Merken

Wiese betreten verboten

Respektlos laufen viele durch blühende Flächen im Großen Garten und auf der Hauptstraße. Bitten helfen selten.

Teilen
Folgen
NEU!
© SZ

Von Kay Haufe

Frithjof Pitzschel erkennt die Trampeltiere schon von Weitem. Zunächst umrunden sie die Krokus- und Winterlingwiese im Großen Garten, dann pirschen sie sich an eine bestimmte Blüte heran. Immer weiter in die blühende Wiese hinein. „Manchmal gehe ich hin und bitte den Betreffenden, den Bereich zu verlassen. Denn er zerstört dabei Dutzende Pflanzen.“ Doch dafür erntet der Bereichsleiter Gärten beim Schlösserland Sachsen oft nur Unverständnis, manchmal sogar böse Erwiderungen. „Am schlimmsten sind diejenigen, die sich mit ihrer Liebsten, den Kindern oder sonst wem mitten in die blühende Pracht setzen“, sagt Pitzschel.

Mit seinem Unmut ist er nicht allein. Als die Sächsische Zeitung ein Foto von einer Frau inmitten der Krokusse abdruckt, empören sich viele Leser darüber. „Dieses Bild ... wird die Hemmungen vieler Zeitgenossen noch mehr schwinden lassen“, schreibt ein Dresdner dazu. Andere fragen, weshalb es toleriert wird, dass Wiesen „zerlatscht“ werden.

Ein Krokus steht nicht wieder auf, wenn er einmal umgetreten ist, weiß Pitzschel. „Die Blüte liegt dann am Boden und verwelkt schnell. Ich weiß, dass viele glauben, den Frühblühern mache ein Tritt nichts aus. Doch das ist Unfug“, sagt der Gartenfachmann. Seit die Krokuswiese nahe der Querallee in den 1970er-Jahren angelegt wurde, erfreut sie sich jeden Frühling großer Beliebtheit. Ab den ersten warmen Tagen pilgern die Dresdner scharenweise in den Großen Garten, um sich an der Blütenwiese in Lila und Gelb sattzusehen. „Wir müssen aber in den letzten Jahren feststellen, dass der Respekt vor den Pflanzen und der Arbeit der Gärtner abnimmt“, sagt Frithjof Pitzschel.

Zwar ist regelmäßig ein Wachschutz im Großen Garten unterwegs, um Beschädigungen zu vermeiden und zu unterbinden. Und auch die 16 Gärtner des Parks sprechen immer wieder Leute an, sich bitte nicht mitten in die Wiese zu stellen. „Doch wir müssten unsere gesamte Arbeitszeit investieren, um Unvernünftige vom Blumenzertrampeln abzuhalten. Das geht nicht“, sagt Pitzschel. Für ihn hat es den Anschein, dass die Dresdner den Großen Garten als ihr Eigentum betrachten. Doch darin gelten klare Regeln. Das Betreten der Rasenflächen ist tabu. „Wir dulden es auf der sogenannten Drachenwiese. Letztlich ist der Erhalt der historischen Gartenanlage aber wichtiger als das Erholungsbedürfnis der Dresdner“, sagt Pitzschel.

Die Krokuswiese wird nun auf ganz natürliche Weise von Tag zu Tag blasser, das Blattgrün schiebt sich immer mehr durch. Pflege benötigen die Frühblüher nicht. Sie vermehren sich durch die Bildung von Tochterzwiebeln selbst. So wird die blühende Wiese Jahr für Jahr schöner.

Gleiches gilt für die Krokuswiese auf der Hauptstraße. Doch auch dort registriert das Amt für Stadtgrün Schäden. „Überall dort, wo sich derzeit Farbe in Form von Blüten zeigt, wollen die Menschen ganz dicht ran“, sagt Stadtsprecher Karl Schuricht. Problematisch sei vor allem die Zeit vor der Blüte, wenn Leute versehentlich oder beim Bestaunen der Winterlinge die gerade sprießenden Narzissen niedertreten. „Die Auswirkungen halten sich aber in Grenzen bei den dauerhaften Flächen wie auf der Hauptstraße, da die Pflanze den Schaden übersteht und im nächsten Jahr wieder blühen kann“, so Schuricht. Jedoch sei im laufenden Jahr die Vermehrung gestört.

Auch vor Kübeln, in denen Frühlingsblumen blühen, machen einige nicht halt. Ganze Sträuße von Tulpen und Narzissen würden abgepflückt, weiß das Amt für Stadtgrün. Und auch ganze Pflanzen werden gern herausgezogen und mitgenommen. „Problematisch ist dabei weniger der materielle, sondern der ästhetische Verlust sowie der Aufwand für das Nachpflanzen“, sagt Schuricht. Auch Schlösserland hat mit Diebstahl zu kämpfen. „In den Schmuckbeeten vor dem Palais im Großen Garten verschwinden hin und wieder Pflanzen. Auch im Pillnitzer Schlosspark kommt das vor“, sagt Frithjof Pitzschel. In diesen Bereichen traue sich aber kaum ein Besucher direkt auf die Beete.

Für rund 80 000 Euro kann das Amt für Stadtgrün in diesem und nächsten Jahr Pflanzen kaufen. Hinzu kommen noch rund 10 000 Euro für Saatgut, Stecklinge und Zwiebeln, die der städtische Regiebetrieb zentrale Dienste stadtweit einpflanzt . Der Teil der Frühjahrspflanzung, der sich zum Verwildern eignet, wird in ausgesuchten Rasenflächen nachgenutzt. Krokusse gehören allerdings nicht dazu. Sie werden gezielt zum Verwildern gekauft und ausgebracht. Neben der Hauptstraße ist die Bürgerwiese zwischen Rathaus und Zoo ein Schwerpunkt für Frühblüher. Darüber hinaus gibt es in vielen Grünanlagen Frühjahrsblüher. Einerseits durch Selbstaussaat oder gezielt durch den Eigentümer oder Bürger eingepflanzt.