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„Wir haben uns einen Traum erfüllt“

Morgen spielt die Rocklegende electra auf ihrer Abschiedstour in Kamenz. Demnächst auch noch mal in Radeberg?

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Von Jens Fritzsche

Das Wort Legende wird ja heutzutage ziemlich inflationär genutzt. Für die Musiker der Dresdner Band „electra“ trifft das Wort aber in jedem Fall zu. Und in den mittlerweile 45 Jahren Bandhistorie haben sich auch eine Menge Geschichten angesammelt – einige davon spielen auch in Radeberg. Doch nun ist electra auf Abschiedstour. Bis zum nächsten Sommer wird es noch jede Menge Konzerte geben, dann soll Schluss sein. Am morgigen Freitagabend werden die Musiker um Band-Chef Bernd Aust in Kamenz zu erleben sein – im Saal des Hotels „Stadt Dresden“. Und sicher werden sich dann auch zahlreiche Rock-Fans aus dem Rödertal auf den Weg machen. Und können sich auf zahlreiche Überraschungen freuen, heißt es. Die SZ sprach dazu mit Bernd Aust:

Herr Aust, eine andere Ostrock-Legende – die Puhdys – hatte ja 1989 auch schon mal vor, auf Abschiedstour zu gehen. Nach kurzer Pause haben die Musiker dann aber einfach weitergemacht. Können vielleicht auch die electra-Fans noch mal auf einen Abschied von der Abschiedstour hoffen?

Der Unterschied ist ja, dass die Puhdys damals 25 Jahre jünger waren. Ich werde im Januar 70 - und für mich ist es wichtig, mich von den Fans im vollen Besitz meiner geistigen und auch körperlichen Fähigkeiten zu verabschieden. Wer zum Beispiel den Türkischen Marsch auf der Querflöte bläst, braucht Luft und eine fitte Gesichtsmuskulatur. Ich mache seit meinem 16. Lebensjahr Musik, eine lange Zeit.

Gibt’s zum Abschied vielleicht sogar noch mal eine neue CD?

Nein, das wird es nicht geben. Man kann ja vieles produzieren, aber man muss es eben auch verkaufen. Und es ist keine Plattenfirma auf uns zugekommen, die mit uns produzieren wollte. Aber jetzt noch auf eigene Kosten eine CD zu machen und sie dann an der Tankstelle zu verkaufen, entspricht nicht wirklich meinen Vorstellungen… Und wir haben ja eine wie ich finde tolle CD von unserem Jubiläums-Konzert im Dresdner Kulturpalast vorgelegt – es bleibt also eine Menge von uns!

Und doch: Irgendwann wird es „Tritt ein in den Dom“ oder „Das kommt, weil Deine Seele brennt“ nicht mehr live geben. Keine schöne Vorstellung…

Zugegeben, auch wir haben noch nicht so richtig realisiert, dass dieser Punkt irgendwann kommt. Aber bis Sommer 2015 sind ja wir ja noch auf Abschiedstour –  am Freitagabend eben in Kamenz.

Und vielleicht demnächst auch noch mal in Radeberg?

Da wäre ja in der Kürze der Zeit eigentlich nur noch das nächste Bierstadtfest möglich. Bis jetzt hat uns aber noch niemand angefragt. Aber in die Stadt des Bieres kommen wir natürlich gern…

Zu Radeberg können Sie ja eine ganz besondere Geschichte erzählen. Die hat – so haben Sie mal vor einiger Zeit verraten – mit einem Ihrer ersten Autos zu tun, einem Moskwitsch…

Richtig, ich wohnte damals am Ullersdorfer Platz in Dresden-Bühlau und meine Moskwitsch-Werkstatt war in Radeberg. Da bin ich also wirklich regelmäßig durch Ullersdorf, Großerkmannsdorf nach Radeberg gefahren…

Noch mal zu den Puhdys, die ja immer wieder mal von ihrem großen Traum erzählt haben, irgendwann noch mal gemeinsam mit den Rolling Stones in Peking zu spielen. Hat auch Bernd Aust mit electra noch einen solchen Traum?

