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Wie wählt Bautzens Jugend?

Die AfD liegt bei den Teenagern der Region weit vorn. In der Daimler-Schule überrascht das Ergebnis fast niemanden.

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© Uwe Soeder

Von Marleen Hollenbach

Das Ergebnis könnte nicht deutlicher sein. Dürften die Jugendlichen rund um Bautzen am Wochenende wählen, dann würde sich viele für eine konservative oder rechte Partei entscheiden. Das hat die Auswertung der symbolischen U-18-Bundestagswahl für den Wahlbezirk Bautzen I ergeben. Von den 655 jungen Menschen, die in Bautzen und Umgebung ihre Stimme abgaben, entschieden sich 26 Prozent für die AfD, die damit stärkste Partei ist. Auch die NPD dürfte, wenn es nach den Jugendlichen geht, mit acht Prozent in den Bundestag einziehen.

„Mich überrascht das Ergebnis nicht“, sagt Christian Schäfer vom Verein Valtenbergwichtel, der die Abstimmung in Wilthen, Neukirch und Sohland betreute. In zehn Wahllokalen rund um Bautzen konnten die Jugendlichen ihre Kreuze machen. Der Sozialarbeiter beobachtet schon lange eine Rechtsorientierung. „Viele Jugendliche auf dem Land haben das Gefühl, das man sie vergessen hat, das Dinge nicht funktionieren“, erklärt er. Parteien, die scheinbar einfache Lösungen anbieten, die Feindbilder zeichnen und vermeintliche Schuldige benennen, kommen deshalb gut an. Und noch einen anderen Grund nennt Christoph Schäfer. So würden die Jugendlichen vor allem das wählen, was ihnen bekannt ist. „Sie kreuzen die CDU an, weil sie Frau Merkel kennen. Und die AfD ist eben auch in aller Munde“, sagt er.

Es soll alles echt aussehen

Aber stimmt das? Wonach entscheiden die Jugendlichen? Dirk Weißhahn ist Lehrer an der Daimler-Oberschule in Bautzen. Um herauszufinden, welche Parteien seine Schüler wählen würden, vor allem aber, um ihnen zu erklären, wie Wahlen funktionieren, hat er an diesem Tag eine Wahlurne aufgebaut. Die Stimmzettel liegen bereit, die Wahlhelfer sitzen auf ihren Stühlen, sogar eine Wahlkabine gibt es. Alles soll so echt wie möglich aussehen. Elenor ist eine der ersten, die wählen darf. Selbstbewusst betritt sie den Raum. Die Neuntklässlerin zeigt ihren Schülerausweis, schnappt sich schnell einen der Zettel. Nur wenige Sekunden bleibt sie hinter der Kabine sitzen. Dann faltet sie den Wahlschein genau zweimal, so wie es ihr die anderen Schüler vorher erklärt haben.

Die Neuntklässlerin findet die Abstimmung interessant. Es sei ihr nicht schwergefallen, sich eine Meinung zu bilden. Wie sie zu ihrer Entscheidung kam? Die Schülerin überlegt. Ihre Eltern hat sie jedenfalls nicht gefragt, betont sie. Ob sich in Deutschland etwas ändern muss? „Nein, eigentlich bin ich zufrieden“, sagt die Schülerin. Nur ein Thema, da ist sie sich sicher, spielt bei ihren Klassenkameraden eine große Rolle. Die Flüchtlingspolitik. Auf dem Pausenhof wird über eine „geregelte Einwanderung“, über ein „Maß, bei der Aufnahme von Flüchtlingen“ diskutiert, erklärt sie. Auch Jo-Bennet kennt die Meinungen einiger seiner Mitschüler. „Viele wählen naiv die AfD. Die denken nur an das Thema Flüchtlinge und überlegen nicht, welche Themen es noch gibt und was die anderen Parteien wollen“, meint er.

Dass viele Mitschüler die AfD wählen, überrascht auch Toni nicht. Er glaubt schon, dass das auch etwas mit den Eltern zu tun hat. Viele Erwachsene, so meint er, würden keinen Hehl daraus machen, dass sie die AfD wählen. Nur Joaquin-Pasquale hätte nicht mit einem solch eindeutigen Ergebnis gerechnet. Auch, weil er sich selbst für ganz andere Themen interessiert. Gedanken macht sich der Schüler zum Beispiel über den sozialen Wohnungsbau. Die steigenden Mieten in den großen Städten sind für den Bautzener ein Problem. Lehrer Dirk Weißhahn nickt anerkennend. Er freut sich über jeden Schüler, der sich tatsächlich mit den Inhalten der einzelnen Parteien auseinandersetzt. Denn auch das ist Teil seines Projektes.

Zahlen werden erst am Sonntag bekanntgegeben

Schon eine Stunde nach der geheimen Abstimmung weiß der Lehrer, für welche Parteien sich seine Schüler entschieden haben. Doch er darf die Zahlen noch nicht bekannt geben. Nicht an der U-18-Wahl, sondern am Projekt „Juniorwahl“ hat sich die Daimler-Oberschule beteiligt. Dahinter steckt der Berliner Verein Kumulus, der seine Ergebnisse erst nach der Wahl am Sonntagabend veröffentlichen will.

Doch eines verrät der Lehrer schon. „Die AfD hat an unserer Schule in der Erst- wie Zweitstimme mit recht großem Abstand die meisten Stimmen erhalten“, sagt er. Die Grünen haben bei seiner Wahl auch gut abgeschnitten, die großen Volksparteien allerdings nur eine kleine Rolle gespielt. Ernst nehmen sollte man das Ergebnis, findet der Lehrer. „Es kann für die CDU und die SPD ein Weckruf sein, denn es zeigt doch, dass viele junge Leute den etablierten Parteien nicht mehr vertrauen“, sagt er. Mit den Schülern will Dirk Weißhahn das Ergebnis noch auswerten. Eines aber hätten sie schon jetzt gelernt: Dass es wichtig ist, überhaupt eine Stimme abzugeben.