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„Wir haben jetzt eine Vogelgrippe-App“

Tierarzt Sven Biereder kann keine Entwarnung geben: Noch immer gelten wegen der Erkrankung Beschränkungen.

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© Anne Hübschmann

Sie tummelt sich seit Monaten im Freistaat und erweist sich als hartnäckig: die Vogelgrippe. Nachdem Mitte November am Cospudener See bei einer dort tot aufgefundenen Ente das gefährliche H5N8-Virus nachgewiesen wurde, ging es Schlag auf Schlag. Vor allem Wildenten und Schwäne, aber auch eine in Zabeltitz gefundene Möwe sowie ein Silberreiher starben mittlerweile an den Folgen der Viruserkrankung. War die Erkrankung erstmals im Landkreis Meißen am 17. Januar festgestellt worden, wurde jetzt erneut ein infiziertes Tier aufgefunden. Die SZ sprach deshalb mit Dr. Sven Biereder. Der 48-jährige Tierarzt ist Sachgebietsleiter Tierseuchenbekämpfung und Tiergesundheitsschutz im Landratsamt Meißen.

Herr Biereder, in der vergangenen Woche wurde wieder ein Fall von Geflügelpest im Landkreis festgestellt. Ein Ende scheint also nicht in Sicht, oder?

Wir hatten tatsächlich wieder einen H5N8-Virusnachweis und mussten deshalb die Wildvogel-Geflügelpest erneut amtlich feststellen. Es handelte sich um einen Schwan, der bereits Ende Februar in Niederlommatzsch tot aufgefunden worden war. Die zeitliche Verzögerung zwischen dem Auffinden des Tieres und der Bildung von Sperrbezirk und Beobachtungsgebiet, den sogenannten Restriktionszonen, resultiert aus der Notwendigkeit, die Befunde im Friedrich-Löffler-Institut bestätigen zu lassen. Nach mittlerweile 19 mit H5N8 infizierten Wildvögeln im Landkreis ist es schwer, Prognosen abzugeben. Die Fallzahlen nehmen aber ab und es gibt momentan auch keinen neuen Verdacht im Landkreis Meißen. Verdacht bedeutet, dass bei dem betroffenen Tier in der Landesuntersuchungsanstalt Dresden bereits ein Influenzavirus vom Typ H5 nachgewiesen wurde, der Endbefund des Friedrich-Löffler-Institut aber noch aussteht.

Welche Gebiete sind momentan als Sperrgebiet ausgewiesen?

Zum heutigen Mittwoch gibt es noch neun Restriktionszonen. Diese befinden sich um Großenhain, Nünchritz, Wildberg, Boritz, Radeburg, Leckwitz, Strehla, Steinbach, Radebeul und Niederlommatzsch. In Radebeul wurde der infizierte Vogel auf dem Gebiet der Stadt Dresden gefunden. Die Ersten vier genannten können wir bis zum 22. März 2017 aufheben – falls keine neuen Fälle in diesen Gebieten auftreten.

Wo kann sich der besorgte Landkreisbewohner darüber informieren, ob in seinem Ort, in seiner Straße, gewisse Beschränkungen gelten?

Die Bildung von Restriktionszonen und die dadurch bedingten Sperrmaßnahmen werden vom Lebensmittelüberwachungs- und Veterinäramt mit einer sogenannten Allgemeinverfügung erlassen. Diese veröffentlichen wir in der Sächsischen Zeitung, damit auch jeder Bürger nachlesen kann, welche Fristen gelten. Im Zusammenhang mit den aktuellen Erkrankungen sind bereits acht solcher Verfügungen erlassen worden. Auf der Internetseite des Landkreises (http://www.kreis-meissen.org) ist die aktuelle Situation im Geoportal gut nachvollziehbar. Man muss nur das Suchwort „Geflügelpest“ eingeben und dann das „Thema anschalten“. Die sich öffnende Karte kann durch Drehen des Rädchens an der Maus stark vergrößert werden, so dass selbst für einzelne Häuser die Zugehörigkeit zu den Restriktionszonen festgestellt werden kann. Klickt man in einen roten Kreis, den Sperrbezirk, oder einen blauen, das Beobachtungsgebiet, öffnet sich eine Aufstellung der dort momentan gültigen Allgemeinverfügungen. Eine zweite Möglichkeit besteht auf der Internetseite des Landkreises (http://www.kreis-meissen.org/AI-Aktuelles.html). Hier können die aktuellen Restriktionszonen und Allgemeinverfügungen tabellarisch aufgerufen werden. Darüber hinaus bestimmte allgemeine Informationen. Seit dieser Woche haben wir damit begonnen, die aktuelle Verfügung für Smartphone-Nutzer zugänglich zu machen. Man benötigt hierfür die BIWAPP.

