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Wieder Warten beim Kinderarzt

Geduld und gute Nerven gefragt: Vorübergehend gibt es in Großenhain statt drei wieder nur zwei Kinderärztinnen.

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© Anne Hübschmann

Von Catharina Karlshaus

Großenhain. Frühes Kommen sichert beste Plätze. All jene Mütter und Väter, die sich an diesem Montagmorgen vor der Praxis von Dr. Janine Siebert in Großenhain eingefunden haben, stehen zumindest schon in vorderster Front. Dass sie noch über 20 Minuten warten müssen, bis sich die Türen öffnen? Die verschnupfte Maus an der Hand von Mama quengelt und der fiebernde Sohnemann auf dem Arm immer schwerer wird? Egal! „Hauptsache, wir haben eine Chance, bald dranzukommen“, bekennt eine 32-jährige Röderstädterin und wiegt ihr Mädchen hin und her. Gleich am ersten Tag der im November eröffneten Praxis habe sie sich hier mit ihren zwei Kindern als Patienten registrieren lassen. Eine Erleichterung, nachdem die Situation rund um Großenhain wieder deutlich angespannt ist. „Meine Freundin war seit Jahren mit ihren Söhnen in der Praxis von Frau Dr. Spargen. Seit diese nun aufgrund von Krankheit vorübergehend geschlossen ist, hat sie wirklich Mühe, woanders unterzukommen.“

Und tatsächlich: Seit April praktizieren Janine Siebert und Dr. Vera Illig wieder nur zu zweit in Großenhain. Eine Situation, die nicht nur den betroffenen Eltern bekannt vorkommen dürfte. Nach der ersatzlosen Schließung der Praxen von Ursula Lenk in Schönfeld Ende 2014 und Helga Boitz aus Nünchritz im Juni 2016, hatte sich die Lage im Januar vergangenen Jahres zusätzlich verschärft. Die beliebte Kinderärztin Rosemarie Kandzia war Ende Januar 2017 in den wohlverdienten Ruhestand gegangen. Bis zur Wiedereröffnung ihrer Praxis waren die zwei verbliebenen Medizinerinnen Christine Spargen und Vera Illig allein für die Behandlung von zahlreichen Kindern aus Großenhain, Priestewitz, Lampertswalde, Schönfeld, Ebersbach, Thiendorf, gar selbst aus Südbrandenburg und Königsbrück kommend, zuständig.

Weggeschickt wird niemand

Ein Konstrukt, das sich jetzt wieder – wenn auch in anderer Konstellation – bewähren muss. Reichlich Erfahrung mit derlei personellen Engpässen habe man ja vorzuweisen. „Natürlich ist es eine Belastungsprobe für alle Beteiligten. Aber wir passen uns der Situation an, indem wir Patienten auch mal vor der regulären Sprechzeit bestellen beziehungsweise diese hinten dranhängen“, bekennt Vera Illig. Weggeschickt werde niemand, und Kinder mit akuten Beschwerden würden selbstverständlich sowieso behandelt. Ebenso verfahren werde mit dringenden Vorsorgeuntersuchungen. All jene, bei denen zeitlich noch etwas Spielraum gegeben wäre, würden angesichts der Fülle von Patienten terminlich zurückgestellt. Doch auch wenn sich ihre Schwestern, die momentan in der Praxis tätige Assistenzärztin und nicht zuletzt sie selbst alle Mühe geben würde – ohne zu warten, ginge es gegenwärtig nicht.

Immerhin: hunderte Eltern müssen mit ihren Mädchen und Jungen vorerst auf andere Kinderärzte ausweichen. Dass sie mit einem hoch fiebernden oder sehr matten Kind zunächst in der näheren Umgebung ihr Glück versuchten, ist nachvollziehbar. Besonders im vergangenen Monat, der noch einmal mit hartnäckigen Infekten für Hochkonjunktur gesorgt habe, seien die beiden Praxen hoch frequentiert gewesen. Auch bei Janine Siebert – sonst mit einem gut funktionierenden Bestellsystem von sich reden machend – saßen die kleinen Patienten an manchen Tagen im Gang. Nicht jeder der erwachsenen Begleiter habe dafür Verständnis. „Natürlich tut es uns selbst sehr leid, wenn die ohnehin erkrankten Kinder und ihre Eltern ein oder gar zwei Stunden warten müssen! Das ist keineswegs unsere Absicht! Aber durch das zusätzliche Patientenaufkommen müssen wir jetzt wirklich um Verständnis bitten“, sagt Janine Siebert.

Verständnis, das auch die Kassenärztliche Vereinigung Sachsen (KV) bekundet. Wie ihre Sprecherin Katharina Bachmann-Bux betont, wisse man natürlich um die gegenwärtige Lage in Großenhain. Eine „Amtshilfe“ in Form einer fachärztlichen Abordnung gebe es in derlei Fällen aber nicht. Ein Vertragsarzt habe grundsätzlich nur die Möglichkeit, sich bei Krankheit vertreten zu lassen. „Die Vertretung kann zum Einen dadurch erfolgen, dass ein Facharzt in der Praxis des abwesenden Vertragsarztes tätig wird und zum Anderen in Form der sogenannten kollegialen Vertretung. Das bedeutet, dass sich der abwesende Arzt mit den umliegenden Praxen abstimmt und eine oder mehrere Praxen als Vertreter benennt“, erklärt Katharina Bachmann-Bux. So habe das auch Christine Spargen in Absprache mit ihren zwei praktizierenden Kolleginnen getan. Vera Illig und Janine Siebert, denen besonders an Montagen eine Information der KV zu denken geben dürfte: Angesichts von sieben niedergelassenen Medizinern gilt die Region mit 139,7 Prozent statistisch als kinderärztlich überversorgt.