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Wie soll die Breite Straße 2 aussehen?

Der alte Gebäude-Putz birgt eine kleine Sensation. Jetzt dürfen die Pirnaer diskutieren, wie man damit umgeht.

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© Kristin Richter

Von Christian Eissner

Pirna. Sie ist immer noch für Überraschungen gut, die Breite Straße 2 in Pirna. Das markante Gebäude am Eingang zur Innenstadt wird dieses Jahr seinen Status als ewiger Schandfleck los, und eigentlich sollte seine Rettung mit einer Reminiszenz an den berühmten Veduten-Maler Canaletto gefeiert werden. Der hielt nämlich das Haus 1753 auf einer seiner Pirnaer Stadtansichten fest. Jetzt allerdings droht die Hausgeschichtsforschung dem Marketing-Ansinnen der Stadtverwaltung einen Strich durch die Rechnung zu machen.

So malte Canaletto 1753 „Die Breite Gasse in Pirna“ (Ausschnitt).
So malte Canaletto 1753 „Die Breite Gasse in Pirna“ (Ausschnitt). © Repro: SZ

Die Untersuchungen der Farbreste an der Fassade haben nämlich zwei wichtige Erkenntnisse zutage gefördert. Erste Erkenntnis: So wie Canaletto das Haus malte, hat es wohl tatsächlich einmal ausgesehen, aber nur wenige Jahre lang. Beweise für die Farbgebung finden sich nur bei Canaletto, am Haus selber nicht. Zweite Erkenntnis: Kurz nachdem der Maler die Staffelei einpackte, wurde das Haus umgebaut und erhielt dabei auch eine barocke Fassadengestaltung, die sich dank der Befunde der Bauforscher exakt nachvollziehen lässt.

Fazit: Die Fassadengestaltung, die Canaletto sah, wird wohl nicht mehr nachempfunden werden. Oder doch? Weil man im Rathaus das Thema für diskussionswürdig hält, sind die Pirnaer nun eingeladen, ihre Meinung zu sagen.

Die Varianten für die Breite Straße 2

Variante 1: Die Canaletto-Fassung

Um 1753 fand der Hofmaler am Gebäude einen einheitlichen kräftigen und warmen Farbton in rot-ocker vor. Komplettiert wurde diese Gestaltung von einer gebrochenen weißen Gliederung an den Gewänden, Fenstern und an der Tordurchfahrt. Für diese Variante spricht, dass die Breite Straße 2 mittlerweile das letzte in seiner Grundform erhaltene Gebäude dieser Canaletto-Darstellung ist. Das einzige weitere authentisch erhaltene Haus hatte die Stadt vor zwei Jahren zugunsten einer Supermarkt-Einfahrt abreißen lassen.

Indem man an der Breiten Straße 2 die Farbgestaltung von 1753 wiederherstellt, könnte man anschaulich eine Brücke zwischen der Canaletto-Zeit und heute schlagen. Dagegen spricht der grundlegende Haus-Umbau nach Canaletto. Unter anderem wurden die Lage und die Größe der Fenster, die Dachlandschaft und die Fassadengliederung verändert. Somit würde man die alte Farbgebung auf eine „neue“ Fassade aufbringen – eine Idee, die den Restauratoren Bauchschmerzen bereitet.

Variante 2: Barocke Fassung um 1760

Die Bauforscher nämlich haben aus Farbresten auf den alten Putzschichten jene Fassadengestaltung rekonstruiert, die beim barocken Umbau des Hauses um 1760, also tatsächlich nur wenige Jahre nach Canaletto, entstand. Sie ist geprägt von einem Wechselspiel aus Rosé und Hellgrau mit einer illusionistischen Hervorhebung von Nutungen, Lisenen, Spiegeln und Scheingesimsen. Alle Details dieser Fassung, die zeittypisch mit Licht und Schatten spielt, konnten an der Fassade gefunden und können wiederhergestellt werden. Ein weiterer Vorteil: Sie passt zur heutigen Lage und Proportion der Fenster. Für Markus Schulz, den leitenden Restaurator am Bauprojekt Breite Straße 2, ist diese Fassung der Favorit. „Die Gestaltung ist sehr qualitätvoll und in meinen Augen eine klare Aufwertung der Fassade“, sagt Schulz.

Entscheidung: Stadt will Bürger fragen

Davon, die Bürger abstimmen zu lassen, hält Restaurator Markus Schulz in diesem Falle nicht viel: Fachliche Aspekte würden klar gegen die Canaletto-Farbgebung sprechen. Die Stadtverwaltung allerdings möchte sich zumindest ein Stimmungsbild einholen, bevor die Büros der städtischen Kultur- und Tourismusgesellschaft und Teile des Stadtmuseums-Depots in die Breite Straße 2 einziehen.

Und so lädt Oberbürgermeister Klaus-Peter Hanke (parteilos) zur Diskussion. Im Foyer des Rathauses am Markt kann man sich beide Fassaden-Entwürfe und die Erläuterung dazu ansehen und bis zum 19.April über einen Stimmzettel seinen Favoriten küren. Bindend ist das Bürgervotum allerdings nicht, am Ende entscheiden die Fachleute. Zum Richtfest Ende April soll die Entscheidung verkündet werden.

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