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„Wir können uns hier nicht beschweren“

Das Stendaler U hat nicht den besten Ruf. Doch Familie Weßollek lebt gern dort.

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© Lutz Weidler

Von Dörthe Gromes

Riesa. Zugegeben, sehr anheimelnd wirken die Wohnblöcke der Stendaler Straße auf den ersten Blick nicht. Doch auf dem kleinen Spielplatz, der sich inmitten des schattigen Innenhofes befindet, spielen fröhlich einige Kinder. Ein paar Erwachsene sitzen daneben und plauschen. Liliane Weßollek erwartet die SZ bereits unten an der Tür. „Hier nennen mich alle Lilli“, sagt sie gleich zu Beginn. 2002 zog die gebürtige Meißnerin aus familiären Gründen von Straßgräbchen nach Riesa. Seitdem bewohnt sie zusammen mit ihrer Tochter Fabienne eine Dreiraumwohnung in der Stendaler Straße.

Die Bewohnerinnen haben ein Faible für Tiger und Pflanzen.
Die Bewohnerinnen haben ein Faible für Tiger und Pflanzen. © Lutz Weidler
Unter Bäumen befindet sich ein vielgenutzter Kinderspielplatz – dort können Kinder in Sichtweite der Eltern toben.
Unter Bäumen befindet sich ein vielgenutzter Kinderspielplatz – dort können Kinder in Sichtweite der Eltern toben. © Lutz Weidler

Im großen Wohnzimmer steht eine gemütliche Couch, auf der zwei Kissen mit Tigermuster drapiert sind. Auch an den Wänden finden sich verschiedene Tigerdarstellungen, darunter einige Puzzlebilder. „Ich habe eben einen Tigerfimmel“, lacht Liliane Weßollek. „Außerdem puzzeln und basteln wir gern zusammen.“ Ihre zweite Leidenschaft sind Pflanzen, besonders an Orchideen und Lilien hängt das Herz der gelernten Gärtnerin.

Daher finden sich nicht nur in der Wohnung viele Grünpflanzen, sondern auch an der Tapete ringeln sich dekorativ rote Blumen. Ihren ursprünglichen Beruf kann Liliane Weßollek aufgrund eines Arbeitsunfalls, der ihr das Knie kaputt machte, nicht mehr ausüben. Dafür kümmert sie sich um die Grünflächen vor den Wohnblöcken. Dabei arbeitet Liliane Weßollek oft mit Jugendlichen zusammen, die Sozialstunden ableisten müssen. „Das klappt meist gut“, sagt sie. Außerdem haben die Weßolleks einen Kleingarten in Pflege: „Gerade zu dieser Jahreszeit sind wir sehr oft dort draußen.“

Ein blauer und ein golden glitzernder Cowboyhut an der Wohnzimmerwand künden von Liliane Weßolleks Vorliebe für Westerntanz. „Früher habe ich auch als DJ gearbeitet, daran habe ich einfach Spaß“, erzählt sie. Manchmal lege sie auch noch heute bei Feierlichkeiten auf. Ob sie dann Schlager, Techno, Hip-Hop oder Rock 'n' Roll spiele, sei von ihrer jeweiligen Stimmung abhängig.

Mit einem Schrecken kamen die Hausbewohner im Januar davon. Damals kam es in der Wohnung ein Stockwerk höher zu einer Explosion (SZ berichtete), die auch in der Wohnung der Weßolleks Risse verursachte. „Nachdem die Statikerin das überprüft hatte, konnten wir wieder in unsere Wohnung“, erzählt Fabienne Weßollek.

Die 19-Jährige macht momentan eine Berufsorientierung im Berufsschulzentrum in Merzdorf. Vielleicht wird sie dann später eine Ausbildung zur Köchin absolvieren. Mutter und Tochter fühlen sich sehr wohl im Stendaler U. Besonders schätzen sie dort die günstige Miete, die gute Hausgemeinschaft und die nah gelegenen Einkaufsmöglichkeiten. – „Früher waren die Blöcke sehr verrufen. Damals hatte ich überlegt, auszuziehen, aber mit dem neuen Vermieter hat sich hier viel gebessert“, erklärt Liliane Weßollek. Und ihre Tochter ergänzt: „Wir können uns hier nicht beschweren.“

Vandalismus von Jugendlichen und Drogendelikte kämen nur noch selten vor, Ruhestörungen dagegen häufiger. In den letzten Jahren seien viele Asylanten hergezogen, da müsse man mitunter erklären, welche Regeln hier gelten. „Wenn man versucht, mit ihnen zu reden, geht es meist ganz gut“, erzählt Liliane Weßollek. Manchmal übt sie mit den neuen Nachbarn Deutsch. „Die Leute erzählen viel von ihrer Heimat“, sagt die Bewohnerin.

Auch wenn sich schon vieles zum Besseren gewendet habe im Stendaler U, hat Familie Weßollek noch einige Verbesserungsvorschläge: „Eine freundliche Fassade wäre schön und für den Spielplatz eine Mehrkindschaukel oder eine Rutsche.“

Wohnen Sie auch „anders“? Dann melden Sie sich bei uns in der Lokalredaktion Riesa: [email protected] oder telefonisch unter Telefon 03525 72415715. Ihr Wohnort – ob Riesa, Strehla, Nünchritz, Zeithain oder Gröditz – spielt dabei keine Rolle. Wir freuen uns!