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„Wir brauchen keinen Mundschutz“

Die Geschäftsführung von Schaumaplast will sich nicht abschotten, sondern aufklären.

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© Claudia Hübschmann

Nossen. Rein rechtlich müsste nicht mehr diskutiert werden. Dem Kaufvertrag für den späteren Bau einer Lagerhalle und einer weiteren Halle für die Verarbeitung von Styroporteilen für Verpackungen, Dämmmaterialien oder die verarbeitende Industrie, hat die Stadt Nossen zugestimmt. Schaumaplast-Geschäftsführer Bernhard Hauck hätte den Kaufvertrag bereits unterschreiben sollen – eigentlich. Weil Anwohner aber seit Wochen dagegen auf die Barrikaden gehen, wurde die Unterzeichnung zunächst aufgeschoben. Vor allem die in der Nähe des Gewerbegebiets Wohnenden fürchten Lärm, stärkere Geruchsbelästigung und bezweifeln, dass bei der Produktion auf dem Werksgelände in Augustusberg keine gesundheitsschädigenden Stoffe freigesetzt werden. Warum diese Zweifel unbegründet sein sollen, was bei Schaumaplast wie verarbeitet wird und warum eine Vergrößerung zukunftsentscheidend für den Betrieb ist, sagt Bernhard Hauck im Interview mit der SZ. Außerdem spricht er über gewollte Transparenz und wie es jetzt weitergehen soll.

Bernhard Hauck, Geschäftsführer Schaumaplast GmbH
Bernhard Hauck, Geschäftsführer Schaumaplast GmbH

Herr Hauck, tragen Ihre 90 Mitarbeiter in Nossen eigentlich alle Mundschutz?

Natürlich nicht. Dafür gibt es keinen Grund. Es sollte einmal klar gesagt werden: Wir produzieren hier keine EPS-Rohstoffe (expandierbares Polystrol), sondern verarbeiten ein Styropor-Granulat mithilfe von Wasserdampf. Durch den Dampf ploppen kleine Perlen, aus denen das Granulat besteht, auf und werden anschließend in Formteilen verpresst. Eine Gesundheitsgefährdung besteht in keiner Weise. Weder in unseren Hallen für die Mitarbeiter noch für die Anwohner draußen.

Aber es werden doch Flammschutzmittel eingesetzt und das Nervengift Pentan bei der Verarbeitung freigesetzt?

Nein. Zunächst ist Pentan kein Nervengift, sondern ein Treibmittel, das im täglichen Leben oft eingesetzt wird. In seiner Reinform ist es flüssig. Bei uns ist es zu sehr geringen Teilen als Gas in den kleinen Granulat-Perlen enthalten. In der Luft zersetzt sich Pentan in Wasser und Kohlenstoffdioxid. Ich weiß nicht, wie einige Bürger darauf kommen, dass sich Pentan am Boden festsetzt. Das ist faktisch falsch. Wir messen regelmäßig selbst und überprüfen den Pentan-Gehalt. Die Sicherheit unserer Mitarbeiter wird außerdem genau und häufig durch die Berufsgenossenschaft überprüft. Und zum Flammschutzmittel: Wir garantieren seit Jahren EPS-Produkte, in denen keine sogenannten HBCD-Flammschutzmittel enthalten sind. Sie sind dadurch regulär recycelbar und für den Endverbraucher völlig unbedenklich.

Und was ist mit dem Grundstoff Styrol? Welche Eigenschaften hat es und wo kommt es her?

Styrol ist ein Kohlenwasserstoff, der von unseren Zulieferern eingesetzt wird, um das Rohgranulat herzustellen. Wir verarbeiten das fertige Granulat mit Wasserdampf weiter. Dabei entstehen potenziell auch schädliche Stoffe, aber in so geringen Mengen, dass keine Gesundheitsgefahr besteht. Auch hier wird immer wieder überprüft, dass vorgeschriebene Grenzwerte eingehalten werden. Das Rohgranulat erhalten wir von europäischen und deutschen Herstellern. Wir könnten es woanders auch preiswerter bekommen, aber hier wissen wir, was drin ist. Wir sind dazu verpflichtet, unsere Kunden über jegliches Material Auskunft geben zu können, welches bei uns angeliefert wird.

