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„Wir haben die Politik verändert“

Der AfD-Kandidat Karsten Hilse gewinnt im Wahlkreis Bautzen das Direktmandat. Die Aufregung um seine Partei hält er für überzogen.

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© Gernot Menzel

Von Sebastian Kositz

Bautzen. Die Menschen im Landkreis Bautzen haben gewählt – und erstmals keinen Bewerber der CDU mit einem Direktmandat nach Berlin geschickt. Stattdessen triumphieren Karsten Hilse und die AfD. Der 53-jährige Polizist aus Lohsa holte etwa ein Drittel der Erststimmen und hat sich damit gegen den Kandidaten der Union, Roland Ermer durchgesetzt. Im Interview mit der Sächsischen Zeitung erklärt er, was seine Partei im Bundestag jetzt vor hat.

Herr Hilse, Sie haben das Direktmandat im Wahlkreis Bautzen I gewonnen. Hat Sie dieser Erfolg überrascht?

Nicht unbedingt. Wir machen seit eineinhalb Jahren Wahlkampf. In den vergangenen acht Wochen hatte ich fast jeden Tag eine Veranstaltung. Wir standen auf vielen Marktplätzen. Dort haben wir viel positive Resonanz erfahren. Es hätte mich gewundert, wenn es nicht geklappt hätte.

Fakten zur Wahl

Wahlbeteiligung. Mehr als 161000 Bürger gingen am Sonntag im Wahlkreis Bautzen an die Wahlurnen. Das entspricht einer Wahlbeteiligung von 75,4 Prozent. Das sind knapp sechs Prozent mehr als bei der Bundestagswahl 2013.

AfD-Hochburg im Wahlbezirk ist mit 42,4 Prozent der Zweitstimmen die Gemeinde Großdubrau gefolgt von Neschwitz (41,7 Prozent) und Oßling (41,2 Prozent).

Die CDU holte die meisten Zweitstimmen in den sorbischen Gemeinden. In Panschwitz-Kuckau kamen die Christdemokraten auf 47,4 Prozent, stark schnitten sie auch in Crostwitz (47,2 Prozent) und Ralbitz-Rosenthal (44,8 Prozent) ab.

Links-Partei: In Hoyerswerda ist die Links-Partei mit knapp 21 Prozent im Landkreis am stärksten, dort war auch die SPD mit 12,1 Prozent vergleichsweise erfolgreich.

Liberalen: Knapp über zehn Prozent bekamen die Liberalen unter anderem in Nebelschütz, Elsterheide und Ralbitz-Rosenthal.

Auszählung: Am schnellsten gezählt wurde in den Gemeinden Frankenthal und Neschwitz, zuletzt meldete die Stadt Bischofswerda die Ergebnisse.

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Der Kreis Bautzen galt lange Zeit als Hochburg der CDU. Warum wählen plötzlich so viele Menschen die AfD?

Ich bin überzeugt, dass viele Menschen die Politiker der CDU für unglaubwürdig halten. Die Wähler geben uns jetzt eine Chance, das, was wir in unserem Grundsatzprogramm beschlossen haben und fordern, versuchen, durchzusetzen.

Der Spitzenkandidat ihrer Partei, Alexander Gauland, hat angekündigt, die Regierung „jagen“ zu wollen. Das klingt nicht nach konstruktiver Mitarbeit ...

Da hat er möglicherweise den falschen Begriff gewählt. Letztlich ist es aber so, dass die CDU bereits einige unserer Vorhaben übernommen hat. Wir haben in den vergangenen zwei, drei Jahren die Politik verändert. Es wurde öffentlich über bestimmte Themen gesprochen, die vor drei Jahren noch tabu waren. Wir werden mit unseren Forderungen deshalb immer wieder Druck auf die Regierung machen.

Also keine Fundamentalopposition?

Das lässt sich so nicht trennen. In bestimmten Fragen sind wir natürlich fundamental anderer Meinung als die Bundesregierung – auch je nachdem, wer da jetzt mitregieren wird. Aber bei den Sachen, die wir vernünftig erachten, werden wir uns einer Zusammenarbeit nicht verwehren. Wir wollen konstruktiv zusammenzuarbeiten, um damit gute Ergebnisse zu erreichen.

Mit der AfD werden auch einige Politiker in den Bundestag gelangen, die offen rechtslastige Positionen vertreten. Verstehen Sie, dass sich deshalb viele Menschen große Sorgen machen?

Da gibt es sicherlich Einzelfälle. Aber die, die sich extrem rechtslastig geäußert haben, die sind meistens aus der Partei geflogen. Ich kenne kein Beispiel, dass jemand in den Bundestag einzieht, der wirklich rechtslastige Äußerungen gemacht hat.

Ihr Parteikollege Jens Maier aus Dresden, der ebenfalls in den Bundestag einzieht, redet von Schuldkult und hat Verständnis für den Massenmörder Breivik geäußert. Ist so ein Mann im Bundestag eigentlich überhaupt tragbar?

Ich habe mich mit Herrn Maier darüber unterhalten. Er sagte mir, dass er die Äußerung so nicht gesagt hat und sie falsch abgedruckt worden sei. Beim Schuldkult hat er einen Begriff gewählt, der Emotionen auslöst. Uns geht es darum, dass wir die deutsche Geschichte nicht auf zwölf Jahre reduzieren. Natürlich gab es die Diktatur der Nationalsozialisten, in der schlimme Verbrechen verübt worden sind. Das heißt doch aber nicht, dass die übrigen 1200 Jahre deutsche Geschichte dann auch schlecht waren. So hat es Herr Maier auch gemeint.

Zwischen den Flügeln der AfD fliegen regelmäßig die Fetzen. Glauben Sie, dass die Fraktion die nächsten vier Jahre gemeinsam überstehen wird?

Das hoffe ich doch sehr. Dass alle das Ziel im Blick behalten, eine vernünftige Politik für Deutschland zu machen und dann auch konstruktiv miteinander zusammenarbeiten. Ich denke schon, dass das funktioniert.