Wir haben uns diesen Traum schon erfüllt – übrigens passend zum Konzert am Freitagabend in Kamenz! Wir haben nach der Wende mal Jethro Tull auf die Kamenzer Hutbergbühne geholt. Von Jethro Tull spielen wir ja auch einige Titel in unserem Programm. Wir waren dann auch gleich noch die Vor-Band. Und anschließend habe ich einen Brief vom legendären Konzertveranstalter Fritz Rau bekommen, der von einem Telefonat mit Jethro-Tull-Sänger Ian Anderson schrieb. Anderson – der ja wie ich auch, Querflöte spielt –  hatte Rau klar gemacht, nach dem Konzert mit electra wolle er nie wieder einen Flötisten im Vorprogramm haben. Das ist doch ein Ritterschlag für uns, finde ich…

Wenn electra abtritt, gibt es mit der Stern Combo Meißen eigentlich nur noch eine einzige Band, die den legendären Art-Rock dann noch live auf die Bühne bringt. Ist die Zeit für diese Musik vielleicht sogar vorbei?

Ach wissen Sie, ich beobachte auch bei uns im Publikum eine feste Größe junger Leute, die sich wieder für handgemachte Musik interessieren – obwohl es aktuell ja so viele Spielwiesen in Sachen Musik gibt. Das war in den ersten Jahren der Beatles und der Stones anders, da gab es eigentlich nur diese beiden. Und als wir anfingen, war gerade die Zeit vorbei, mit großem Bläser-Aufgebot auf die Bühne zu gehen. Später kamen hier und da die Bläser mal wieder, das ändert sich immer mal. Es ist – so glaube ich – heute einfach ein viel größerer Markt, in den sich Musiker teilen müssen.

Sie haben ja nach der Wende Ihr Geld nicht mehr vordergründig mit electra verdient. Bassist Wolfgang Riedel hat sogar Werbeplätze auf Stadtplänen verkauft. Könnten Sie denn im Moment wieder von electra leben?

Die Frage ist so einfach nicht zu beantworten. Wir haben uns nach der Wende glücklicherweise entschlossen, nicht mehr allein von electra leben zu müssen. Das hat uns den Freiraum geschaffen, weiter Musik machen zu können, ohne Druck zu haben. Aber wenn man von Musik leben will, kann man das nicht nebenbei machen. Und um erfolgreich zu sein, muss man als Musiker auch regelmäßig in den Medien auftauchen. Aber wir können doch nicht jeden Tag von der Brücke springen, um Aufmerksamkeit zu bekommen… Wir hatten eine schöne Zeit bis 1989 – aber heute sozusagen als Bittsteller durch die Lande zu ziehen, ist nicht mehr mein Ding.

Das klingt ein wenig auch nach Kritik an den Plattenfirmen?

Ich kann die Plattenfirmen durchaus verstehen, nach der Wende nicht mehr auf uns damals gut 50-Jährige zu setzen. Da ist einfach viel zu wenig Zeit, dass sich Investitionen lohnen. So muss man das einfach sehen. Deshalb hatten es jüngere Bands auch aus dem Osten damals einfach ein bisschen leichter. Ich freue mich jedenfalls für sie – Silbermond zum Beispiel, das ist doch wirklich toll, was die erreicht haben.

Werden sich die Fans am Freitag doch noch auf ein Wiedersehen mit Peter „Mampe“ Ludewig freuen können?

Leider nicht. Er hat ja nicht aufgehört, weil wir uns nicht mehr leiden können. Sondern aus gesundheitlichen Gründen. Aber wir haben Stefan Trepte als Sänger, auch Gisbert Koreng. Wir werden die großen Hits spielen – die Fans werden auf ihre Kosten kommen!

Zum Schluss noch eine Frage zu Ihrem vielleicht wichtigsten Werk, der Rock-Suite „Die sixtinische Madonna“. Beim Stadtfest in Dresden vor wenigen Wochen wurde es ja noch mal mit großem Orchester und Chor aufgeführt – und es hieß, das sei nun das letzte Mal. Könnte man Sie überreden, das Stück vielleicht doch noch einmal zu spielen?

Naja, es hieß ja beim Stadtfest: zum letzten Mal open air… Wir haben ja am 29. Mai noch ein großes Konzert im Alten Schlachthof in Dresden – dort, so viel kann ich schon mal verraten, werden wir die Madonna noch mal spielen. So, wie es damals im Original war, also ohne Orchester. Zumindest diese Chance haben die Fans also noch.

Das Konzert mit electra in Kamenz beginnt 20 Uhr im Hotel Stadt Dresden, Tickets an der Abendkasse oder unter 03578 - 34450