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Wie Radeberg zu seinem Trinkwasser kam

Archäologen stoßen auf der neuen S-177-Trasse auf alte Leitungen. Die Fachleute sind gleich mehrfach überrascht.

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© Thorsten Eckert

Von Thomas Drendel

Radeberg. Am Anfang wollten es Anja Kaltofen und ihre Mitarbeiterin Ulrike Richter nicht glauben. „Guck mal, hier hat jemand alte Telefonmasten vergraben“, war die erste Reaktion nach dem Fund mehrerer Stämme auf einem Feld zwischen Radeberg und Leppersdorf.

Auf einem Streifen wurde entlang der Trasse für die Schnellstraße wurde der Mutterboden entfernt. Darunter suchen Archäologen nach Spuren der Vergangenheit.
Auf einem Streifen wurde entlang der Trasse für die Schnellstraße wurde der Mutterboden entfernt. Darunter suchen Archäologen nach Spuren der Vergangenheit. © Thorsten Eckert

Die beiden Mitarbeiterinnen des Landesamtes für Archäologie untersuchen den Boden auf der Trasse der neuen Schnellstraße zwischen Radeberg und Leppersdorf, als Vorhut der Bauleute gewissermaßen. Behutsam wird mit zwei Baggern die oberste Humusschicht abgetragen.In dem Boden liest die Archäologin Anja Kaltofen wie in einem Buch. „Hier dieser dunkle Streifen ist ein Meliorationsgraben. An der geraden Schnittkante ist zu erkennen, dass die Arbeiten noch nicht sehr lange zurückliegen. Er wurde vermutlich zu DDR-Zeiten angelegt.“ An einer anderen Stelle weisen die dunkle Verfärbung und die unterschiedliche Zusammensetzung des Bodens darauf hin, dass vermutlich ein Bachlauf oder ein kleiner Teich zugeschüttet wurde. Anhand der abweichenden Bodenfarbe sind die Archäologen auch auf die Holzstämme gestoßen. „Uns war dann schnell klar, dass es sich um eine alte Wasserleitung handelte. Als wir im weiteren Verlauf nachsahen, entdeckten wir immer mehr Stämme, alle sorgsam aneinandergefügt.“ Sie waren sehr kunstvoll zusammengefügt. „Teilweise hatten sie an den Stößen eine Metallverbindung, die beide Stämme zusammenhielt. Ältere Exemplare sind mit einer Manschette aus Lehm abgedichtet worden.“ Die Leitungen wurden in 50 bis 60 Zentimeter Tiefe vergraben. So froren sie im Winter nur sehr selten ein.

Altersbestimmung mit Jahresringen

Nach ihren Untersuchungen könnten sie um 1715 verlegt worden sein. „Es gibt ein Dokument, in dem im Jahr 500 solcher Holzsegmente bestellt worden sind. Wir vermuten, dass wir diese Stämme jetzt gefunden haben.“ Die Stücke werden jetzt noch genau untersucht nach der sogenannten dendrochronologischen Methode. „Dabei wird der Querschnitt des Stammes gescannt und die Dicke der Jahresringe festgestellt“, sagt Anja Kaltofen. Jedes Jahr hat je nach der damaligen Witterung eine bestimmte Stärke. Der Scan wird dann mit anderen Holzfunden verglichen. „So können wir genau den Zeitraum feststellen, in dem der Baum gewachsen ist.“Nach ihren Angaben gibt es die Radeberger Wasserleitung bereits viel länger als im frühen 18. Jahrhundert. „1517 ist ein Schlossrohrmeister angestellt worden. Das wissen wir aus einem Aktenvermerk. Das spricht dafür, dass es schon damals eine solche Leitung gab.“

Aus Aufzeichnungen aus dem Schloss wissen die Archäologen, dass mit dem Wasser die Küche und die Badstuben, aber auch die Ställe und das Gefängnis versorgt wurden. „Die Sandsteintröge im Schloss gibt es teilweise noch.“ Das Wasser kam aus Quellen oder Teichen aus dem Gebiet zwischen Radeberg und Leppersdorf. In der Zeit, als es die Holzwasserleitung noch nicht gab, haben die Radeberger vermutlich ihr Wasser einfach aus der Großen Röder oder dem Hofegrundbach geschöpft.

Scherben bis zu 800 Jahre alt

Das Grabungsteam hat mittlerweile eine fast sieben Kilometer lange und vier Meter breite Schneise durch die Felder gezogen. Neben der Wasserleitung fanden die Mitarbeiter vor allem viele Scherben. „Die ältesten stammen bis aus dem 13. Jahrhundert.“ Wie sie auf die Felder kamen? „Damals war der Misthaufen auf dem Hof gleichzeitig auch Müllkippe. Ging also ein Krug zu Bruch, wurde er dort entsorgt. Später hat man den Mist zum Düngen auf die Felder gefahren.“

Jetzt hat das Team nur noch etwa eine Woche auf den Feldern zu tun. Abgesehen von den Holzrohren sind große Funde ausgeblieben. „Einige Meter haben wir ja noch. Vielleicht finden wir überraschend einen Schatz“, sagt Anja Kaltofen. So wie damals 1971, als in Leppersdorf 34 Münzen, sogenannte Meißner und Prager Groschen, gefunden wurden. Das war auf einem Grundstück in der Nähe des Friedhofs im Unterdorf. Sie stammten vom Ende des 14., Anfang des 15. Jahrhunderts. „Wir geben die Hoffnung nicht auf“, sagt die Archäologin. Nach dem Abschluss ihrer Arbeit kommen die Bauleute. In diesem Jahr sollen bereits die Entwässerungsanlagen für die Schnellstraße errichtet werden sowie erste Bauwerke wie zwei Fledermausbrücken sowie die Brücke über die Brücke über die A 4 entstehen. Nach Angaben des Landesamtes für Straßenbau und Verkehr sind bereits Aufträge im Wert von 1,7 Millionen Euro vergeben worden.