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Wiedersehen im (Un)ruhestand

Mit Dr. Rainer Kluge geht der dienstälteste Chefarzt des Malteser Krankenhauses St. Johannes in Rente. Kann das sein?

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© Matthias Schumann

Von Frank Oehl

Kamenz. Es gibt Momente, die bis zuletzt undenkbar schienen. So ähnlich ist es mit dem Abschied des dienstältesten Chefarztes des Malteser Krankenhauses St. Johannes in Kamenz. Am Freitag hatte er seinen letzten Arbeitstag, und mancher wird sich in den nächsten Tagen fragen, ob dies wirklich wahr ist. Denn Dr. Rainer Kluge war seit 1982 in der Geburtshilfe der Einrichtung tätig. Zunächst als Oberarzt in Räckelwitz, seit 2003 Chefarzt im neuerrichteten Klinikum in Kamenz-Wiesa. In all den Jahren prägte der engagierte Mediziner das Bild der hiesigen Gynäkologie und Geburtshilfe maßgeblich mit. Mit Disziplin, Ruhe und Bescheidenheit, die offenbar preußische Tugenden sind. „Chefarzt Johann Schurk war ein ausgezeichneter Lehrer, und ich konnte mich immer auf meine Mitarbeiter verlassen. Das war entscheidend. Gute Arbeit kann man schließlich nur mit einer guten Mannschaft leisten.“

Was freilich auch das persönliche Vorbild einschließt. Dr. Kluge war wegen seiner Omnipräsenz und seines überaus freundlich-kompetenten Umganges mit den in seiner Abteilung betreuten Frauen und Familien stets hoch geschätzt. Auch diese enge Arzt-Patienten-Verhältnis hat zum überaus guten Ruf der Abteilung weit über Kamenz hinaus beigetragen – übrigens auch in diversen Klinikvergleichen der SZ in den letzten Jahren. Vor allem die natürliche Geburt war ein wichtiges Aushängeschild, das durchaus auch an die Grundüberzeugungen des aus Cottbus stammenden Katholiken anknüpfte. Sie führten ihn ja schließlich erst nach Räckelwitz und später nach Kamenz.

Eine Nische gesucht

Nach dem Abitur 1969 konnte er an der Humboldt-Uni in Berlin sofort mit dem Medizinstudium beginnen, was durchaus ein glücklicher Umstand war, wie er heute einschätzt. „Sogar die NVA ist mit erspart geblieben. Ich weiß bis heute nicht, wieso?“ 1974 begann er seine Facharztausbildung an einer Poliklinik in Lauchhammer. „Ich wollte Allgemeinarzt werden, aber am dortigen Krankenhause wurden händeringend Gynäkologen gesucht. Man hat mich also abgeworben.“ Den Schritt hat der Mediziner später nie bereut. Nach der Facharztprüfung 1979 wurde er zügig Oberarzt in Lauchhammer, bevor er 1982 nach Räckelwitz wechselte. Wieso das? „Ich hatte zunehmend Probleme mit der sehr liberalen Praxis der Schwangerschaftsabbrüche und mir eine Nische gesucht.“ Die gab es in der Geburtsklinik in Räckelwitz, die damals von der Caritas geführt wurde. „Die kirchliche Trägerschaft war auch hilfreich in technischen Fragen.“ So gab es dort bereits eine Ultraschalldiagnostik, die man in volkseigenen Krankenhäusern noch nicht hatte. „Wir waren eine Klasse besser ausgestattet als das DDR-Durchschnittsniveau.“ Davon profitierten vor allem die werdenden Mütter und deren Familien in der Region. Die hohe Qualität wurde auch mit der Neuaktivierung der Malteserträgerschaft nach der Wende gesichert – und mit dem Neubau des Krankenhauses St. Johannes gehörten schließlich auch die räumlichen Defizite der beiden Häuser in Kamenz, das 1994 übernommen wurde, und Räckelwitz ab der Jahrtausendwende der Vergangenheit an. „Das war ein Quantensprung für uns.“

Mit Wehmut Abschied genommen

Am Freitag wurde Dr. Kluge nun offiziell aus dem Krankenhaus verabschiedet. Das war auf beiden Seiten schon mit etwas Wehmut verbunden. „Ich bleibe meinem Beruf aber weiter verbunden“, sagt der bald 66-Jährige. Zum Beispiel in der von ihm mit aufgebauten Gutachterstelle für Arzthaftpflichtfragen in der Landesärztekammer, die sich unter anderem mit möglichen ärztlichen (Kunst)-Fehlern beschäftigt. Außerdem wir das St. Johannes weiter auf seinen Rat und seine Hilfe zählen können, „wenn es gewünscht wird“. Ansonsten aber sollen endlich Familie, Haus und Hof in Miltitz im Mittelpunkt stehen, die allzu oft viel zu kurz gekommen sind. Und das Fernweh – zum Beispiel nach Afrika oder Kanada. Und da wäre da noch ein ganz besonderer Wunsch: „Ich habe 1977, als die Familiengründung wichtiger war, mein Motorrad in die Ecke gestellt. Jetzt ist es Zeit, sich endlich ein neues anzuschaffen.“