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„Wir haben Angst“

Nach dem Anschlag auf die Moschee in Cotta vor zwei Monaten kommt die Familie des Imam nicht zur Ruhe. Nun gab es weitere Vorfälle.

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© Sven Ellger

Von Andreas Weller

Hamza Turan ist sichtlich angeschlagen. Auch sein Sohn Ibrahim sieht sehr traurig aus. Vor genau zwei Monaten hat ein Attentäter einen Sprengsatz vor der Eingangstür des Wohnhauses der Familie des Imam der Moschee an der Hühndorfer Straße gezündet. Seiher kommt die Familie nicht zur Ruhe.

„Wir haben alle noch Kopfschmerzen, immer wieder sehen wir die Bilder von der Explosion“, erzählt der 46-jährige Imam. Kaum eine Nacht können er, seine Frau oder die beiden Söhne durchschlafen. Als wäre der Anschlag von vor zwei Monaten nicht schlimm genug, müssen sie immer wieder mit Anfeindungen leben. Auf Stromkästen nahe der Moschee wurde vor wenigen Tagen „Fuck Islam“ geschmiert. Die Aufschriften sind mittlerweile entfernt, aber sie bleiben in den Köpfen der Familie. Aus dem Briefkasten musste Turan mittlerweile zwei Drohbriefe fischen. „Nur ein toter Moslem ist ein guter Moslem“ steht in dem einen. Der andere liest sich völlig wirr, da ist von 1933 und der Vergasung der Juden die Rede. Dann die Drohung: „Das wird euch auch passieren.“ Der zehnjährige Ibrahim erzählt, dass er in der Schule angefeindet wird. „Beleidigungen gab es schon länger. Aber seit dem Anschlag ist es schlimmer geworden“, erklärt der Junge traurig. Ausländerfeindliche Sprüche und die Familie solle wieder in die Türkei gehen, hört er häufig. „Ich möchte die Schule wechseln, aber das ist schwierig.“ Auch die Frau des Imam wurde in den vergangenen Wochen öfter auf der Straße beleidigt, weil sie Kopftuch trägt. „Sie wurde aus einem Auto heraus bedroht“, so Turan: „Meine Frau traut sich kaum, alleine einkaufen zu gehen. Wir haben Angst.“ Ibrahim sagt, er und sein sechsjähriger Bruder hätten seit dem Anschlag sogar Angst, auf Toilette zu gehen, auch wenn die Eltern da sind. Es sei unerträglich.

Vor dem Haus steht häufig ein Streifenwagen der Polizei. „Die Kollegen unserer Wachpolizei bestreifen das Objekt regelmäßig“, so Polizeisprecher Thomas Geithner. Allerdings kann die Polizei auch nicht rund um die Uhr vor Ort sein. Wegen der Schmierereien wird wegen Sachbeschädigung und Volksverhetzung ermittelt. Den oder die Täter zu finden, ist aber schwierig. Die Drohbriefe seien bisher der Polizei nur mündlich bekannt. Wegen der Belästigung der Frau und den Beleidigungen des Sohnes, sei auch noch keine Anzeige erstattet worden. „Insgesamt steht die Polizei seit dem Anschlag in Kontakt mit der Familie“, so Geithner. „Wir gehen daher davon aus, dass uns die Familie zeitnah informieren wird, wenn neue Bedrohungssituationen eintreten. Das war bislang nicht der Fall.“

Bezüglich des Anschlags kann die Generalstaatsanwaltschaft noch keine Ermittlungserfolge vermelden. „Die Ermittlungen, insbesondere die kriminaltechnische Untersuchung der Sprengsatzüberreste und der Tatortspuren, dauern noch an und werden in alle Richtungen geführt“, erklärt Oberstaatsanwalt Oliver Möller. Bisher gehe man von einem Einzeltäter aus. Es könne aber weitere Beteiligte oder Mitwisser geben. Die Öffentlichkeitsfahndung mit dem Video von der Tat hat bislang nicht zu konkreten Ermittlungsansätzen geführt. „Gegen einen Beschuldigten wurden strafprozessuale Maßnahmen durchgeführt, wobei sich der Verdacht gegen diesen bislang nicht verdichtet hat“, so Möller. Man überlege, erneut eine Öffentlichkeitsfahndung zu machen.

Die Familie würde gerne verstehen, weshalb der Anschlag verübt wurde, weshalb sie Drohbriefe erhält und drangsaliert wird. „Wir haben niemandem etwas getan“, so Turan. „Wir möchten doch nur friedlich mit den Deutschen zusammenleben.“ Der Anschlag habe sogar etwas Gutes gehabt, wenn man das so sagen könne: Unmittelbar danach war die Anteilnahme sehr groß, viele Menschen sind vorbeigekommen. „Ich wünsche mir, dass uns die Leute hier wieder besuchen, uns kennenlernen und wir sie“, so der Imam.

Die Familie lebt seit einem Jahr in Dresden. Vorher wohnte sie in Essen. „Dort gab es das nicht, da waren viele andere Türken und wir haben mit Deutschen gut zusammengelebt“, so Turan. Das möchte er in Dresden auch so haben. Denn die Familie hat vor, noch eine Weile zu bleiben. „Wir wollen die deutsche Kultur, Lebensart und Sprache lernen.“ Irgendwann wolle die Familie aber in die Türkei zurückkehren.