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Wirbel um islamischen Gebetsraum in Riesa

Dutzende Muslime treffen sich regelmäßig in einem Wohn- und Geschäftshaus. Die Nachbarn sind nicht begeistert.

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© Sebastian Schultz

Von Christoph Scharf

Riesa. Eines Tages waren sie einfach da. Dutzende junge Männer, einige ältere. In Gruppen zu zweit, zu dritt, zu viert betreten sie das Haus Goethestraße 96 c, ein sandfarbener Kasten mit verglasten Treppenhäusern nahe dem Puschkinplatz. „Sie müssen sich mal anschauen, was freitags bei uns los ist“, sagt eine Nachbarin. Im Treppenhaus hat sie vor zwei Wochen in weniger als fünf Minuten 62 Leute gezählt, die Räume im Erdgeschoss betraten.

Dort hatte vor Kurzem noch der Malteser-Hilfsdienst ein Büro. Doch der ist raus. Der neue Mieter ist offenbar die Organisation Sächsische Begegnungsstätte SBS, glaubt man dem Online-Portal moscheesuche.de. Einem Ende März aktualisierten Eintrag zufolge besuchen dort 30 Menschen das Freitagsgebet. Auf ein Minarett, den Gebetsruf Adhaan oder einen Frauenbereich müssen die Muslime verzichten.

Die Nachbarin bestätigt das: „Bei uns toben manchmal die Kinder der Muslime durchs Treppenhaus, weil die nicht mit in den Gebetsraum dürfen.“ Für die 47-Jährige kamen die neuen Nachbarn ebenso überraschend, wie für einen älteren Herren, der weiter oben wohnt. „Das lief alles ganz heimlich“, sagt der. Kein Mensch habe was gesagt, kein Mieter was gemerkt – und plötzlich sei regelmäßig viel Begängnis im Haus. Passiert sei bislang noch nichts. Aber er sorge sich, sagt der Mann. Er habe gelesen, dass der Sachsens Verfassungsschutz die Betreiber des Gebetsraums beobachte.

Tatsächlich hat das Amt die in Dresden ansässige SBS im Blick, wie die Behörde bestätigte. Die SBS unterhalte Kontakte zur IGD, der „Islamischen Gemeinschaft in Deutschland“ – einer dem Umfeld der radikal-islamischen Muslimbruderschaft zugerechneten Organisation. Das gehe aus einem Plakat der SBS hervor, das – neben anderen – auch das Logo der IGD trug. Außerdem sei ein Funktionär der Muslimbruderschaft im Vorfeld der Eröffnung eines SBS-Objekts in Pirna zugegen gewesen. Die SBS hatte der SZ im Februar mitgeteilt, „unabhängig“ zu sein und zur IGD keine „organisatorischen oder finanziellen Verbindungen“ zu unterhalten. – Anfragen zum neuen Gebetsraum an der Goethestraße blieben am Donnerstag dagegen unbeantwortet. Etwa die Frage nach tatsächlichen Teilnehmerzahlen, Gebetszeiten oder Herkunft der Imame. Im Stadtrat am Mittwoch hatte der NPD-Vertreter Jürgen Gansel von bis zu 120 Muslimen pro Tag gesprochen, die sich in dem Haus treffen würden. Es bestünde die Gefahr, dass Asylbewerber dort radikal islamisiert werden könnten.

Nutzung womöglich unzulässig

OB Marco Müller (CDU) hat sich das Objekt angeschaut und bestätigt, dass dort „eine Vielzahl von Asylbewerbern“ war. Er sei auch von Anwohnern darauf angesprochen worden. Man prüfe die Situation dort. Prinzipiell könne der Verdacht einer unzulässigen Nutzung einer Wohnung bestehen, so Stadtsprecher Uwe Päsler. Die Möglichkeiten der Stadt beschränkten sich aber auf eine Prüfung bauordnungsrechtlicher Bestimmungen – also der Einhaltung der zulässigen Nutzung als Wohnraum. Da es sich um Privateigentum handele, seien die Recherche und erst recht der Nachweis eines möglichen Nutzungsverstoßes sehr schwierig. „Dennoch versucht die Stadt nach den aktuellen Hinweisen, die Umstände dort genauer zu recherchieren und mit dem Eigentümer in Kontakt zu kommen.“ Grundsätzlich sei es so, dass für eine offizielle Anmeldung einer Räumlichkeit für gemeinschaftliche Zwecke auch ein genehmigungsrechtliches Verfahren durch die Untere Bauaufsicht nötig sei. Dabei würden besonders Raumgröße, Brandschutz und Rettungswege geprüft. Vor diesem Hintergrund hatte vor wenigen Tagen die Stadt Görlitz die Nutzung eines ebenfalls von der SBS angemieteten Gebetsraums in Görlitz untersagt. Dort verweist man allerdings – wie im Riesaer Rathaus – auf die Religionsfreiheit.

Unabhängig davon sind einige Nachbarn verunsichert: Sie traue sich nicht mehr, abends allein den Müll runterzubringen, sagt eine Nachbarin. Sie habe Einbußen, weil sich ihre Kundschaft freitags kaum noch in die Straße traue, sagt die Inhaberin eines Lebensmittelgeschäftes gegenüber. „Ich selbst hab mich schon an die neue Situation gewöhnt. Immerhin klauen die jungen Männer nicht – sondern gehen beten“, sagt die Händlerin.