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Wie viel Feuerwehr wird gebraucht?

Königsbrück hat die Wehren neu aufgestellt. Besonders harte Diskussionen gab es dabei um Gräfenhain.

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© Matthias Schumann

Von Nicole Preuß

Königsbrück. Die Debatte zog sich hin. Die Königsbrücker, Gräfenhainer und Röhrsdorfer haben anderthalb Jahre diskutiert, wie die drei Feuerwehren der Stadt für die Zukunft entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen aufgestellt werden sollen. Besonders harte Diskussionen gab es um Gräfenhain. Nun hat der Stadtrat mit dem fortgeschriebenen Brandschutzbedarfsplan eine Entscheidung getroffen.

Der besagt: Die Feuerwehrstandorte in Königsbrück, Röhrsdorf und Gräfenhain bleiben erhalten. Vorerst, muss man sagen. Denn die Gräfenhainer Feuerwehr soll nur noch so lange vom Gerätehaus im Dorf ausrücken, wie ihr 40 Jahre altes Tragkraftspritzenfahrzeug durchhält. Der Oldtimer musste bereits im Dezember vorübergehend aus dem Dienst genommen werden, weil ein Gutachter gravierende Mängel festgestellt hatte. Die Gräfenhainer forderten ein neues gebrauchtes Tragkraftspritzenfahrzeug, das inklusive der nötigen Umbauten und der Zulassung 50 000 Euro gekostet hätte. „Doch dann wurde uns eröffnet, dass das mit unserem Gerätehaus gar nicht möglich ist“, sagt Ortsvorsteher Wolfgang Wächter. Das Haus müsse umfassend ausgebaut werden, wenn ein neues Fahrzeug beschafft wird, hieß es.

Die Verwaltung und die Gemeindewehrleitung legten den Gräfenhainern daher den Anschluss an die Königsbrücker Feuerwehr nahe. „Durch die Ausbildung an der Königsbrücker Technik können alle Kameraden aus Gräfenhain und Röhrsdorf damit umgehen. Das erhöht die Qualität der gesamten Feuerwehr“, sagt der stellvertretende Gemeindewehrleiter Torsten Peter. Der Anfahrtsweg sei für die Kameraden teilweise genauso lang wie für die Königsbrücker Kameraden zu ihrem Gerätehaus.

Tradition außen vor gelassen?

Ortsvorsteher Wolfgang Wächter hat sich auch als Stadtrat mit dem Thema auseinandergesetzt. „Die Sache mit dem Anfahrtsweg ist zwar richtig, aber die Stadt hat dabei die traditionellen Argumente außen vor gelassen. Die Wehr ist 150 Jahre alt“, sagt er. Wehrleiter Torsten Peter hält dagegen. „Laut Brandschutzbedarfsplan ist keine Traditionswehr zu planen, sondern eine leistungsfähige Feuerwehr. Einem Feuerwehrmann, welcher mit Leib und Seele zu seinem Hobby steht, ist es egal, von welchem Gerätehaus er ausrückt.“

Mehrere Male wurde hinter geschlossenen Türen verhandelt. Bürgermeister Heiko Driesnack (CDU) und Torsten Peter sprachen in Fraktionssitzungen vor und diskutierten das Thema mit der Gräfenhainer Feuerwehr. Die Gräfenhainer sammelten im Gegenzug Unterschriften für den Erhalt ihres Standortes. Schließlich wurde der Kompromiss gefunden, dass das Tragkraftspritzenfahrzeug noch einmal repariert wird. Es gibt allerdings eine Einschränkung, die auch im aktualisierten Bedarfsplan steht. Die 18 aktiven Feuerwehrleute der Löschgruppe Gräfenhain sollen ab dem kommenden Jahr ihre Ausbildung in Königsbrück durchführen, damit sie die Geräte kennenlernen. Ab Mitte 2018 soll dann auch die Kleidung in Königsbrück gelassen werden.

„Die Freiwillige Feuerwehr Gräfenhain sollte nie und wird auch nicht geschlossen, sie soll das Königsbrücker Gerätehaus mit nutzen“, sagt Torsten Peter.

