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Wischiwaschi gab’s nicht

Klaus Ampler gewann die Friedensfahrt und arbeitete erfolgreich als Trainer. Am Freitagabend starb der ehemalige Radrennfahrer in Leipzig.

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© Daniel Förster

Von Sven Geisler

Es sind solche Geschichten, die den Mythos der Friedensfahrt begründen. Die älteren Radsportfans schwärmen von den Zielankünften wie an jenem 22. Mai 1963 im Dresdner Heinz-Steyer-Stadion. Wie viele Menschen damals den Fahrern zujubelten, konnte schon damals niemand genau sagen, aber es waren Massen. Volksfeststimmung. Es ist ein Einzelzeitfahren über 57 Kilometer, gestartet in Bautzen.

Klaus Ampler geht als Vorletzter auf die Strecke, er liegt in der Gesamtwertung nur 39 Sekunden hinter dem Belgier August Verhaegen. Nach 1:17:39 Stunden erreicht er das Ziel – und liegt nun 2:14 Minuten vorn. Ampler gewinnt die Friedensfahrt, es ist sein größter sportlicher Erfolg als Aktiver. Am Freitagabend starb er im Alter von 75 Jahren in einem Leipziger Pflegeheim. Er war seit Jahren an Alzheimer erkrankt.

Der Sieg auf dem „Course de la Paix“ durch die DDR, Polen und die Tschechoslowakei hat Klaus Ampler zu einer Radsport-Legende im Osten gemacht, später feierte er als Trainer große Erfolge. So führte er den Straßenvierer der DDR mit den Cottbusern Bernd Drogan und Hans-Joachim Hartnick, dem Leipziger Andreas Petermann und dem in Kamenz aufgewachsenen Falk Boden 1979 zum WM-Titel und 1980 – mit dem Geraer Olaf Ludwig für Petermann – zu Olympia-Silber in Moskau. „Klaus war ein gnadenlos harter, aber fairer Trainer“, sagt Wolfgang Schoppe, einstiger Mitstreiter und jahrelanger Wegbegleiter. „Er hat von seinen Sportlern das verlangt, was er selber als Renner geleistet hatte. Wischiwaschi gab’s für ihn nicht.“

Seine größten Triumphe gelangen Klaus Ampler mit seinem Sohn Uwe, der unter anderem 1986 in Colorado Springs (USA) Amateur-Weltmeister im Straßeneinzel und mit der DDR-Mannschaft 1988 in Seoul Olympiasieger wurde. Außerdem gewann Ampler junior die Friedensfahrt dreimal in Folge (1987 bis 1989) und 1998. Nach einem schweren Unfall im Training lag Uwe Ampler 2003 zwei Wochen im Koma, arbeitet jetzt als Jugendtrainer.

Vater Klaus wurde 1940 im ostpreußischen Marienberg geboren. Während seiner Lehre zum Lichtbogenschweißer an der Warnowwerft Warnemünde ab 1956 begann er in der Betriebssportgemeinschaft, systematisch auf dem Rennrad zu trainieren. Ampler erwies sich als Naturtalent, gewann zahlreiche Jugendwettkämpfe und qualifizierte sich für die Leistungsklasse. Doch er sprach einst von „politischen Querelen“, die in seine besten Jahre fielen. Erst unterstellten ihm die DDR-Funktionäre, dass er abhauen wolle, und nominierten ihn nicht für die WM 1961. Dann verweigerte der Westen einige Jahre DDR-Straßenfahrern die Einreise. So konnte er nur noch einige nationale Titel gewinnen. Für den erfolgreichen Trainer gab es nach der Wiedervereinigung keine Stelle mehr, mit einem Fahrradgroßhandel ging er in die Insolvenz, danach arbeitete er als Verkäufer in einem Bioladen.

Der schönste Augenblick in seinem Leben, sagte er einmal, bleibe der Moment, als er seine Waltraut in der Mensa schüchtern anbaggerte und sie ihm nicht gleich einen Korb gab. Mit der EM-Zweiten im Ruder-Achter von 1961 war er 54 Jahre glücklich verheiratet und hatte die Kinder Sybille und Uwe. Familie und Freunde trauern um einen besonderen Menschen. „Wir können das noch gar nicht richtig verstehen“, sagt Schoppe.