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Wilandes-Chor gefeiert

Die Wilsdruffer eröffneten mit Stern Meißen das Artrock-Festival. Es soll nicht der einzige gemeinsame Auftritt bleiben.

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© Thomas Morgenroth

Von Thomas Morgenroth

Wilsdruff. Auf der Autobahn in die Hölle, und das mit Jubel und Gejohle: Der Wilandes-Chor Wilsdruff beendete am Freitagabend sein Gastspiel beim Artrock-Festival im Neuberinhaus in Reichenbach im Vogtland mit einem vom Publikum gefeierten Foyerkonzert. Neben Rock’n’Roll-Klassikern, etwa „Tutti Frutti“ von Little Richard, bei dem Helmar Federowski, der 70-jährige Leiter des Chores, am elektrischen Klavier stilecht sein rechtes Bein auf die Tasten schwang, sangen die vierzig Männer und Frauen auch handfesten Hardrock wie „Smoke On The Water“ von Deep Purple und eben „Highway To Hell“ von AC/DC.

Wenige Minuten davor war im großen Saal einer der bedeutendsten Auftritte des Ensembles in seiner vierzehnjährigen Vereinsgeschichte zu Ende gegangen. Rund 600 Gäste, darunter Fans der kunstvollen Rockmusik aus Tschechien, Finnland, den USA und Australien, feierten die Aufführung der „Bilder einer Ausstellung“ von Modest Mussorgski als Rocksinfonie mit dem Leipziger Symphonieorchester, der Stern-Combo Meißen und dem Wilandes-Chor Wilsdruff. Die einhundert Musiker und Sänger, die erst beim Soundcheck am Nachmittag das erste Mal überhaupt zusammen probten, überzeugten mit einer außergewöhnlichen Version des vielfach bearbeiteten klassischen Werkes, ergänzt um die sinfonische Dichtung „Eine Nacht auf dem kahlen Berge“.

Viel Lob von den Profis

Das von älteren Semestern dominierte Publikum erlebte in anderthalb Stunden eine musikalische Achterbahnfahrt, arrangiert und geleitet von Stephan König. Der Musiker, Komponist und Dirigent hat in dem Auftragswerk Klassik, Rock, Jazz, Sologesang und gemischten Chor zu einem expressiven Klanggemälde vereint, das am Freitag nach der Uraufführung im Juni 2015 erst zum zweiten Mal überhaupt live zu erleben war. Orchester und Band, die auch mal ordentlich rockte und mit Soloeinlagen, vor allem des Schlagzeugers Frank Schirmer mit einer Bananen-Rassel, für Abwechslung und Erheiterung sorgte, spielten sich leichtfüßig die Bälle zu. Gelegentlich griff König als Pianist selbst in die Tasten und setzte jazzige Akzente.

Manchem Gast lief nicht nur einmal eine Gänsehaut über den Rücken, vor allem, wenn Manuel Schmid mit glockenhellem Tenor seine hochpoetischen deutschsprachigen Texte zu den musikalisch beschriebenen Bildern sang. „Heute war alles viel runder als beim ersten Mal in Grimma“, sagte er gut gelaunt nach dem Konzert. Der 32 Jahre junge Sänger der Stern-Combo, der ein großer Liebhaber des Kunstrocks der DDR ist, lobte ausdrücklich den Chor wegen seiner „vielfältigen Stimmfarben“. Auch König zeigte sich trotz der etwas beengten Verhältnisse auf der Bühne hochzufrieden mit dem Ergebnis und hofft darauf, dass nicht erst wieder Jahre bis zur nächsten Aufführung vergehen.

Da rennt der 53-jährige Leipziger offene Türen ein. „Wir wollen in dieser Konstellation viele Konzerte geben“, sagte Martin Schreier, Chef und Gründungsmitglied von Stern Meißen. Die Band, die es seit 1964 gibt, spielte schon in den Siebzigerjahren Mussorgskis Kompositionen in Rockversionen. „Für diese Musik gibt es eine Nische“, ist sich der 69-Jährige sicher. Ihm schwebt zum Beispiel der Theaterplatz vor der Semperoper als Auftrittsort vor, König hingegen würde den Kulturpalast bevorzugen. Beide aber betonen, dass an der Besetzung nichts geändert werden soll, auch der Wilandes-Chor ist ihre erste Wahl.

Das hört Helmar Federowski natürlich gerne, der mit seinem Ensemble zum ersten Mal eine Rockband begleitete. Irgendwie schloss sich damit am Freitag der Kreis: Federowski ist mit Stern Meißen seit Jahrzehnten verbunden, er hat als Tonmeister der DDR-Plattenfirma Amiga die ersten drei wegweisenden Alben der Band aufgenommen. Die Combo gehört auch seit jeher zu den Favoriten von Gunter Dreßler, der als Schriftführer im Vereinsvorstand den Kontakt zwischen dem Wilandes-Chor und dem Veranstalter Uwe Treitinger hergestellt hatte. Und natürlich aufgeregt, aber auch glücklich mit auf der Bühne stand. „Es war ein großartiges Erlebnis“, sagte der 53-jährige Grumbacher.

Aus Freude über den gelungenen Auftritt rockten die zwischen 16 und 70 Jahre alten Sängerinnen und Sänger bei ihrer Zugabe im Foyer so locker wie selten nicht. Ihre gute Laune übertrug sich auf das Publikum, das zwischen Bierstand und Treppenaufgängen besonders ausgelassen klatschte und tanzte, als der Wilandes-Chor temporeich zu einer Reise in die Hölle einlud.

Die nächsten Auftritte des Wilandes-Chores: 20. Mai, Coswiger Musikmeile; 4. Juni, Schloss Burgk in Freital.

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