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„Wir haben uns noch nie gezankt“

Annerose und Hans Reich aus Olbersdorf sind seit 65 Jahren verheiratet. Für ihn war es Liebe auf den ersten Blick.

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© Thomas Eichler

Von Elke Schmidt

Olbersdorf. An die Vorbereitung ihrer Hochzeit vor 65 Jahren können sich Hans Reich und seine Frau Annerose aus Olbersdorf noch gut erinnern. Schon Monate vorher sammelten beide ihre Kaffeebohnenrationen. Die waren 1952 ein rares Gut, das es nur auf Sonderzuteilung gab. Doch bei der Hochzeit sollte es den Gästen nicht daran fehlen. So knapsten eben beide etwas von ihrer eigenen Ration ab. Auch später haben die Reichs noch oft in ihrem Leben zurückgesteckt, um etwas zu erreichen.

Ihre Hochzeit ist schon 65 Jahre her, doch ihnen beiden kommt es noch gar nicht so lange vor. „Kann es wirklich sein, dass es schon so lange her ist?“, fragen sie sich in diesen Tagen kurz vor ihrer Eisernen Hochzeit öfter, denn sie erinnern sich daran, als wäre es gestern.

Kennengelernt hatten sie sich zwei Jahre vor ihrer Vermählung. Hans war damals bei der kasernierten Volkspolizei und ging bei seinem ersten Ausgang in das damals sehr beliebte Lokal am Burgteich. Annerose wohnte in Zittau und war dort mit einer Freundin. Die sagte plötzlich zu ihr: „Da guckt immer einer zu Dir her“. Annerose sah sich verstohlen nach dem jungen Mann um und war sehr angetan. Für ihn war es Liebe auf den ersten Blick. „Ich kam in den Burgteich und da saß sie“, schildert er diesen Moment. Die muss ich mir sofort wegholen, ehe sie ein anderer wegschnappt, dachte er sich. Er nahm seinen ganzen Mut zusammen und sprach sie an. Damit war die Sache gelaufen.

Noch heute leuchten die Augen der beiden, wenn sie an ihren ersten Kuss denken. Seitdem haben sie sich nie wieder getrennt und bleiben zusammen, obwohl das anfangs nicht einfach war. Er als kasernierter Polizist wurde oft in andere Städte versetzt. So sahen sie sich selten. Bis sie 1952 heirateten, hielten sie hauptsächlich Briefkontakt. Doch auch dann hatten sie schwere Zeiten zu meistern. Ihre erste Wohnung hatten sie in einer Gaststätte in Olbersdorf. Die ist längst weggerissen, aber sie erinnern sich noch gut an den Raum, der mittels einer Holzwand in zwei Zimmer verwandelt wurde. Das war zwar besser als nichts, aber dort wollten sie nicht bleiben. Sie waren drauf und dran, wegzuziehen, aber durch die Arbeiterwohnungsbaugenossenschaft bekamen sie die Chance auf eine eigene Wohnung.

Das Ehepaar baute sechs Jahre lang mit eigenen Händen an dem Haus mit, in dem sie heute noch wohnen. Sie haben einen Sohn, gingen beide im Drei-Schicht-System arbeiten und unterhielten nebenher einen Kleingarten, damit sie auch mal etwas Frisches auf dem Teller hatten. Wie sie das alles geschafft haben, können sie im Rückblick selber nicht mehr so ganz genau sagen. Aber sie sind überzeugt, dass ein Umstand wesentlich dazu beigetragen hat. „Wir haben uns noch nie ernsthaft gezankt“, sagt das Ehepaar. So komme man viel stressfreier durchs Leben, das tue der Gesundheit gut. Man müsse nur miteinander reden, dann löse sich vieles von allein, sagen sie. Untereinander brauchen sie das nach so vielen Jahren meist nicht mehr. Oft ertappen sie sich dabei, dass der eine gerade an etwas denkt und der andere in genau demselben Moment sagt: „Du denkst doch gerade an ...“. Und es stimme immer, was beide jedes Mal aufs Neue verblüfft.

Doch eigentlich ist das kein Wunder, denn sie haben viele gemeinsame Interessen. Sie gehen oft spazieren und schaffen dabei meist sogar die empfohlenen täglich 10 000 Schritte. Sie gehen regelmäßig tanzen und reisen, so oft es geht. Beide wünschen sich, dass sie das alles noch möglichst lange gemeinsam tun können.