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Wieder Teppich-Schmidt

Vom Glauben ist der Soldat des Herrn aber nicht abgefallen, ganz im Gegenteil: Holger Schmidt hat große Pläne für die Ärmsten der Stadt.

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© Claudia Hübschmann

Von Dominique Bielmeier

Meißen. Als Holger Schmidt vor rund fünf Jahren alle Filialen seiner gut laufenden Raumausstattung bis auf das Stammhaus in Meißen verkaufte, um sich Vollzeit der Heilsarmee zu widmen, da mag sich mancher gedacht haben: Schmidt, bleib’ auf dem Teppich! Nun ist der Chef zurück, löst seine Frau Regina ab, und erklärt in einem Blog-Beitrag auf seiner Webseite: „Wie ich von „Teppich Schmidt“ zum „Heilsarmee Schmidt“ wurde und wieso ich jetzt wieder „Teppich Schmidt“ bin.“

Es ist kein Text, der von Enttäuschung oder Reue spricht, stattdessen geht es um den Glauben, um Wunder und um Zeichen Gottes. „Gott sprach zu mir sehr deutlich: Verkaufe deine Firma“, schreibt Schmidt an einer Stelle. Schwere Kost für einen Ungläubigen. Meint der Firmen-Chef das wirklich so, wie er es sagt?

Schmidt lächelt milde beim Treffen in seinem Unternehmen. Er weiß, dass das, was er sagt – was er vor allem glaubt – sich seltsam anhören mag. Überall in dem großen Raum stapeln sich Berge von Teppichen und Stoffen in allen Farben, mittendrin sitzt der 46-Jährige an einem kleinen Tisch mit vier Stühlen. Noch mit geschlossenen Augen wüsste man, wo man ist, so gleich riecht es bei jedem Raumausstatter, dieser typische Duft von neuen Textilien. „Von Gott bekommt man auch eine Antwort“, sagt Schmidt und lässt seine Worte einsinken. Eine Antwort? Eine, die man ... hören kann? „Gott spricht unterschiedlich, sicher“, antwortet Schmidt. „Es ist vielleicht die seltenste Form, aber Gott spricht auch richtig laut.“

Ja, Holger Schmidt meint es wirklich so. An seinem Revers steckt ein kleines, buntes Fischchen, der Fisch-Aufkleber auf seinem ledernen Terminplaner ist schon ganz verblasst, nur die Form ist noch zu erkennen. Sein Glaube begleitet ihn schon eine ganze Weile, seine Beziehung zu Gott geht zurück auf einen Abend vor über 30 Jahren, als der junge Holger den Herrn kurzerhand herausforderte, seine Existenz zu beweisen. Und seine erste Antwort erhielt.

Als Schmidt 14 oder 15 Jahre alt war, baute er einen Unfall mit dem Moped. Er trug keine größeren Verletzungen davon, aber die Maschine war völlig zerstört. „Mein Vater hat uns sehr, sehr streng erzogen und ist bei so etwas regelmäßig ausgeflippt“, erzählt Schmidt. Zu Fuß brauchte er damals drei Stunden länger nach Hause, genug Zeit, um mit Gott zu verhandeln: „Wenn es dich gibt, dann erlebe ich nicht das übliche Donnerwetter.“

„Ich bin nach Hause gekommen – und so habe ich meinen Vater noch nie erlebt“, sagt Schmidt heute. „Er hat einfach gar nichts dazu gesagt.“ So begann die Freundschaft zwischen Holger Schmidt und Jesus Christus, eine Freundschaft, die über die Jahre nur stärker wurde. „Wunder habe ich schon sehr viele erlebt“, erzählt der Firmenchef. Die Geburt seiner drei Söhne zum Beispiel. „Für mich gibt es gar nichts anderes als an einen Schöpfer zu glauben, der das alles gemacht hat und in den Händen hält.“ Schmidt betrachtet seine eigene Hand, beugt und streckt die Finger. „Dass zum Beispiel die Gelenke so funktionieren, das kann kein Zufall sein.“

Dinosaurier, aber kein Urknall

Ein verrückter Bibelfreak ist er nicht, auch wenn er täglich im Wort Gottes liest. Die Existenz von Dinosauriern leugnet er zum Beispiel nicht. „Aber an den Urknall kann ich nicht glauben.“ Für Schmidt, der Theologie studiert hat, ist das so, als würde in einer Bibliothek eine Granate explodieren und plötzlich läge in der Mitte des Chaos’ ein Lexikon mit allem Wissen der Welt.

Wieso ist er, nachdem er fünf Jahre lang Chef der Meißner Heilsarmee war, dann wieder in seinen irdischen Beruf zurückgekehrt? Im Februar hat er sich offiziell aussegnen lassen. „Auch das ist ein Treu-sein-Wollen“, sagt Schmidt, und zwar seinem „Chef“ gegenüber. Er blickt kurz nach oben, als meine er einen Geschäftsführer, der im zweiten Stock von Teppich Schmidt sein Büro hat. Aber er spricht natürlich von einem anderen Chef, dem Chef aller Chefs sozusagen.

Diesem will er mit einem besonderen Projekt dienen, einem, das die Heilsarmee nicht mitgetragen hätte: der „Besser-leben-Hof“. Schmidt will einen Ort schaffen für Menschen, die in der Gesellschaft sonst schwer Anschluss finden, zum Beispiel Jugendliche, die auf der Straße leben. „Die kenne ich persönlich und habe sie zum Teil auch lange im Gefängnis besucht“, sagt Schmidt. Der Baustart soll im nächsten Jahr sein, das Areal dafür in Meißen hält er noch geheim.

50 bis 60 Menschen sollen neben Tieren einmal auf dem Hof leben. Hier können sie mitarbeiten, den Hof sogar mit errichten, und erleben erstmals feste Strukturen. Ein Frühstück, ein Mittagessen und Abendbrot. Einen „Hofvati“ soll es als Ansprechpartner geben. „Das muss aber nicht ich sein“, sagt Schmidt. Und natürlich wird es morgens auch eine Andacht geben – „sodass man auch Worte vom Chef bekommt“.