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Wie Zittau ein ungeliebtes Räubernest aushob

Vor 620 Jahren wurde die Burg Rohnau dem Erdboden gleichgemacht. Heute ist sie fast vergessen.

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© Sammlung H. Schwalbe

Von Heike Schwalbe

Hinko II. Berka von der Duba klingt vornehm, so wie es sich für einen Burgherrn gehört. Doch ein Feiner dürfte dieser Hinko, Burgherr von Rohnau, nicht gewesen sein. Vielmehr ein von Abenteuerlust getriebener Räuber, der die Feste um 1395 zu einem gefürchteten Raubnest ausbaute und sich mit Spießgesellen umgab. Die Sechsstädte, besonders Zittau und die Handelswege zwischen Zittau, Görlitz und Friedland waren Ziel ihrer Untaten. Sie raubten die Kaufmannsfuhren aus und erbeuteten meist Stoffe und Bierfässer. Während sie das Bier selbst tranken, wurden die Stoffe über Hehler weiterverkauft. Hinko und Konsorten nahmen Reisende gefangen und forderten für ihre Freilassung hohe Lösegelder. Wurde nicht gezahlt, mussten sie im Verlies verhungern.

Über die Untaten der Bande beklagten sich die Städte der Oberlausitz beim böhmischen König Wenzel. Der gab schließlich im Dezember 1398 den Sechsstädten, vornehmlich Zittau, in deren Vogtei die Burg lag, den Befehl zur Aushebung des Raubnestes und dessen Zerstörung. Kaum hatten das die Zittauer vernommen, versuchten sie allein einen Angriff auf die Burg. Doch der Sturm misslang, die wehrhafte Feste Rohnau war nicht im Handstreich zu nehmen. So mussten die Zittauer auf die Streitkräfte der verbündeten Städte warten. Anfang Januar im eisigkalten Winter des Jahres 1399 stand dann das Heer der Sechsstädte zum Angriff bereit. Da die Einnahme wieder nicht sofort gelang, kam es zu einer einwöchigen Belagerung. Dabei schossen die Bürger mit Armbrust und Pfeilen auf alles Bewegliche, nur einige Görlitzer verfügten bereits über Feuerbüchsen. Langsam wurden die Belagerten mürbe und ein besonders mutiger und tapferer Raubritter unvorsichtig. Er zeigte sich am Fenster, worauf ihn ein Scharfschütze mit einem gezielten Schuss tötete. Nun war der Widerstand der Räuber gebrochen, sie gaben auf. Die siegreichen Städte plünderten zuerst die Gebäude, brannten sie aus und rissen die Bauten nieder. Vermutlich hat auch das Raubgesindel keine Schonung erfahren. König Wenzel entschädigte später sogar den Markgrafen Jobst für den Verlust der Burg Rohnau mit einer Geldsumme.

Die verwitterten Rohnauer Ruinen wären wohl längst in Vergessenheit geraten, hätte sich die Stadt Zittau 1794 nicht zu ersten Ausgrabungen entschlossen. Ein Kellergewölbe wurde freigelegt und eine Armbrust ausgegraben. Hier wurde das einstige Burgverlies vermutet. Im Brunnenschacht fand man sogar Waffen, Knochenreste und Gesimse. Später wurde auf dem einstigen Burghof mit Steinen der Burg das Forsthaus als Ausflugsgaststätte erbaut.

Doch nach dem Zweiten Weltkrieg und nach Schließung des Forsthauses fiel die Ruine wieder in einen tiefen Dornröschenschlaf. Die Burg, etwa achteinhalb Kilometer nördlich von Zittau gelegen, befindet sich heute auf polnischem Territorium in Trzciniec, einem Ortsteil von Reichenau (Bogatynia). 1980 brannte die Gastwirtschaft nieder, der Wildwuchs konnte sich frei entfalten. Als Polen 2004 Mitglied der Europäischen Union wurde, entstand, finanziert durch Mittel der EU und des Landkreises Zgorzelec, eine touristische Route der frühslawischen Burgwälle und mittelalterlichen Burgen, die auch Rohnau einschließt. Ein paar Mauerreste, das Kellergewölbe, verwilderte Gräber und eine Betondecke, die den Brunnenschacht sichert, kann man noch finden. Eine Tafel erklärt den historischen Ort. Doch das Gelände ist zur Müllhalde verkommen.

Übrigens: 1399 hätte König Wenzel gern seinen Befehl zur Zerstörung von Burg Rohnau wieder zurückgenommen. Doch da war es bereits zu spät. Sonst stünde die Feste vielleicht noch heute.