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Wie weiter nach der Kohle?

Der Kreis Görlitz ist der Wirtschaftsregion Lausitz beigetreten. Sie soll helfen, einen Bruch wie nach 1990 zu verhindern.

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© André Schulze

Von Matthias Klaus

Landkreis. Der Norden des Landkreises steht vor großen Herausforderungen. Weil die Bundesregierung ihre Klimaschutzziele erreichen will, wird die Braunkohleverstromung zurückgefahren. Im Lausitzer Revier sind derzeit rund 8000 Arbeitsplätze direkt betroffen, allein bei der Leag, der Lausitz Energie Bergbau AG, im Norden des Kreises Görlitz etwa 2000. Hinzu kommen jene Unternehmen, die indirekt abhängig von der Braunkohleindustrie sind. Nach 1990 steht damit ein weiterer gravierender Strukturwandel an. Er geht weit über den Kreis Görlitz hinaus. „Deshalb brauchen wir einen einheitlichen Ansprechpartner für die gesamte Region“, sagt Landrat Bernd Lange (CDU) während der jüngsten Kreistagssitzung in Görlitz. Die Wirtschaftsregion Lausitz GmbH soll künftig dieser Ansprechpartner sein. Nun hatten die Ratsmitglieder darüber zu entscheiden, ob der Landkreis Teil der Gesellschaft wird. Sie stimmten dem Vorhaben mehrheitlich zu. Allerdings gab es auch Bedenken.

Die GmbH wird nicht komplett neu gegründet. Sie entsteht aus der Umfirmierung der brandenburgischen Energieregion Lausitz-Spreewald GmbH. Die ist in Zukunft länderübergreifend unter dem neuem Namen Wirtschaftsregion Lausitz tätig. Ihr gehören die Landkreise Spree-Neiße, Oberspreewald-Lausitz, Elbe-Elster, Dahme-Spreewald, Bautzen, Görlitz und die kreisfreie Stadt Cottbus an. Zudem sollen die Länder Sachsen und Brandenburg beteiligt werden. Die Kreise und die Stadt Cottbus bringen je 5000 Euro Stammkapital ein, Sachsen und Brandenburg je 2500 Euro.

„Mit der Gesellschaft hat die gesamte Region ein stärkeres Gewicht, unter anderem, wenn es um Ausbau- und Planungsentscheidungen geht“, sagt Heike Zettwitz, Wirtschaftsdezernentin im Landratsamt Görlitz. Vor allem die länderübergreifende Planung Sachsen-Brandenburg müsse harmonisiert werden. Als Beispiel nennt sie die B115: „Fahren Sie mal von Görlitz nach Cottbus. Man merkt, dass es zwei unterschiedliche Ausbaustände gibt.“

Generell sieht Thomas Pilz die GmbH positiv. Die Wirtschaftsregion Lausitz sei ein richtiges Signal. „Aber wir springen zu kurz“, sagt der Vorsitzende der Gruppe Bündnis90/Grüne im Kreistag. Es müssten, so findet Thomas Pilz, viel mehr Bürger, Institutionen wie etwa Kirchen, IHK eingebunden werden. Er könne sich nicht vorstellen, dass es mit einer Umfirmierung einer brandenburgischen Gesellschaft getan sei. „Wir müssen uns der Geschwindigkeit des Strukturwandels stellen, aber so gründlich wie möglich vorgehen“, sagt Pilz.

Ähnlich sieht es Kathrin Kagelmann. „Ich rate dringend zur Gelassenheit“, sagt die Kreisrätin und Landtagsabgeordnete der Linken. Sie sei überrascht, „mit welcher Selbstverständlichkeit die Lausitzrunde die Hoheit über den regionalen Strukturwandel“ übernehme. Hintergrund: Die Lausitzrunde ist ein länderübergreifendes freiwilliges Bündnis, in dem sich gewählte Bürgervertreter von der kleinen Gemeinde bis zum Landrat treffen. Sie war federführend bei der Ausarbeitung des Entwurfs zum Gesellschaftsvertrag für die Wirtschaftsregion Lausitz. „Es gibt doch viele Akteure. Die Lausitzrunde muss sich öffnen“, fordert Kathrin Kagelmann. Zudem fürchte sie „böses Blut“ im Landkreis Görlitz, da ja mehr oder weniger „nur“ der Norden vom Strukturwandel Kohle betroffen sei. Die Linke wolle die Gesellschaft keinesfalls verhindern, betont Kathrin Kagelmann, aber eben alle Beteiligten mit ins Boot holen.

„Es geht nicht darum, am Anfang jedes kleinste Detail zu klären“, sagt hingegen Ralf Brehmer, SPD-Kreisrat und Rietschener Bürgermeister. Wichtig sei es doch, erst einmal zu starten. „Das Ziel muss sein, mindestens genau so viele Arbeitsplätze zu schaffen, wie durch die Verringerung der Braunkohleverstromung wegfallen“, sagt er. Sieglinde Rüdiger, Vorsitzende der CDU/FDP-Fraktion bringt es so auf den Punkt: „Viele Köche verderben den Brei. Man kann dem Vorhaben zustimmen.“

Torsten Pötzsch hat die Debatte zuweilen mit einem leichten Kopfschütteln verfolgt. „Ich bin schon etwas schockiert, wie hier diskutiert wird“, sagt der Vorsitzender der Fraktion der Freien Wähler. Er ist zudem Sprecher der Lausitzrunde und Oberbürgermeister der Stadt Weißwasser. „Wir haben es geschafft, Leute zusammenzubringen. Noch mehr in die GmbH einzubeziehen, funktioniert einfach nicht“, sagt er. Und weiter: „Wir können natürlich auch alles kaputtlabern, bis gar nichts mehr geht.“ Torsten Pötsch erinnert an den Strukturwandel in den 1990er Jahren, der nicht nur Weißwasser viele Arbeitsplätze kostete und die Stadt schrumpfen ließ. „Das soll nicht noch einmal passieren“, sagt der Oberbürgermeister. Der Landkreis Görlitz war der letzte der an der GmbH Beteiligten, der jetzt sein Ja zur Wirtschaftsregion Lausitz gab. Im Gebiet der Gesellschaft, die im Norden mit dem Kreis Dahme-Spreewald bis an Berlin heranreicht, leben rund 1,15 Millionen Menschen.