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„Wir wollen unseren Beton intelligent machen“

Seit 25 Jahren werden in Zeithain Fertigteile aus Beton gefertigt. Chef Mike Sahm schickt täglich 35 Lkw los.

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© Lutz Weidler

Von Antje Steglich

Zeithain. Hinter dem Werk kommen nur noch See und Gohrischheide. Mike Sahm kann sich bis heute nicht so recht erklären, warum der damalige Baukonzern Dywidag das Betonwerk vor 25 Jahren mitten im Nirgendwo baute. „Der lange Weg bis zur Autobahn ist für uns ein Problem. Ich würde mich deshalb sehr freuen, wenn es an der B 169 endlich weitergeht“, sagt der Geschäftsführer der Fuchs Fertigteilwerke Ost GmbH. Denn alles, was in Zeithain produziert wird, geht mit dem Lkw raus. Bis zu 35 Lastwagen sind das täglich.

Zudem bringen jeden Tag bis zu zwölf Lkw die Grundzutaten für den Beton nach Zeithain: Kies aus den vielen Anlagen der Region und Zement aus Sachsen-Anhalt. Zusammen mit Wasser wird daraus in der eigenen Mischanlage nach verschiedenen Rezepturen der Beton hergestellt und danach in Schalungen gegossen – um zu individuellen Bauwerken für die Bereiche Umweltschutz und Infrastruktur auszuhärten.

Zu Bauwerken, die mit Wasser zu tun haben zum Beispiel. Kläranlagen, Rückhaltebecken und Abscheideanlagen für Tankstellen und Großküchen. Oder zu Bauwerken, die die Versorgung mit Kabeln gewährleisten – wie Durchlassbauwerke oder die in Serie hergestellten Kabelschächte für die Deutsche Bahn. „Das ist das, wo wir herkommen, und was wir auch weiterhin fortführen“, sagt Mike Sahm mit Blick auf die Anfänge des Zeithainer Unternehmens.

Was mit der Übernahme durch die bayerische Unternehmerfamilie Fuchs im Jahr 2012 außerdem dazukam, sind Leistungen für den Gewerbe- und Dienstleistungsbau wie Stahlbetonbauten, Massivwände oder Stützen. „Durch den Tiefbau waren wir sehr saisonabhängig“, erklärt der Geschäftsführer, „durch den Industrie- und Gewerbebau haben wir nun eine etwas bessere Auslastung im Winter.“

Insgesamt verarbeiten die 115 Mitarbeiter im Zeithainer Werk jährlich 26 000 Kubikmeter Beton. Über eine rumänische Partnerfirma sind zusätzlich etwa 60 Vertragsarbeiter im Bewehrungsbau am Standort tätig. Im Sommer sind es sogar bis zu 90. „Bis vor sechs, sieben Jahren haben wir das selbst gemacht. Dafür kriegen wir aber keine Leute mehr. Das sind vielleicht die schwersten Jobs überhaupt“, erklärt Mike Sahm. – Dreiviertel der Produkte, die in den vier großen Hallen hergestellt werden, gehen ins nähere Umfeld. Nach Sachsen, Sachsen-Anhalt und Brandenburg. Ein Teil wird aber sogar bis nach Österreich oder Luxemburg geliefert. Denn es gibt laut Mike Sahm relativ wenige Hersteller für Fertigteile im Bereich Umweltschutz.

Zudem sei die Fuchs-Gruppe der größte Hersteller für Fahrzeugwaagen in Europa. 700 dieser Kolosse werden jedes Jahr produziert, davon allein hundert in Zeithain. Die schwersten Teile wiegen 55 Tonnen – und vor allem der Transport werde immer mehr zur Herausforderung. Denn das Fertigteilwerk ist auf Lkw angewiesen, einen eigenen Bahnanschluss gibt es nicht. „Das wäre auch nicht sinnvoll, da die meisten Baustellen auch keinen Anschluss haben“, sagt Mike Sahm. Für die Schwerlasttransporte aber müsse man mittlerweile bis zu acht Wochen an Genehmigungszeit einrechnen. Das Prozedere wird immer komplizierter, vor allem wenn die Grenze zu anderen Bundesländern überschritten wird, so der 44-Jährige.

Allerdings leiste das Fertigteilwerk auch weit mehr als nur die Produktion und die Auslieferung der Fertigteile. Zum einen gehören auch Montage und Wartung inklusive des Ersatzteilgeschäftes mit zum Unternehmensprofil. Dafür stehe eine bundesweit aufgestellte Wartungsabteilung für die derzeit etwa 2 000 Wartungskunden bereit, die zum Beispiel ihre Klär- oder Abscheideanlagen in guten Händen wissen wollen. Zehn Prozent des Jahresumsatzes werden mit diesen Dienstleistungen erwirtschaft, sagt Mike Sahm.

Zum anderen verkaufe man nicht nur den nackten Beton, sondern auch die Funktionen darin. Für die Technik gib es sogar eine eigene Entwicklungsabteilung und Versuchsanlagen. „Wir wollen unseren Beton intelligent machen“, heißt das Ziel des Geschäftsführers. Mit Erfolg. Heute macht die Fuchs Fertigteilwerke Ost GmbH einen Jahresumsatz von etwa 20 Millionen Euro, vor zehn Jahren war es noch die Hälfte. Dabei liegen durchaus so manch turbulente Jahre hinter dem Unternehmen.

Nach der Gründung des Fertigteilwerks durch die Dyckerhoff & Widmann AG (Dywidag) liefen die Geschäfte dank der starken Bautätigkeit nach der Wende sehr gut. 1995 wurde in Zeithain noch einmal ausgebaut, 2001 folgte die Fusion mit der Walter Bau AG Augsburg – und nur vier Jahre später deren Insolvenz. Denn mit der Jahrtausendwende habe es in der Baubranche aufgrund von Überkapazitäten und Marktrückgängen eine tiefe und langanhaltende Krise gegeben. Nach Monaten unter einer Insolvenzverwaltung entschlossen sich der technische und der kaufmännische Leiter, Berthold Sahm und Klaus Lehmann, das Werk im Rahmen eines Management-Buy-out als Betonsysteme Zeithain GmbH fortzuführen. „Wir haben es geschafft, unsere Konzern-Vergangenheit hinter uns zu lassen“, erinnert sich Berthold Sahm, der aus dem Werk schließlich ein Familienunternehmen machte. Seit 2009 arbeitet Sohn Mike im Unternehmen – und blieb trotz der Fuchs-Übernahme in der Verantwortung.

Die bayerische Familie kam vor fünf Jahren ins Spiel, als die Zeithainer einen finanzkräftigen Partner aus der Branche suchten, um den Standort langfristig zu sichern. Ende 2012 übernahm die Unternehmerfamilie das Werk. „Heute können wir auf ein solides Fundament in Zeithain bauen. Wir haben die letzten Jahre durch Investitionen im Werk gute Voraussetzungen geschaffen, um die Kernkompetenzen im Bereich der Umwelttechnik auszubauen“, sagt Geschäftsführer Conrad Fuchs. Insgesamt gehören zu den einzelnen Firmen der Fuchs & Söhne Beteiligungs- und Dienstleistungsholding – darunter auch mehrere Fertigteilwerke – etwa 1 000 Mitarbeiter in ganz Deutschland. „Trotzdem sind wir eine eigene Gesellschaft. Der Mittelstandgedanke steht bei uns stark im Vordergrund“, sagt Mike Sahm über das Werk in Zeithain.