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„Wir möchten Ängste abbauen“

Muslime suchen auf der Prager Straße das Gespräch mit den Dresdnern. Das ist ein Erfolg, auch wenn viele Passanten skeptisch bleiben.

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© André Wirsig

Bettina Klemm

Siegfried Kunert aus Riesa interessiert sich für Geschichte und Religionen. In Deutschland geht er oft in Kirchen, beim Türkei-Urlaub setze er sich gern mal in eine Moschee. Dennoch verstehe er vieles nicht: „In der Türkei ist das Kopftuchtragen in Schulen und anderen öffentlichen Einrichtungen verboten. Ich bin für das Rote Kreuz tätig und erlebe, wie in Deutschland, Ärzte und Lehrer sehr wohl mit dem Kopftuch arbeiten. Für mich ist das ein Widerspruch.“

Eigentlich will Siegfried Kunert am Sonnabend gemeinsam mit seinem Freund Michael Oertel nur zum Dynamo-Spiel ins Stadion. Doch auf der Prager Straße kommen sie mit einer Gruppe junger Muslime ins Gespräch. „Muslime für Frieden“, ist auf den weißen T-Shirts der Männer zu lesen. Diese verteilen Faltblätter und Broschüren, versuchen, auf Fragen zu antworten. „Liebe für alle, Hass für keinen“, steht auf ihrem Flyer. „Viele Menschen wissen nur sehr wenig über den Islam. Wir möchten Ängste abbauen“, sagt Hasanat Ahmand. Der Islam sei sehr friedliebend, erklärt der 29-jährige studierte Physiker. Er ist in Frankfurt geboren, seine Eltern waren aus Pakistan nach Deutschland gekommen. Im Gespräch mit Passanten gibt er aber auch zu, dass ihn selbst ein mulmiges Gefühl beschleiche, wenn er Meldungen über Bestrafungen gemäß der Scharia oder über Extremisten und Verbrechen des Islamischen Staates (IS) höre. „Der Islam ist keine kriegerische Religion. Er lehrt: Es soll kein Zwang sein im Glauben“, sagt er.

Viele Passanten auf der Prager Straße bleiben skeptisch. „Warum müssen sich eure Frauen so verschleiern? Warum werden sie unterdrückt?“, fragt beispielsweise eine Frau mittleren Alters. Eine sie überzeugende Antwort hört sie nicht. Unter den rund 30 Muslimen auf der Prager Straße ist keine einzige Frau.

Skeptisch bleibt auch Fußballfan Michael Oertel. „Es ist schon gut, dass wir reden. Aber am Ende ist man auch nicht schlauer“, sagt er. Man könne es den Menschen ja nicht gleich ansehen, ob sie wirklich Flüchtlinge oder Sozialschmarotzer sind. Daud Ata von „Muslime für Frieden“ gibt ihm recht: „Und wenn sich Migranten dann noch fehl verhalten, ist klar, dass Hass entsteht. Das hat aber nichts mit dem Islam zu tun.“

Während einige Passanten sehr schroff reagieren, outen sich andere im Gespräch sogar als Pegida-Anhänger. Pegida stehe doch auch für mehr Gerechtigkeit, betont einer von ihnen. Er sei nicht direkt gegen den Islam. Ein älterer Herr fotografiert den Stand der Muslime, vielleicht als Beweis für seine Ablehnung. Zum Thema sprechen will er auf jeden Fall nicht.

Die jungen Muslime werden künftig jeden Sonnabend auf der Prager Straße den Dialog suchen. Ihre Organisation Ahmadiyya Muslim Jamaat ist eine Reformgemeinde im Islam. In Deutschland gehört die AMJ mit über 35 000 Mitgliedern zu den größten islamischen Vereinigungen. Die islamische Gemeinde in Dresden wiederum hat nur knapp 40 Mitglieder, sagt Ata.

„Gott liebt dich“, ist auch die Botschaft von Christen der Jesus-Gemeinde Schandauer Straße. Sie bieten den Passanten gleich kostenlosen Kuchen an. Wenige Meter weiter stehen die Zeugen Jehovas und verteilen ihre Informationen.