Wie viele Vögel wurden bis jetzt überhaupt im Landkreis Meißen gefunden?

Seit dem 15. November 2016 wurden mehr als einhundert Vögel, ausschließlich Wildtiere, abgegeben. Davon konnten 86 untersucht werden, denn nicht jeder Tierkadaver ist dafür noch geeignet.

Trügt der Anschein oder wurden dieses Mal besonders viele Fälle bekannt?

Der Schein trügt nicht! Bundesweit wurden bisher 1187 Virusnachweise für H5N8 bei Wildvögeln geführt. Aber auch in Geflügelhaltungen gibt es 99 Fälle. Bisher galten über 300 Fälle bei Wildvögeln – in den Jahren 2006 und 2007 – schon als Spitzenwerte. Vielleicht erinnern Sie sich noch an die Bilder der Desinfektionsschleusen auf dem Rügendamm.

Welche Symptome zeigen erkrankte Tiere?

Insgesamt verläuft die Erkrankung eher unspezifisch. Bei Wirtschaftsgeflügel können insbesondere ein Abfall der Legeleistung, Apathie, Atemnot, Ödeme im Bereich des Kopfes, Blaufärbung der Kopfanhänge und Durchfall beobachtet werden. Möglich sind aber auch symptomarme beziehungsweise symptomlose Verlaufsformen oder plötzliches Verenden ganz ohne Symptome. Bei Wildvögeln ist es eher unwahrscheinlich, bestimmte Auffälligkeiten beobachten zu können.

Und wer kann sich anstecken?

Nach derzeitigem Kenntnisstand ist das aktuelle Virus in erster Linie für Vögel ansteckend. Die Liste der bislang betroffenen Arten ist lang, allen voran Schwäne, Greifvögel, Gänse und Enten. Auch Hühner und Truthühner sind sehr empfänglich. Eine Infektion von Säugetieren einschließlich des Menschen ist meines Wissens noch nicht nachgewiesen, prinzipiell aber nicht ausgeschlossen. Das war 2006 anders. Seinerzeit wurde das Virus bei Katzen und Mardern, in Südostasien bei Menschen festgestellt.

Viele Geflügelzüchter befürchten, dass sich die Restriktionen auf ihr Geschäft auswirken könnten. Was sagen Sie denen? Und was dem konsternierten Katzenhalter, der seinen miauenden Vierbeiner plötzlich anleinen soll?

Die negativen Auswirkungen auf die Geflügelwirtschaft und auch die Hobbyzüchter sind längst eingetreten! Man sollte aber berücksichtigen, dass die Erhaltung der Gesundheit von Mensch und Tier ein hohes schutzwürdiges Gut darstellt und Vorrang haben sollte. Bislang sind wir von Geflügelpestfällen in den Nutztierbeständen des Freistaates weitgehend verschont geblieben, wozu sicher auch die vieldiskutierten strengen Sicherheitsmaßnahmen einschließlich der Stallpflicht beigetragen haben. Das Anleinen von Katzen ist hingegen keine Forderung des Veterinäramtes! Es geht lediglich darum, Hunde und Katzen für den Zeitraum von 15 Tagen im Beobachtungsgebiet oder 21 Tagen im Sperrbezirk nicht frei herumlaufen zu lassen. Den Tieren soll so die Möglichkeit der Aufnahme von virushaltigen Wildvögeln genommen und indirekt einer Verbreitung des Virus vorgebeugt werden.

Herr Biereder, wagen Sie eine Prognose für die kommenden Wochen?

Ja. Ich erwarte einen starken Rückgang der Virusnachweise. (SZ/ca)