Die Stadt könne allerdings kein neues Tragkraftspritzenfahrzeug für Gräfenhain beschaffen. Die erforderlichen Summen seien nicht zu rechtfertigen, heißt es. Gräfenhain hat durchschnittlich zwei bis fünf Einsätze pro Jahr und keine Tageseinsatzbereitschaft, weshalb die Königsbrücker Wehr normalerweise zu jedem Einsatz mit nach Gräfenhain fährt. Der vorgeschlagene Mannschaftstransportwagen mit dem Anhänger wurde von den Gräfenhainern schon vor einigen Jahren abgelehnt. Röhrsdorf fährt ein solches Modell.

Brandschutzbedart ermittelt

Die Stadt und die beteiligten Feuerwehrleute haben nun den Bedarf in der Stadt für den aktuellen Brandschutzbedarfsplan ermittelt. Die Erkenntnis ist für Gräfenhain ernüchternd: „Wir kamen zu dem Ergebnis, dass der Standort in Gräfenhain nicht unbedingt erforderlich ist, wir aber auf keinen Fall auf die Kameraden verzichten können“, sagt der stellvertretende Gemeindewehrleiter Torsten Peter. Denn die Wehr könne vom Standort Königsbrück aus die gesetzlichen Vorgaben erfüllen. Die Feuerwehrleute erreichen innerhalb von vier Minuten vom Gerätehaus aus 86 Prozent der Bevölkerung. Das haben die Kameraden mit Testfahrten und einer speziellen Software des Landkreises ermittelt. Mindestens 80 Prozent werden vom Gesetzgeber gefordert. In Röhrsdorf unterstützt die Feuerwehr aus dem nahen Kreis Meißen, besonders bei der Tageseinsatzbereitschaft. Denn die können weder die Röhrsdorfer noch die Gräfenhainer Kameraden aufgrund ihrer beruflichen Verpflichtungen sicherstellen.

Das mangelnde Geld ist aber nur ein Argument der Königsbrücker. Ein plausibler Brandschutzbedarfsplan sei auch Voraussetzung für die Gewährung von Fördermitteln. Die beiden großen Feuerwehrfahrzeuge der Stadt Königsbrück sind 21 Jahre und müssen perspektivisch ersetzt werden. Außerdem haben die Kameraden nachgewiesen, dass aufgrund der baulichen Gegebenheiten in Königsbrück ein Fahrzeug mit Drehleiter nötig ist. Bisher bekommen sie Unterstützung von Ottendorf-Okrilla oder Kamenz, wenn so ein Fahrzeug zur Rettung gebraucht wird. Doch diese Wehren fahren 20 Minuten bis Königsbrück.

Zusammenarbeit funktioniert

Die Gräfenhainer rückten nach dem verheerenden Sturm Paul mit ihren Privatautos aus, weil ihr Fahrzeug noch in der Werkstatt stand. Sie borgten sich Motorsägen im Dorf und waren froh, dass ihre Kleidung vor Ort war, weil die Straße nach Königsbrück gemeinsam mit freiwilligen Helfern und der Königsbrücker Wehr erst freigesägt werden musste. „Das war eine absolute Ausnahmesituation, mit der niemand rechnen konnte“, sagt Wehrleiter Torsten Peter. „Gräfenhainer Kameraden fuhren auch auf Königsbrücker Fahrzeugen mit und unterstützten die Königsbrücker mit viel Einsatzbereitschaft bei den Einsätzen. Die Zusammenarbeit funktioniert also.“

Der Stadtrat beschloss bereits vor dem Sturm den neuen, fortgeschriebenen Brandschutzbedarfsplan. Zwei Gräfenhainer Stadträte stimmten dagegen. Die Feuerwehrleute in Gräfenhain wollen sich nun trotzdem weiter um den Erhalt ihres Standortes bemühen. Die Kleidung möchten sie auch im Ort belassen. „Ungeachtet dessen, dass eine gemeinsame Ausbildung stattfinden kann und soll“, sagt Ortsvorsteher Wolfgang Wächter.