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Wie Weinböhla hilft

120 Flüchtlinge leben aktuell in der Gemeinde. Für sie werden dringend Paten gesucht. Bald sollen doppelt so viele ins Heim am Querweg einziehen.

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© Anne Hübschmann

Von Peggy Zill

Weinböhla. Die drei Stunden jeden Mittwoch im Hof oder Café der Weltverbesserer genießt Safaa. Seit fast anderthalb Jahren ist er in Deutschland. Seine Sprachkenntnisse sind trotzdem noch sehr holprig. Er durfte nur kurz eine Schule besuchen, wie der 40-Jährige erzählt. Unterdessen hat er das Heim am Querweg verlassen und ein Zimmer in einer Wohngemeinschaft bezogen. Aber auch hier sind die Mitbewohner Ausländer. Der Kontakt mit Einheimischen ist deshalb wichtig für den Iraker.

Es sind mehr Weinböhlaer als Flüchtlinge da an diesem Mittwochnachmittag. Viele gehören zum Netzwerk Weinböhla hilft. Das organisiert das wöchentliche Begegnungscafé – wie auch viele andere Aktivitäten, damit die neuen Bewohner Deutsch und Verhaltensregeln für ihre neue Heimat lernen. „Es spielt keine Rolle, ob der Einzelne von uns den Flüchtlingszustrom gut findet oder nicht. Uns eint die Auffassung, dass man sie nicht sich selbst überlassen kann“, sagt Ulrich Fricke. 62 mehr oder weniger aktive Mitglieder zählt die Initiative. Sie kümmern sich um die etwa 120 Flüchtlinge aus verschiedenen Nationen, die im Heim am Querweg untergebracht sind.

Seit der Wende gibt es das Asylbewerberheim. Probleme habe es damit nicht gegeben. Nun sollen in einen Anbau weitere 160 Flüchtlinge einziehen. Frühestens im Herbst wird es so weit sein. „Da können wir nur abwarten und versuchen, unsere Wünsche zu äußern“, so Gabriela Voigt. Ein Büro für die Initiative und ein Aufenthaltsraum für die Bewohner wären zum Beispiel solche Wünsche.

Paten noch gesucht

An die Neu-Weinböhlaer verteilt die Initiative Willkommensmappen und Kleiderspenden, Ehrenamtliche bieten Deutschunterricht sowie eine Fahrrad- und Textilwerkstatt an. Bei der evangelischen Gemeinde gibt es regelmäßig Volleyballabende oder Fußballspiele auf dem Schulsportplatz. Und die ersten Patenschaften wurden geschlossen. Allerdings haben erst 20 Asylsuchende einen Paten gefunden. „Wir brauchen dringend mehr. Denn sie kümmern sich nicht nur um das Zwischenmenschliche“, erklärt Gabriela Voigt von der Initiative. Die Paten sind meist erster Ansprechpartner bei alltäglichen Problemen, helfen bei der Eröffnung eines Kontos, vermitteln einen Drahtesel und nehmen ihre „Patenkinder“ mit auf Ausflüge und Feste. Voigt kann viele Erfolgsgeschichten erzählen. Von dem traumatisierten Mädchen, das dank des Pferdes der Patenfamilie endlich wieder lachen kann. Von der Familie, die anfangs sehr skeptisch war, als die Mutter sich um einen Flüchtling kümmern wollte. „Jetzt sind von der Großmutter bis zu den Kindern alle mit dabei und das Patenkind saß schon mit unterm Weihnachtsbaum“, freut sich Voigt. Hilfe bei der Kommunikation mit den Behörden bietet die Diakonie an, die zweimal wöchentlich in das Heim kommt.

„Uns liegt am Herzen, dass die Flüchtlinge integriert werden“, so Ulrich Fricke. Sie sollen ihre Kultureigenarten behalten dürfen, aber unsere Regeln befolgen. Zur erfolgreichen Integration gehört, dass die Neuankömmlinge eine Beschäftigung finden. Die Integration auf dem Arbeitsmarkt ist schwierig, aber nicht unmöglich. Auch hier gibt es eine Erfolgsgeschichte aus Weinböhla: Ein Flüchtling, der zu Hause als Bäcker gearbeitet hat, konnte bei einem Praktikum in einer Weinböhlaer Backstube sofort überzeugen – obwohl der Meister anfangs sehr skeptisch war. Da er aber keinen Berufsabschluss hat, muss nun noch geklärt werden, wie viel er von der Ausbildung nachholen muss, bis er fürs Brötchenbacken bezahlt wird. „Die haben hier alle einen Beruf“, sagt Gabriela Voigt und sucht weiter Praktikumsplätze. Man müsse den Menschen nur eine Chance geben. Eine richtige Arbeit wünscht sich auch Safaa. Im Irak war er Polizist. Jetzt würde er gern etwas mit Autos machen.

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