Von Peter Anderson
Meißen. Zumeist steht er im schmalen Schatten von Frontmann Pro Haska. Doch für das zehnte Gründungsjubiläum der Jindrich Staidel Combo hat Blasmusik-Urgestein Jindrich Staidel der SZ eines seiner raren Interviews gegeben, geführt mithilfe einer Übersetzungsmaschine von Tesla.
Auch das ist Böhmen
Herr Staidel, Ihre böhmische Jazzpolka feiert seit zehn Jahren Erfolge bei uns. Steckt in jedem Sachsen vielleicht auch ein kleiner Tscheche?
Die meisten Menschen in Sachsen, aber auch generell auf dem Gebiet der ehemaligen DDR, sind ja mit tschechischem Kulturgut groß geworden. Bei „Alles Trick“ liefen der Kleine Maulwurf, der Räuber Fürchtenix sowie Spejbl und Hurvínek. Beim Ausflug nach Ústí oder Teplice gab es für die Kinder die süße Piknik-Kondensmilch aus der Tube. Später haben die Jungs ihr erstes Pilsner im Mitropa-Wagen getrunken und speziell in Dresden wurden Fernsehserien wie „Das Krankenhaus am Rande der Stadt“ geschaut. „Die Schwarzwaldklinik“ konnten sie hier ja nicht sehen. Wir fassen diese Prägung für uns mit dem Begriff der Tschechophilie zusammen. Deshalb spielt die Jindrich Staidel Combo auch sehr gern in Ostdeutschland. Wir fühlen uns hier wie zu Hause in der Pivnice von Olomuc.
Woher kommen die Anregungen für Hits wie „Don’t cry for me Ceská Lípa“ oder „Oblatki, Oblatka, Becherovka“?
Das sind ja alles Originale, die wie bei „Don’t cry for me Ceská Lípa“ dann später oft von Berühmtheiten im Musikgeschäft nachgenutzt werden. Damit haben wir aber kein Problem. Letztlich beweist das nur die Qualität unserer Arbeit. Den äußeren Anlass für die Titel liefern zumeist Episoden aus unserem Alltag. Bei „Don’t cry for me Ceská Lípa“ war es eben die unglaubliche Verabschiedungsszene, die sich die Leute dort für mich haben einfallen lassen, nachdem ich eine Umschulung in der Stadt abgeschlossen hatte und wieder nach Olomuc musste. Die Menschen haben am Ortsausgang eine riesige Menschenpyramide gebildet, und ich wollte sie einfach nur trösten mit „Don’t cry for me Ceská Lípa“, aber natürlich in Tschechisch.
Bei Ihren Auftritten fallen immer wieder die schicken Trainingsanzüge ins Auge. Haben Sie in Tschechien einen speziellen Ausstatter?
Wie jeder unschwer erkennen kann, handelt es sich bei den Sachen um Maßanfertigungen. Wir dürfen aber den Namen des Schneidermeisters nicht nennen, weil er sehr zurückgezogen in der Böhmischen Schweiz lebt und sich immer hinter einer Sonnenbrille und einem Fächer verbirgt. Für mich ist es dabei eine besondere Ehre, genau den Trainingsanzug tragen zu dürfen, in dem der tschechische Wunderläufer Emil Zátopek in den 50er Jahren den Endspurt erfunden hat.
DDR-Altstar Lutz Jahoda war regelrecht begeistert von Ihrer Musik. Haben Sie noch Kontakt zu ihm?
Leider nicht, aber wir möchten ihn gern einmal einladen, mit uns Musik zu machen. Jahoda heißt ja in Ihre Sprache übersetzt eigentlich Erdbeere. Wir proben zum Beispiel schon lange im Studio an einem Lied mit dem Arbeitstitel: „Erdbeerfeld für immer“. Es wäre doch prima, wenn Lutz bei diesem Titel einsteigen würde.
Mit welchem böhmischen Musikanten würden Sie gern einmal auf der Bühne stehen?
Ein großer Wunsch von mir wäre es, wieder einmal den Kontakt zu Helena Vondrácková aufzufrischen. Sie war ja schon einmal bei mir auf eine Tasse Kaffee zu Gast. Leider ist es bei der Tasse Kaffee geblieben. Das möchte ich das nächste Mal besser machen.
Haben Sie einen Lieblingsort in Ihrer tschechischen Heimat, den Sie als Ausflugstipp empfehlen würden?
Ja, natürlich. Das ist für mich ohne Zweifel die weltberühmte und schon viel beschriebene Tschechische Riviera. Die liegt ja für alle irgendwoanders. Aber, dort unter einem weiß-rot-blauen Sonnenschirm eine Kofola zu trinken und eine Sparta zu rauchen. Was braucht man mehr?
Sie werden mitunter für Deutsche gehalten, die böhmische Musikanten nachmachen. Was ist dran an diesem Gerücht?
Richtig ist, dass es sich bei den vier Mitgliedern der Jindrich Staidel Combo um Tschechen handelt, die in den Körpern von Deutschen gefangen sind. Uns ist es aber bei einem Auftritt in Böhmen auch schon einmal passiert, dass das tschechische Personal die deutschen Zuhörer nach dem Konzert aufgeklärt hat, dass wir eigentlich Polen wären, die sich als Tschechen verkleidet hätten. Es ist also sehr schwierig.
Die Staidel Combo ist am 27.10., 19.30 Uhr, in Wenzels Bierstuben in Dresden zu erleben, am 28.10., 20 Uhr, im Wendelsteinkeller Meißen und am 29.10., 17 Uhr, im Saxstall in Pohrsdorf.