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„Wir müssen doch ehrlich sein“

Ein Auftritt der Kultusministerin in Bautzen empört die CDU-Landtagsabgeordnete Patricia Wissel.

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© dpa

Unterrichtsausfall und Lehrermangel – viele Eltern und Lehrer stellen Sachsens Bildungspolitik ein schlechtes Zeugnis aus. Das weiß auch die CDU-Landtagsabgeordnete Patricia Wissel aus Neukirch. Umso mehr empört sie ein Satz, der vor wenigen Tagen bei einer öffentlichen Debatte in Bautzen fiel. Sachsens Kultusministerin Brunhild Kurth (CDU) war ins Schiller-Gymnasium gekommen, um über das neue Schulgesetz zu debattieren. Viele der Besucher nutzten die Chance und sprachen die Probleme deutlich an. „Ist das wirklich so schlimm“, fragte die Ministerin sichtlich beeindruckt. Patricia Wissel kann diese Reaktion nicht verstehen. Im SZ-Gespräch sagt die 40-Jährige, warum.

CDU-Landtagsabgeordnete Patricia Wissel.
CDU-Landtagsabgeordnete Patricia Wissel. © Uwe Soeder

Frau Wissel, Sie wirken empört.

Das bin ich auch. Das Kultusministerium weiß über die prekäre Personalsituation an den Schulen in unserer Region sehr wohl Bescheid. Es ist in Dresden bekannt, dass es teilweise massive Schwierigkeiten gibt, den Unterricht abzudecken. Gemeinsam mit Fraktionskollegen aus den benachbarten Wahlkreisen weise ich schon länger immer wieder darauf hin. Es hat mehrere Gesprächsrunden gegeben. Frau Kurth ist über konkrete Problemfälle informiert.

Aber warum tut sich da nichts?

Das ist die Frage, die ich mir auch stelle. Ich habe der Ministerin sehr deutlich gesagt, dass ich eine Bildungspolitik zulasten der ländlichen Räume nicht mittrage.

Was genau wollen Sie nicht mittragen?

Dass so getan wird, als gäbe es nur eine vorübergehende Durststrecke. Mir geht es um eine grundsätzliche und dauerhafte Absicherung der Lehrerversorgung im ländlichen Raum. Eine Verbeamtung der Lehrer und eine bessere Eingruppierung dürfen keine Tabu-Themen mehr sein. Wir sparen an Lehrerstellen, indem wir zum Beispiel die Integrationsklassen nicht wie empfohlen ab 25 Schülern teilen, sondern die Klassen vollstopfen. Das sind weder für die Lehrer noch für die Schüler angemessene Rahmenbedingungen.

Frau Kurth sagt, die Schulen hätten ausreichend Planstellen.

Bei regelmäßigen Treffen mit Schulträgern, Schulleitern und Elternvertretern aus der Region wird mir etwas anderes berichtet. Was ich da höre, bereitet mir schon große Sorgen. Zum Beispiel fällt an den Gymnasien nahezu jede zehnte Stunde ersatzlos aus! Da sind Vertretungen und Beschäftigungen noch gar nicht mitgezählt. Hinzu kommen die vollen Klassen. Wo es geht, werden Klassen zusammengelegt und Schüler einfach umgelenkt. Das wirkt sich im ländlichen Raum viel gravierender aus, als in den Großstädten. Es gibt an den Schulen definitiv zu wenige Stellen, um den Unterricht ordentlich abzusichern.

Aber das wird ja offensichtlich schon seit Jahren so hingenommen.

Die Schwierigkeiten wurden nach außen hin zu lange kleingeredet. Das beginnt bei der Bedarfsplanung der Bildungsagentur und endet bei unflexiblen Handlungsmöglichkeiten. Dabei wird sowohl den Lehrern als auch den Schülern sehr viel zugemutet.

Sie sagen, diese Situation muss sich ändern. Wie könnte das gehen?

Wir müssen ehrlich die Probleme benennen können. Die Bedarfe sind viel höher, als die Regionalstelle der Bildungsagentur in Bautzen angemeldet hat. Darauf habe ich im letzten Jahr schon hingewiesen. Erst jetzt hat man reagiert und zusätzliche Stellen bewilligt. Wir brauchen eine bessere Bedarfsplanung. Der Leiter der Bildungsagentur weiß um die Probleme und müsste im Sinne der Region viel mehr Druck auf das Kultusministerium ausüben. Es ist nicht nachvollziehbar, warum junge Bewerber weggeschickt werden, für die vielleicht gerade im Moment keine Verwendung besteht, die aber womöglich in einem halben Jahr dringend gebraucht werden.

Mehr Stellen kosten aber auch mehr Geld. Die Kultusministerin sagt, sie ringe ständig mit dem Finanzminister.

Ja, das stimmt. Sie kämpft da wirklich vehement. Aber hier stellt sich doch die Frage, warum sie überhaupt kämpfen muss. Wenn eine Staatsministerin sagt, sie braucht so und so viele Stellen, muss das doch in den nächsten Haushaltsverhandlungen auch geregelt werden.

Als Landtagsabgeordnete einer Regierungspartei müssen Sie doch Einfluss nehmen können auf die Politik.

Ja, sicher. Und ich lasse da auch nicht locker. Ich habe für Ende Februar den Staatssekretär vom Kultusministerium zu einem Forum mit Schulträgern, Lehrern und Eltern eingeladen. Das wird garantiert keine „Schönwetter-Runde“. Es geht mir neben einer ordentlichen Unterrichtsqualität auch um den Erhalt der Schulen im ländlichen Raum. Während die Schülerzahlen in den Ballungszentren weiter steigen, werden sie auf dem Land in den nächsten Jahren wieder rückläufig. In der Novelle des Schulgesetzes sind Ansätze zum Erhalt der Schulen im ländlichen Raum zu erkennen, ob dies ausreichend ist, muss unbedingt noch einmal auf den Prüfstand.

Das Gespräch führte Jana Ulbrich.