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„Wir brauchen Vertrauen in die Politik“

Der Wahlerfolg der AfD bewegt den Tharandter Markus Gilak. Er wirbt dafür, die Sorgen der Menschen ernst zu nehmen.

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© Andreas Weihs

Tharandt. Mehr als ein Monat ist seit der Bundestagswahl vergangen. Noch immer sorgt der große Wahlerfolg der rechtspopulistischen Partei AfD für Aufregung, auch in Tharandt. Der 52-jährige Markus Gilak, der für die Freie Wählergemeinschaft im Stadtrat der Forststadt sitzt, meldete sich in der jüngsten Sitzung des Gremiums zu Wort und brachte seine Bedenken zum Wahlergebnis zum Ausdruck.

33,2 Prozent der Wähler in der Forststadt gaben ihre Erststimme der AfD. Immerhin noch 30,7 Prozent machten bei der Zweitstimme hier ihr Kreuz. Damit liegt Tharandt zwar noch unter den Werten umliegender Kommunen. Besonders im Ortsteil Grillenburg aber, wo sich auch eine Erstaufnahmeeinrichtung für Flüchtlinge befindet, wählten auffallend viele AfD. Der SZ erklärt Markus Gilak, was das Wahlergebnis nun für Tharandt bedeutet.

Herr Gilak, Sie haben jüngst vorm versammelten Stadtrat Ihr Entsetzen über den Wahlerfolg der AfD geäußert, warum das?

Es war mir ein persönliches Anliegen. Ehrlich, ich hatte damit gerechnet, dass die AfD Stimmen bei den Wählern holt. Aber dass das Wahlergebnis im zweistelligen Bereich teilweise mit einer Drei oder Vier beginnt, hat mich umgehauen. Diese Wahl ist einschneidend und gefährlich für unsere Gesellschaft. Und ich kann es überhaupt nicht nachvollziehen.

Warum nicht?

Sollte sich das Wahlergebnis allein auf die Flüchtlingspolitik beziehen, wäre das unverständlich. Unsere Region, eigentlich ganz Sachsen, hat im Vergleich zu anderen Städten in Westdeutschland einen viel geringeren Anteil an Ausländern oder Zuwanderern. Es geht mir nicht um den Verlust vieler Wählerstimmen der bisherigen Volksparteien, vielleicht noch nicht einmal um den 12,6-prozentigen Wahlerfolg der AfD bundesweit. Es geht um das Abschneiden der AfD in unserem Freistaat, in unserer Region. Es gibt sicher Dinge, die sind in der Flüchtlingspolitik auf Bundesebene nicht gut gelaufen. Da denken die Menschen drüber nach und wählen möglicherweise auch mal schräg. Ich würde deswegen nicht behaupten, dass alle AfD-Wähler rechtsradikal sind.

Was sind denn aus Ihrer Sicht die Gründe dafür, dass in Tharandt und der Region so viele AfD wählen?

Wenn ich das wüsste … Darüber kann ich nur mutmaßen. Sicherlich wird neben der Bundespolitik auch die Landespolitik eine Rolle gespielt haben. Bildung, Sicherheit und Ordnung sowie kommunale Finanzen gehören nun wirklich nicht zu den Erfolgsgeschichten sächsischer Politik. Um herauszufinden, warum so viele AfD wählten, ist es wichtig, mit den Menschen ins Gespräch zu kommen. Genau das sollten wir künftig verstärkt tun.

Gilt das auch für Tharandt? Als Lokalpolitiker haben Sie doch ganz andere Aufgaben und nur einen geringen Einfluss auf die Bundespolitik, oder?

Sicher ist das so. Was die Flüchtlingspolitik der Bundesregierung betrifft, haben wir Stadträte keinen Einfluss. Aber wir sind für die Menschen vor Ort die ersten Ansprechpartner. Unzufriedenheit wächst mitunter auch aus kleinen Dingen. Als Kommunalpolitiker haben wir die Aufgabe, den Leuten zuzuhören, sie mit ihren Problemen ernst zu nehmen und deren Belange, insofern wir können, im Sinne der Stadt und aller Einwohner zu unterstützen. Kommunikation fängt im Kleinen an, ebenso Veränderungen, wenn wir sie wollen.

Welche Veränderungen wünschen sich die Tharandter denn?

Ach, die Wünsche sind ganz unterschiedlich und sicher können wir auch nicht alle erfüllen. Ein Supermarkt in Kurort Hartha wird beispielsweise von vielen begrüßt. Dafür könnten wir Stadträte uns und auch die Stadtverwaltung sich stärker einsetzen. Vielleicht sollten wir einfach mal ein paar Märkte anschreiben. Vielleicht sollten wir in manchen Angelegenheiten hartnäckiger sein. Getreu dem Motto: Steter Tropfen höhlt den Stein.

… und dann wählen weniger AfD?

Das habe ich nicht gesagt. Aber es könnte dazu beitragen, dass die Zufriedenheit der Menschen wächst. Ich bin überzeugt, dass viele AfD-Wähler nicht ihr Kreuz bei dieser Partei gemacht haben, weil sie deren Wahlprogramm klasse finden. Viele kennen es sicher nicht einmal. Ich denke, viele, die ihr Kreuz bei dieser Partei gemacht haben, wollten damit zeigen, dass sie unzufrieden sind, mit der Politik auf Bundes- und Landesebene genauso wie mit vielen Dingen vor ihren Haustüren. Wenn die Menschen aber wieder zu spüren bekommen, dass sie mit ihren Sorgen ernst genommen werden und auf unterster Ebene etwas passiert, könnte sich vielleicht auch etwas ändern.

Wie wollen Sie künftig die Interessen der Tharandter besser vertreten?

Wie gesagt, wichtig ist es, ins Gespräch zu kommen. Es ist nicht so, dass wir das in Tharandt nie getan hätten. Als die ersten Flüchtlinge nach Tharandt und Grillenburg kamen, hat der Integrationsrat eine super Arbeit geleistet. Und ich bin froh, dass das Miteinander so gut lief und auch immer noch läuft.

Vielleicht hat die AfD in Tharandt deshalb aufs Umland betrachtet, verhältnismäßig moderat abgeschnitten?

Das kann ich nicht beurteilen. Ich werde meiner Fraktion den Vorschlag machen, öffentliche Gesprächsrunden zu initiieren. Zum einen erfahren wir so vielleicht eher, was die Menschen bewegt und was wir noch verbessern können. Zum anderen ist es auch eine Möglichkeit, über die AfD-Politik aufzuklären und diese zu entlarven als das, was sie ist: Eine Partei, die in den letzten Monaten nur dadurch aufgefallen ist, sich mit einem völlig verrohten rechtsextremen Wortschatz an das Wahlvolk zu wenden, um auf diese Art und Weise Finger in vermeintliche Wunden zu stecken ohne für Lösungen nur den leisesten Ansatz zu haben. Die AfD hat an die Gefühle der Wähler appelliert, nicht an deren Verstand. Die Menschen müssen wieder Vertrauen in die Politik haben. Aber andersrum müssen die Politiker die Menschen mit ihren Sorgen auch ernst nehmen. Dort können wir ansetzen.

Das Gespräch führte Verena Schulenburg.