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Neue Hoffnung für den Fernsehturm?

Eine Studie soll klären, was mit dem Dresdner Bauwerk geschehen soll. Was ist machbar - und was utopisch?

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© Ronald Bonß

In drei Jahren feiert der Fernsehturm seinen 50. Geburtstag. Grund zur Freude hatte Dresdens höchstes Bauwerk schon am Montag. Es gab ein Geschenk, wenn auch nicht das erhofft große. Das wäre ein konkreter Plan gewesen mit Sanierungsschritten, möglichen Finanzierungen, vor allem aber einem Wiedereröffnungsdatum. Genau das strebt der Verein Fernsehturm Dresden an – und zwar zum Jubiläum am 7. Oktober 2019.

Die Hoffnung darauf erhielt allerdings einen Dämpfer. Denn vorab muss geprüft werden, was überhaupt machbar ist. Eine Studie soll das klären, der Freistaat Sachsen, die Stadt Dresden und die Deutsche Funkturm GmbH, Tochter der Telekom und seit 1991 Betreiber des Bauwerkes, geben sie jetzt in Auftrag. Das Ergebnis soll am Ende des ersten Quartals 2017 vorliegen, erklärte Fritz Jaeckel (CDU), Chef der Staatskanzlei, am Montag. Zweieinhalb Jahre bis zum gewünschten, großen Tag – die Zeit dürfte für die umfangreichen, notwendigen Arbeiten kaum reichen. Das sieht auch Klaus Martin vom Verein ähnlich. „Vielleicht ist dann ein erster Bauabschnitt fertig“, sagt er. „Das hängt alles vom Ergebnis der Machbarkeitsstudie ab.“

Dass die jetzt aber überhaupt gemacht wird, ist schon ein Erfolg für die Ehrenamtler. „Ein Kompliment für das Engagement des Vereins“, findet Jaeckel. Die Bürgerinitiative hatte sich vor über elf Jahren gegründet, mit dem Ziel, die „Wachwitzer Nadel“ wieder für Besucher zu öffnen. Sie sollen mit einem Aufzug nach oben fahren können, die Aussicht von der Plattform genießen oder im Restaurant essen – Ideen gibt es viele. Im Mai vorigen Jahres legten die Fernsehturm-Freunde sogar ein 20 Seiten dickes Exposé vor, darin mehrere Varianten und Vorschläge, wie möglichst viele Gäste nach Oberwachwitz gelockt werden können. Das Papier bildet jetzt die Grundlage für die Machbarkeitsstudie. „Die wird um die 100 000 Euro kosten“, sagt Jaeckel. Die Summe teilen sich Sachsen, Dresden und die Funkturm GmbH. Die Ausschreibung dafür laufe gerade. Ein unabhängiges Ingenieurbüro werde den Zuschlag bekommen. Viele offene Fragen müssen geklärt werden, denn allein mit einer Restaurantbetreibung ist der Fernsehturm nicht wirtschaftlich. Deshalb schlägt der Verein auch Erweiterungen vor: ein mögliches Ausstellungsgebäude mit Planetarium, Arbeitstitel „Televersum“, einen Funpark, selbst eine Seilbahn von der anderen Elbseite mit einem Startpunkt in Tolkewitz ist eine Idee.

Zahlen und Fakten

Der Baubeginn

Kurt Nowotny, Herrmann Rühle und Johannes Braune waren die Architekten des Fernsehturms. Baubeginn am Oberwachwitzer Weg war 1963. Den Auftrag hatte das VEB Bau- und Montagekombinat Kohle und Energie.

Das Vorbild

Seine typische Form verdankt das im Volksmund „Wachwitzer Nadel“ genannte Bauwerk ausgerechnet einer Anleihe beim Klassenfeind der DDR: Vorbild war der Stuttgarter Fernsehturm, der 1956 eröffnet worden war.

Das Richtfest

Auf einem Stahlbetonring, der tief im Oberwachwitzer Felsen verankert ist, wuchs der Sendemast aus Beton schnell in die Höhe. Doch klirrende Kälte und ein Sturm sorgten für Verzug. Richtfest war im Dezember 1965.

Die Zahlen

Bis zur Spitze misst der Turm 252 Meter. Das Restaurant befindet sich in 145 Meter Höhe. Nach oben fuhr ein Aufzug. Das Fundament hat einen Durchmesser von 21 Metern. Das Gesamtgewicht beträgt 7300 Tonnen.

Der Anfang und das Ende

Seit 1969 sendet der Funkturm. Bis 1991 war er mit seinem runden Dachcafé und der Aussichtsplattform zudem eine Attraktion. Dann machte die Deutsche Telekom als neuer Eigentümer ihn für Besucher dicht. Bis heute.

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Alles werde geprüft, versichert Jaeckel. Nichts werde von vornherein als weltfremd abgetan. Erst wenn das Ergebnis vorliegt, kann er konkrete Zahlen nennen. Schon jetzt scheint sicher, dass allein die Ausstattung des Turmes mit Brandschutzanlagen, neuen Aufzügen, die Parkplatzgestaltung und die Sanierung der Plattform nach heutigen Sicherheitsstandards mindestens zehn Millionen Euro kosten würde.

Oberbürgermeister Dirk Hilbert (FDP) stellt klar, dass eine Finanzierung ohne öffentliche Mittel utopisch ist. „Das ist dann eine politische Abwägung, ob uns das wichtig genug ist.“ Vielen Dresdnern offensichtlich schon, berichtet Hilbert aus eigener Erfahrung. Als er kürzlich zum Tag der offenen Tür ins Rathaus geladen hatte, „war der Fernsehturm bei den Leuten eines der Top-3-Themen“. Das riesige Interesse am Wahrzeichen der Stadt bekam auch Jaeckel zu spüren, als ihm im Mai 2015 eine Petition mit mehr als 20 000 Unterschriften überreicht wurde. „Ich verstehe den Bürgerwillen, und wir nehmen das auch sehr ernst.“ Einsteigen wird der Freistaat trotzdem nicht. „Wir sind kein Restaurantbetreiber.“ Der muss mit einem tragfähigen Konzept noch gefunden werden, falls der Turm wieder eröffnet. Die Bereitschaft, den „Sektkelch“ wieder zugänglich zu machen, zeigt inzwischen auch die Funkturm GmbH. Obwohl es in Deutschland nicht mehr viele Funktürme mit Gastronomie gebe, sagt Regionalleiter Steffen Zahn. Er nennt unter anderem Berlin, München und seit Kurzem Stuttgart. Jedes Objekt brauche eine Einzelbewertung, die nun auch für Dresden erfolgt.

Eine mögliche Wiederbelebung des Fernsehturms hatte sich Ende voriger Woche angedeutet. Die Nachricht sorgte in den sozialen Netzwerken für großes Echo. Auf Facebook kommentierte beispielsweise Ilona Ringel einen SZ-Beitrag: „Ach wäre das schön. Touristen würden sicher den etwas längeren Anfahrtsweg in Kauf nehmen, dafür lohnt sich der gigantische Blick von oben allemal!“ Vorbehalte gibt es kaum, dafür jede Menge Erinnerungen. „War auch oben, habe ,Teletorte‘ und danach ,Pittiplatscheis‘ gegessen. Wer kennt es noch?“, fragt etwa Ilka Mrosk. Mike Wagner fällt noch ein anderes Erlebnis ein: „Beim Hochfahren im Aufzug nannte ein älterer ,Liftboy‘ den Besuchern die technischen Details wie Baujahr, Turmhöhe und Aufzugsgeschwindigkeit.“