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Wie wär´s mit einem Grammophon?

Der SZ-Antikmarkt löste am Sonntag eine regelrechte Völkerwanderung ins Schönfelder Schloss aus.

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© Klaus-Dieter Brühl

Von Manfred Müller

Schönfeld. Heftiges Gedränge an den Marktständen im Hof und eine lange Warteschlange vorm Schlossportal – Schönfeld konnte am gestrigen Tag der Parks und Gärten nicht über Besuchermangel klagen. „Eine echte Völkerwanderung – wie es aussieht, werden wohl um die 4000 Gäste kommen“, freut sich Bürgermeister Hans-Joachim Weigel. Dass das Neorenaissanceschloss zum Publikumsmagneten avancierte, lag nicht zuletzt am Antik-, Trödel- und Gartenmarkt, der im Rahmen der SZ-Schlössertour auf dem Schlosshof abgehalten wurde. Der bot die Gelegenheit, die Heimreise nicht nur mit vielen schönen Eindrücken, sondern auch mit einem begehrten Sammlerstück anzutreten.

Die Aktion zum Tag der Parks und Gärten war sehr gut besucht.
Die Aktion zum Tag der Parks und Gärten war sehr gut besucht. © Klaus-Dieter Brühl

Am Stand von Hans Heineke zum Beispiel konnte man Grammophone erwerben, die bereits achtzig oder sogar fast einhundert Jahre auf dem Buckel haben. Dazu ein paar alte Schellack-Platten und natürlich Tonabnehmer-Nadeln. „Die Nadeln werden heute noch produziert und sind nicht teuer“, erklärt der Grimmaer, „man sollte sie schon nach drei, vier Plattenseiten wechseln.“ Er beziehe seine Tonabnehmer aus dem mittelenglischen Birmingham, wo sie in ordentlicher Qualität hergestellt würden.

Heineke ist eigentlich kein Händler, sondern Sammler und bietet nur Exponate an, die er doppelt hat. Bei 364 verschiedenen Grammophonen in seinem Bestand sind das recht viele – alle funktionstüchtig und manche mit einem verblüffend guten Klang. Wie etwa das französische Pathé aus dem Jahr 1920 mit einem gewaltigen Schalltrichter. Neben englischen und sogar russischen Modellen hat der 80-jährige Sammler auch ein Telefunken-Gerät in der Auslage stehen, dessen Verpackung verblüffend einer Hutschachtel ähnelt. „Das konnte man zu einem geheimen Stelldichein ins Hotel mitnehmen“, erklärt er. „Es gibt sogar ein Fach, in dem sich Zahnbürste und Ersatzschlüpfer unterbringen lassen.“

Auch sonst ist Hans Heineke nicht um eine gute Story verlegen. Wie er zum Grammophon-Sammeln gekommen sei? Nun, sein gestrenger Großvater habe eins besessen, aber immer nur Märsche abgespielt, zu denen der Enkel exerzieren musste. Einmal habe er das Heiligtum selbst mit der Handkurbel aufziehen wollen, die Feder überspannt und dadurch kaputtgemacht. Das gab eine gehörige Tracht Prügel, so dass er später lieber sein eigenes Grammophon haben wollte. Und dann seien mehrere Freunde zugleich auf die Idee gekommen, ihm eins zu schenken. Neben den Abspielgeräten ist Heineke im Besitz einer riesigen Plattensammlung – etwa 120 000 Exemplare. „Ich verkaufe jetzt, was ich mehrfach habe“, sagt er, „um den Rest sollen sich später meine Enkel streiten.“

Mario Kraus geht die Sammelei etwas bescheidener an. Die Leidenschaft des Chemnitzers sind alte Bücher, aber für den Trödelmarkt hat er auch Druck-Erzeugnisse jüngeren Datums und Bilder im Angebot. Was momentan am besten geht? „Werkausgaben von Goethe und Bücher über Luther“, sagt er. „Die beiden klügsten Männer Deutschlands.“ Die Leute sollten generell mehr lesen, findet Kraus, der im richtigen Leben als Chemiker arbeitet. Auch mal ein Buch, das noch mit alten deutschen Lettern gedruckt wurde. Das sei gar nicht so schwer, er habe sich das schließlich auch ohne fremde Hilfe beigebracht.

Petra Wartemann gehört zu jenen Trödelmarkt-Händlern, die ihr Hobby zum Beruf gemacht haben. Sie betreibt im brandenburgischen Sonnewalde einen kleinen Laden für Wohn-Accessoires. „Entweder man hat diese Meise, oder man hat sie eben nicht“, sagt die Händlerin. Im vorigen Jahr zum Beispiel seien ihre Kunden scharf auf alte Butterdosen aus Porzellan und Keramik gewesen. Das übliche Plastik ging gar nicht mehr. Momentan könne sie allerdings noch keinen neuen Trend erkennen. In Schönfeld gehen vor allem schmiedeeiserne Beschläge für Haus und Garten über den Tisch. Das verkaufe sich aber schon seit Längerem gut. Was die Sonnewalderin besonders freut: Auch junge Leute greifen heutzutage bei der Einrichtung ihrer Wohnungen wieder verstärkt zu alten Sachen, wobei die Stile bunt gemischt werden.

Die Schlange am Eingang des Schönfelder Schlosses ist derweil nicht kürzer geworden. In brütender Hitze harren die Besucher aus, um einen Blick ins Porzellanzimmer zu werfen, der Barocktanzgruppe „les-amis-de-la-dance-baroque“ zuzuschauen oder einen Ausblick vom Turm zu genießen. Andere haben sich lieber in den Schatten des kleinen, aber feinen Parks zurückgezogen, und wieder andere tragen mit einem seligen Lächeln ihre neu erstandenen antiken Besitztümer zum Auto.