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Willkommen in der Kältekammer

Nicht zum Aushalten! Dass es in Rio erst im Februar so richtig heiß wird, hat nicht nur mit dem Karneval zu tun, schreibt Tino Meyer in seinem Tagebuch aus der Olympiastadt.

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© Tino Meyer

Tino Meyer

Der Tag hatte verheißungsvoll angefangen - mit Betonung auf heiß. Endlich weniger Wind, mehr Wärme, endlich praller Sonnenschein. Eben genau so, wie man sich Rio de Janeiro gemeinhin vorstellt. Wobei das natürlich ziemlich naiv gedacht ist, schließlich befindet sich Brasilien momentan mitten im Winter, also dem südamerikanischen. Deshalb ist es hier kurz vor 19 Uhr auch schon stockdunkel.

Dass diese Olympischen Sommerspiele jetzt stattfinden, ist trotzdem nicht schlimm. Ganz im Gegenteil, meint Wasserspringer Patrick Hausding. Als er zuletzt im März bei einem Wettkampf in Rio war, sei es nämlich nicht zum Aushalten gewesen. Von unmenschlicher Hitze berichtet der Berliner, das heißt 30 Grad Celsius Minimum mit einer Luftfeuchtigkeit von bis zu 90 Prozent selbst an kühlen Tagen. Und er hat beobachtet, dass die Einheimischen mit den steigenden Temperaturen in ihrem Tun immer langsamer, gemächlicher und entspannter werden. Das klingt logisch, nur will man sich das beim besten Willen nicht vorstellen. Noch langsamer, gemächlicher, entspannter! Geht das überhaupt?

Dann doch lieber die olympische Gegenwart genießen - und die manchmal schwer zu begreifenden Wartezeiten am Bus oder auch an der Kasse in der kleinen Cafeteria genau gegenüber meiner Olympia-WG einfach lieben lernen. Easy sein, locker und leicht, nur keinen Stress - ommmmmmm. Zwischenfazit nach einer knappen Woche: so gewöhnungsbedürftig wie das Wetter nach der Ankunft. Die milden 21, 22 Grad Celsius der vergangenen (Winter-)Tage haben allerdings einen entscheidenden Vorteil. Den Mücken, ob nun auf Zika unterwegs oder nicht, ist das eindeutig zu frisch. Und zugegeben, mir eigentlich auch. Geht das so weiter, geht vor allem die Klamottenplanung nicht auf. Zwei lange Hosen im Koffer und vier kurze, dazu Unmengen T-Shirts, aber nur zwei Sweater - das stinkt irgendwann zum Himmel.

Doch von dort kommt ja nun die Erlösung, wenngleich die angesichts eines Monatsdurchschnitts von 23, 24 Grad wohl nicht lange anhält. Pünktlich zum Olympia-Auftakt am Samstag hatte jedenfalls die kurze Blaue Premiere und mit ihr die Sonnencreme. Hat sich herrlich angefühlt, im Laufe des Tages aber bitterböse gerächt. Oder besser gesagt: eisekalt.

Die Klimaanlage im Taxi regelt der Fahrer ja noch auf Wunsch nach oben, allerdings sichtlich unvergnügt. Und im Bus, der für den Weg zurück vom Beachvolleyball an der Copacabana zum Schwimmen im Olympiapark diesmal sicher ausnahmsweise fast eine geschlagene Stunde auf sich warten lässt, hilft das notdürftig um den Hals drapierte Tuch. Die Temperatur im Medienarbeitsraum neben dem Olympic Aquatics Stadium ist es dann aber wirklich eine echte Verfrorenheit. 15 Grad sollen es sein, fühlen sich aber an wie 10, allerhöchstens. Willkommen in der Kältekammer Rios.

Kollegen sitzen mit Jacke und ausgesetzter Kapuze hinter ihren Laptops, reiben sich die Arme und wackeln mit den Knien. Ich protestiere - umsonst. Für die Klimaanlage fühlt sich niemand zuständig. Warum auch? Wer´s warm haben will, gibt Helferin im Poloshirt mit warmem Grinsen zu verstehen, kann ja vor die Tür gehen - wenn nicht vorher schon vor die Hunde. Entscheide mich für ersteres und laufe nach Hause. Genug gewartet für heute.

›› Tino Meyers Olympia-Tagebuch aus Rio