Trotzdem gibt es viele Diskussionen. Könnten Sie nicht einfach auf die angestrebte Erweiterung verzichten?

Wenn wir uns nicht erweitern, sind wir bald nicht mehr wettbewerbsfähig. Dann stehen der Standort Nossen und somit auch Arbeitsplätze auf dem Spiel.

Warum? Erläutern Sie das bitte.

Wir haben zum einen zu wenig Platz, um unsere Produkte zu veredeln. Momentan müssen wir vielfach fertige Teile zu Dienstleistern fahren, die diese für uns portionieren. Das kostet Geld wegen der Dienstleister und wegen des Weges, weil wir es nicht vor Ort machen können. Zum anderen brauchen wir mehr Lagermöglichkeiten, da wir oft mit sehr großen Endprodukten arbeiten. Wenn wir alles lassen, wie es ist, können wir am Markt nicht mehr bestehen. Dann müssten wir Teile der Produktion auslagern, etwa ins Ausland. Das wollen wir nicht. In diesem Zusammenhang möchte ich betonen: Wir werden nach der möglichen Erweiterung nicht anders produzieren als bisher.

Aber es werden mehr Lkw fahren, die Lärm machen. Oder nicht?

Bei allem Verständnis für die Anwohner. Wir befinden uns in einem Gewerbegebiet, wo natürlich auch Lkw fahren. Aber hier kommen längst nicht die meisten zu uns. Am Tag sind es vielleicht sieben bis zehn Stück. Das wird sich nicht schlagartig erhöhen, auch nach einer Erweiterung.

Warum haben Sie nicht einfach den Kaufvertrag unterschrieben?

Weil wir zeigen wollen, dass wir nicht interessiert sind, schnell für vollendete Tatsachen zu sorgen. Wir suchen das Gespräch nach allen Seiten. Damit haben wir schon begonnen, mit Mitarbeitern des Landkreises und vom Umweltamt gesprochen. Die können hier bei uns vorbeikommen, jederzeit auch ohne vorherige Anmeldung.

Welches Angebot machen Sie den Bürgern, um ihnen Ängste zu nehmen?

Wir wollen durch die Rückstellung des Vertrages zeigen, dass wir nicht mit dem Kopf durch die Wand wollen. Wir möchten unbedingt weiter aufklären, sind für die Fragen der Bürger erreichbar. Auch ein Vor-Ort-Termin ist denkbar.

Den hatte es vor vier Jahren schon mal gegeben. Trotzdem kocht jetzt vieles wieder hoch.

Darum wollen wir, wenn möglich, noch weiter gehen. In den nächsten Wochen sitzen ich und der Betriebsleiter noch mal mit Vertretern der Stadt und des Umweltamtes zusammen. Wir versuchen, vor Vertragsunterschrift eine technische Lösung zu finden. Vielleicht gibt es noch Möglichkeiten, wie wir noch transparenter werden können.

Bis wann muss eine Entscheidung her?

Wir sollten schon bis Ende Oktober, Mitte November wissen, wie es weiter geht. Bis dahin hoffen wir, dass wir viele Bürger überzeugen können, dass von uns keine Gesundheitsgefahr ausgeht.

Dabei würden unabhängige Schadstoff-Messungen sicher helfen, oder?

Ja klar. Nur ist es so, dass die bei uns stattfindende Verarbeitung von EPS vom Gesetzgeber nicht als gefährlich eingestuft wird. Es wäre etwas anderes, wenn wir EPS-Rohgranulat selbst produzieren würden, tun wir aber nicht. Wenn aber das Umweltamt Messungen durchführen lassen möchte, wäre das für uns kein Problem. Aber wer soll das bezahlen, wo es doch gesetzlich gar keine Notwendigkeit gibt?

Das Gespräch führte: Marcus Herrmann