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„Wir geben immer etwas mehr“

Hartmut Stolz hat das Flüchtlingsheim in Friedersdorf zu einem Vorzeigeobjekt gemacht. Jetzt ist er gestorben.

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© Bernd Kastner

Von Gabriela Lachnit

Manche Menschen hinterlassen eine besonders große Lücke, wenn sie für immer gehen. So einer war Hartmut Stolz. Seit Januar 2016 leitete der Beiersdorfer das Flüchtlingsheim in Friedersdorf. Im Dezember ist er schwer erkrankt. Am 30. Juni war seine Kraft endgültig aufgebraucht.

Hartmut Stolz hinterlässt eine Ehefrau, drei Kinder und sechs Enkel. 20 Jahre lang hat er das Hotel „Amselgrund“ in Beiersdorf geleitet. Als 2015 die Flüchtlingskrise das Oberland erreichte, fragte Hartmut Stolz beim DRK an, ob und wie er helfen könne. Er wollte sein Organisationstalent einbringen. Beim DRK, das mit dem Aufbau des Flüchtlingsheims in Friedersdorf beauftragt war, nahm man das Angebot gern an. Der Landkreis Görlitz hatte das Gebäude an der Hauptstraße gemietet. Vom ersten Tag an hat Stolz das Heim geleitet. Es war keine leichte Aufgabe, sagt Alexandra Kühnel. Sie ist eine von zwei Sozialarbeiterinnen im Flüchtlingsheim und jetzt als dessen kommissarische Leiterin eingesetzt. „Die meisten Friedersdorfer haben sich gegen das Heim gewehrt. Hartmut Stolz hat jedoch erreicht, dass die Unterkunft nach und nach akzeptiert worden ist“, sagt sie. Stolz‘s Ehefrau Regina erinnert sich: „Mein Mann hat den Friedersdorfern erklärt, dass vor allem Flüchtlingsfamilien mit Kindern ein Quartier brauchen. Er wollte, dass Ängste bei den Leuten verschwinden.“ Deshalb habe der Heimleiter vor dem Einzug der ersten Flüchtlinge in das ehemalige Hotel die Friedersdorfer zu einem Tag der offenen Tür eingeladen. Der 64-Jährige hat ihnen unter anderem gezeigt, wie „komfortabel“ es ist, wenn vier oder fünf Betten in einem Zimmer stehen, das eigentlich nur für zwei ausgelegt ist. Und er hat den Bürgern vermittelt, dass Friedersdorf den Flüchtlingen eine menschenwürdige Unterkunft, keinen Luxus, bieten will. Die meisten Friedersdorfer haben das verstanden und ihre Meinung geändert. Ablehnung ist nach und nach in Akzeptanz, und bei vielen sogar in Unterstützung für das Heim umgeschlagen.

Regina Stolz und Sohn Pierre haben gesehen, welche Freude es für den Mann und Vater war, Menschen zu helfen, die in Not sind. „Er wollte den Flüchtlingen ein kleines Zuhause geben, ihnen die Gewissheit vermitteln, dass sie in Sicherheit sind“, erzählt Pierre Stolz. Seine Mutter betont: „So war er“, und ergänzt: Viele Emotionen und Dankbarkeit habe er zurückbekommen. Immer sei er gern zur Arbeit gefahren, hat sich immer Neues ausgedacht und es mit einem motivierten Team umgesetzt. Die Heimbewohner hat der Leiter dabei einbezogen. Frau Kühnel sagt, sein Motto sei gewesen: „Wir geben immer etwas mehr“. Das haben alle im Team getan, allen voran der Leiter. Die Akzeptanz der Flüchtlinge und des Heimes in Friedersdorf ist jetzt groß. Es ist ein gegenseitiges Geben und Nehmen. Bürgermeister Matthias Lehmann (CDU) würdigt die „Top-Zusammenarbeit“ mit Hartmut Stolz. Das Miteinander habe gestimmt, er habe ihn gern unterstützt, sagt Lehmann. Der Stadtrat Neusalza-Spremberg bewilligte zum Beispiel neue Spielgeräte für das Heim. Den Spielplatz pflegen die Flüchtlinge selbst, und den Spielplatz am Altersheim in Friedersdorf noch dazu. Das Flüchtlingsheim ist eine Vorzeigeeinrichtung geworden. Davon hörte Bernd Kastner, ein Redakteur der Süddeutschen Zeitung. Im Vorjahr war er in Friedersdorf und berichtete. Er betitelte seinen Beitrag mit „Im guten Sachsen“.