vorkehrungen, dass nichts nach draußen gelangt. Das fängt bei den Stiefeln an, geht über die Lkw, die nur über die eigens errichtete asphaltierte Zufahrt von der Schachtstraße her ran dürfen und dort von drinnen beladen werden. Kontakt mit dem Schlamm gibt es nicht. „Und wenn Fahrzeuge das Gelände verlassen müssten, würden sie vorher abgespült und freigemessen“, sagt Hüttl. Aktuell gebe es keinen Rausverkehr. Eine Waschanlage sei da nicht nötig. Wenn überhaupt, werde sie einmal installiert, wenn Lkw von draußen rein und wieder raus fahren müssten.

Erste Abdeckschicht noch 2016

Aktuell wird aber nur Kalk bis an den Rand geliefert. Da das Gelände als Mulde profiliert wird, kommt etwas Schlamm aus der Mitte an den hinteren Rand. Der stellenweise untergerührte Löschkalk soll dafür sorgen, dass der Untergrund überhaupt tragfähig ist. „Der allergrößte Teil des Schlamms wird aber gar nicht angefasst“, sagt Hüttl. Stattdessen werden, wenn die Umlagerung abgeschlossen ist, vom Rand her dickes Vlies und eine Schicht Kies aufgebracht. Das soll verbliebenes Wasser rausdrücken, den Schlamm verfestigen. Außerdem drücken Bagger dann meterlange Bänder in den Untergrund, um diesen weiter zu verfestigen und die Entwässerung zu befördern. In diesem Jahr noch will man mit diesem Prozess ein großes Stück vorankommen. Dann wäre der Teich erst mal zu. „Dazu wird es dann natürlich verstärkt Anlieferverkehr geben“, sagt Hüttl.

Insgesamt ist das Bauprojekt auf fünf Jahre geplant. Dann soll der Teich 1,50 Meter dick abgedeckt sein und als Regenrückhaltebecken dienen. Eine Bepflanzung des 7,2 Hektar großen Areals mit Sträuchern, Büschen und Bäumen ist angedacht. Sieben Millionen Euro, finanziert von Freistaat und Bund, soll das Vorhaben kosten.