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Wiedergeburt im Lego-Lager

Kunden in 50 Ländern versorgt Christoph Blödner mit handsortierten, gebrauchten Lego-Bausätzen. Eine halbe Million Umsatz hat ihm das gebracht.

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Von Nadja Laske

Es raschelt. Lauter als das Geräusch, das sonntagmorgens durch die Wand zum Kinderzimmer dringt. Das sind keine kleinen Finger, die in Legosteinen kramen. Sondern die von Erwachsenen – sie wühlen sich durch Plastiksteinschuttmengen in großen Ikea-Kisten. Nicht zur hellen Freude, sondern für Geld.

Die Helfer gehen Christoph Blödner zur Hand. Er braucht viele davon, um sein wohl sortiertes Geschäft am Laufen zu halten: der Handel mit ausgedienten großen und kleinen, hohen und flachen, schmalen und breiten, geraden und gebogenen Bauklötzchen in Blau, Gelb, Rot und Weiß. Sie schlummern in durchsichtigen Boxen, in Kistchen, Pappschächtelchen und Plastiktüten, akribisch aufgereiht in wandhohen Regalen auf rund 400 Quadratmetern Arbeits- und Lagerfläche. Etwa 12.000 verschiedenfarbige Varianten von 2.400 Grundsteinen liegen sortiert in Kartons, mit Typennummer und Foto versehen, und warten auf ihren Weiterverkauf. Rund eine halbe Million Euro Umsatz haben sie Christoph Blödner vergangenes Jahr beschert.

Steine in der Waschmaschine

Angefangen hat der 29-Jährige vor sechs Jahren. Da steckte er noch mitten in seinem Studium des Wirtschaftsingenieurwesens an der TU Dresden und war knapp bei Kasse. „Im Keller stand noch eine Kiste mit den Legosteinen aus meiner Kindheit, die wollte ich eigentlich nie hergeben“, erzählt Christoph. Wenigstens die alten Bausätze noch einmal zusammenpuzzeln, das ließ er sich nicht nehmen, zumal er auf Ebay eine Entdeckung gemacht hatte: ein Sammelsurium an Legosteinen brachte beim Verkauf viel weniger ein als sauber sortierte Legoschlösser, Motorräder, Schnellboote oder Pirateninseln. Blödner bot seine Legosätze an und machte mit den knapp 15Kilogramm Gestein 500 Euro.

Das lockte ihn auf eine Spur: „Ich wollte mich unbedingt selbstständig machen und hatte sowieso nach einer Geschäftsidee gesucht.“ Seine berufliche Zukunft ging Christoph Blödner so strukturiert an, wie heute seine Firma funktioniert. Der Handel mit Secondhand-Lego erschien ihm lukrativ. So ersteigerte er die ersten 100Kilo Legosteine und richtete sich in einem kleinen Zimmer eine Sortierstrecke ein. Zuerst fummelte er grob Räder, Brücken, Platten, Figuren und Basissteine aus der Menge. Dann füllte er sie in Wäschesäcke und wusch sie in der Waschmaschine. Ausgebreitet auf Handtüchern, ließ er sie trocknen, bevor er sie weiter und immer feiner sortierte – jetzt nach Formen, Farben und Größen. Der Ablauf ist bis heute geblieben, nur sehr viel effektiver geworden. Christoph Blödner hat seine Firma bricksy.com gegründet und sie stetig ausgebaut. Schließlich musste Christoph Blödner immer mehr Steine unter Dach und Fach bringen. Großes Ziel ist es, die Teile nach der Anleitung eines Legobausatzes neu zusammenzustellen, die Einzelteile samt dazugehörigem Heft in Plastiktüten zu verpacken und zum Festpreis auf der Internetplattform ebay oder unter www.bricklink.com zu verkaufen. Je nach Seltenheitswert bringen sie dort mehr oder weniger als der einstige Neupreis. Basissteine, die zuhauf übrig bleiben, stellt Christoph zu eigenen kleinen Bausätzen zusammen oder er verkauft sie einzeln zum Centpreisen im Internet. An- und Verkauf aber übernimmt er nur für Legoprodukte aus den Jahren von 1970 bis 2003. Ob die Angebote im Netz aus dieser Zeit stammen, das erkennt Christoph Blödner auf den Fotos inzwischen ziemlich sicher an typischen Teilen der entsprechenden Serien.

Einen Kindertraum zum Beruf gemacht? Dazu kann Christoph Blödner nur lächeln: „Ab der fünften Stunde Sortierarbeit macht das keinen Spaß mehr“, sagt er. Trotzdem sind die Schüler- und Studentenjobs bei ihm heiß begehrt. Drei fest angestellte Mitarbeiter hat der junge Unternehmen, inzwischen und 40Hilfskräfte. Bis zu zwölf gleichzeitig stehen bei lauter Rock- und Popmusik an Arbeitsplätzen und versenken ihre Hände in den Lego-Schütten. Am Sonntag erst hat Blödner für 2000Euro neue alte Steine aufgekauft, bald werden sie in Dresden eintreffen und auf den Sortiertischen landen.

Kunden im Sultanat Brunei

Der Chef selbst hat kaum noch Zeit, selbst Teile zu sortieren. Er rückt Regale. Denn zu den bisherigen 240Quadratmetern Geschäftsraum hat er erst kürzlich Kellerräume angemietet, um all die versandfertige Ware horten zu können.

Konkurrenz kennt Blödner kaum, jedenfalls nicht in annähernd großem Stil. In etwa 50verschiedene Länder liefert er Lego aus zweiter Hand. „Rund 60Prozent meines Umsatzes mache ich im Ausland“, sagt er und klickt am Computer seine Bestelllisten auf. Deutschland führt sie an, es folgen die USA. Nachfrage aus Brasilien, den Vereinigten Arabischen Emiraten und sogar aus dem asiatischen Sultanat Brunei erreichen ihn. Die meisten Käufer sind Sammler. „Manche ordern ausschließlich braune Steine oder rote.“ Woran sie bauen, wird Christoph nicht erfahren. Er liefert – Hauptsache, aus zahllosen Kinderzimmern werden regelmäßig Legosteine ausrangiert.