Merken

Wie Tante Elfriede übern Tisch gezogen wurde

Der 87-Jährigen wurde ein Bausparvertrag angedreht, obwohl sie keine Nachkommen hat. Eine seltsame Beratung.

Teilen
Folgen
NEU!

Von Sebastian Frey

Tante Elfriede* lebt seit über 88 Jahren in Kamenz. Als sie 1986 ihre kleine DDR-Altersrente erhielt, arbeitete sie noch ein paar Jahre weiter. So konnte sie sich eine bescheidene Rücklage ansparen. Weil sich das Ersparte dann in D-Mark auch gut verzinste, konnte sie damit ganz gut auskommen. Später wurde das Guthaben in Euro umgestellt und die Zinssätze immer geringer. Anfang vergangenen Jahres, als bei der Postbank eine kleine Sparanlage frei wurde, war guter Rat teuer.

Tante Elfriede schilderte der Postbank-Beraterin ihre Situation: Jahrgang 1926, unverheiratet, keine Kinder, Mietwohnung. Ihre Leidenschaft waren einige Busreisen im Jahr, solange das gesundheitlich noch geht. Das Ersparte sollte dabei helfen. Was sollte bloß die arme Postbank-Beraterin mit der alten Frau und deren mickrigen 4 000 Euro anfangen? Auf das klassische Sparbuch, auf ein Tagesgeld- oder Festgeldkonto? Das würde zwar zum Anlageprofil der Rentnerin passen, aber die Zinssätze sind auch kaum der Rede wert. Und die Bank bekommt nicht mal Gebühren – der Berater also auch keine Provision. Es ist schon verhext. Die Anzahl der Einwohner in Kamenz sinkt und jeder Vierte ist Rentner. Wie soll man da noch Geld verdienen? Hier kann nur die alte Allzweckwaffe der Finanzdienstleister helfen: Die gute Frau braucht einen Bausparvertrag.

Zwar waren die Postbank und deren Bausparkasse, die BHW, erst 2010 massiv in die Kritik geraten. Die Zeitschrift „Finanztest“ und die „Süddeutsche Zeitung“ berichteten damals über den Verkauf von Bausparverträgen an Senioren, die in ihrer verbleibenden Lebenszeit kaum mehr eine Chance auf eine Ausschüttung hatten. Und der „Stern“ deckte in zahlreichen Verträgen Fehler auf, zum Schaden der Kunden und zugleich im Interesse der Bausparkasse. Besondere Dreistigkeit bescheinigte der „Stern“ damals der BHW. Der Schock der Finanzkrise und massiver Vertrauensverlust bei den Kunden steckten der gesamten Branche damals noch in den Gliedern und alle gelobten Besserung.

Doch wie ehrlich waren diese Schwüre? Sie tun es immer noch – und im Fall von Tante Elfriede auch noch besonders unredlich. Da wurde zunächst von einem attraktiven Zinssatz von 3,75 Prozent pro Jahr gesprochen. Wenn die Tante mit ihren 87 Jahren nicht begreift, dass es sich dabei um den Sollzinssatz eines späteren Bauspardarlehens und nicht um den Haben-Zinssatz eines Sparvertrages handelt, was kann die Postbank-Beraterin dafür?

Der Vertrag wurde über eine Bausparsumme von 10 000 Euro ausgefertigt, obwohl Tante Elfriede ausdrücklich betont hatte, dass sie über die 4 000 Euro Einmalzahlung hinaus keine weiteren Zahlungen leisten will und kann. Die Erklärung der Postbank-Beraterin, dass 10 000 Euro die Mindestbausparsumme sei, wird durch das Kleingedruckte im Vertrag klar widerlegt. Wenn die Tante mit ihren damals 87 Jahren das Kleingedruckte nicht lesen kann, was kann die Postbank-Beraterin dafür? Dass die Vermittlerin eine Vergütung von bis zu 1,2 % der eingetragenen Bausparsumme erhält, steht übrigens auch im Kleingedruckten. Der Einwand der Tante, dass sie ja bereits einen Bausparvertrag bei der Volksbank habe, wird mit dem durchaus richtigen Hinweis, dass jeder Mensch mehrere Verträge haben darf, abgeschmettert. Dass aber jeder Mensch die staatliche Bausparförderung nur einmal erhält, darauf muss die Postbank-Beraterin ja nicht noch extra hinweisen.

Am 13. Februar 2013 hat Tante Elfriede dann bei der Postbank 4 100 Euro für den neuen Vertrag eingezahlt. Davon wurden von der BHW verwendet: einmalig 100 Euro Abschlussgebühr für die Vermittlerprovision und 12 Euro pro Jahr für die Kontoführung sowie 3,80 Euro pro Jahr für eine Kundenzeitschrift mit wichtigen Anregungen für den Neubau und die Sanierung von Wohneigentum – was eine Frau mit Ende 80 halt so liest. Zugebucht wurden am Ende des Jahres Habenzinsen von 35,19 Euro. Das macht rund 80 Euro Verlust im ersten Jahr. Aber Kopf hoch! Schon 2017, im smarten Alter von gerade mal 91 Jahren, würde Tante Elfriede die berühmte schwarze Null erreichen. Da hat sich der ganze Aufwand doch gelohnt – für die Postbank und deren Beraterin.

Da die Tante aber doch lieber ihr Geld zu Lebzeiten ausgeben wollte, kündigte sie im Oktober dieses Jahres bei der Postbank ihren Vertrag. Dass man so etwas nicht tut, das wurde ihr dort nachdrücklich und laut genug, dass es auch eine alte Frau gut hören konnte, gesagt. Dass die Postbank nun noch 120,58 Euro Vorfälligkeitsdiskont einbehielt, war korrekt, weil es ja ebenfalls so im Kleingedruckten stand.

Worauf sich diese Vorfälligkeitsentschädigung für die Bank im aktuellen Zinsumfeld gründet, das muss die alte Frau nun wirklich nicht verstehen. Sie hat ihr Geld inzwischen für eine Reise ausgegeben und sich dabei sehr wohlgefühlt.

*Der Name der Geschädigten wurde geändert.