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Wie man den Spagat zwischen Job und Pflege schaffen kann

Nicht nur junge Leute müssen Familie und Beruf vereinbaren: Katja Knauthe forscht zu Älteren in Görlitz, die sich um die Angehörigen kümmern.

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© Nikolai Schmidt

Von Sabine Ohlenbusch

In Görlitz sind die Menschen im Durchschnitt ein bisschen älter als anderswo. Das macht die Stadt interessant für Katja Knauthe. „Hier kann ich jetzt beobachten, was in einigen Jahren ganz Deutschland betreffen wird“, sagt die Soziologin. Denn nicht nur Görlitz, sondern die ganze Republik altert.

Die junge Forscherin hat ein Problem vieler zu ihrem Projekt gemacht: Sie schreibt ihre Doktorarbeit zu Menschen, die einen Angehörigen pflegen und dabei selbst noch berufstätig sind. „Das betrifft vor allem Arbeitnehmer zwischen 50 und 64 Jahren“, sagt sie. Wenn diese selbst schon auf die Rente zugehen, sind ihre Eltern, Tanten oder Schwiegereltern bereits hochbetagt und brauchen oftmals Hilfe.

Im Landkreis Görlitz kommt zum hohen Altersdurchschnitt eine recht dünne Besiedelung. Arbeitnehmer seien hier wertvoller für die Unternehmen als in großen Städten, erklärt Katja Knauthe. Deshalb will sie mit ihren Untersuchungen auch genau dort ansetzen, wo Pflege und Beruf vereinbar sein müssen: in den Unternehmen. „Ich glaube, es ist nicht sinnvoll, mit Forderungen an die Arbeitgeber heranzugehen, was sie alles leisten sollen“, erläutert die gebürtige Görlitzerin. „Ich will fragen: Was brauchen die Unternehmen?“ Dabei ist sie auf der Suche nach guten Ideen, die vielleicht schon in einigen Firmen gelebt werden. Aber natürlich will sie auch dafür sensibel machen, dass das Thema für viele Arbeitnehmer von Bedeutung ist.

„Viele Unternehmen wissen nicht, wenn ihre Angestellten einen Angehörigen pflegen und dadurch eine Doppelbelastung entsteht“, sagt Katja Knauthe. Das liege manchmal daran, dass die Mitarbeiter sich nicht trauen, darüber zu sprechen. Viele wollten aber auch einfach nicht darüber sprechen, weil der körperliche und geistige Abbau der eigenen Eltern schmerzvoll sei. Generell sei es ein großes gesellschaftliches Tabu, wenn Ältere zum Beispiel nicht mehr alleine auf die Toilette gehen oder sich pflegen könnten.

Nicht nur Katja Knauthe hat in ihrer Forschung das Problem rund um die Vereinbarkeit von Pflege und Beruf erkannt. Auch im Fortschrittsindex des Bundesfamilienministeriums spielt es eine Rolle. Dort werden Lösungen wie flexible Arbeitszeiten oder die Arbeit vom heimischen Schreibtisch aus als Schritte für die Vereinbarkeit genannt. Dort ist zu lesen: „Das Home-Office bringt den Beschäftigten im Schnitt 4,4 Stunden mehr frei verfügbare Zeit pro Woche.“ Aber auch die Arbeitgeberseite soll laut dem Ministerium profitieren: 71 Prozent der Unternehmen gäben an, ihre Produktivität dadurch zu erhöhen – zum Beispiel, weil ihre Angestellten motivierter seien und effizienter arbeiteten.

Katja Knauthe sucht aber nach Ansätzen, die darüber hinausgehen. Denn es ist nicht immer mit den beschriebenen Möglichkeiten getan. Im Moment ist zum Beispiel geregelt, dass Unternehmen mit mehr als 25 Arbeitnehmern Pflegezeit gewähren müssen. Anders als bei der Elternzeit erhalten die Pflegenden dafür allerdings keinerlei finanziellen Ausgleich. Und die volkswirtschaftlichen Schäden durch die Doppelbelastung seien enorm, so Katja Knauthe.

Für ihre Forschungen interessiert sich übrigens auch die Politik: Der Beirat Pflege und Beruf hat schon bei ihr nach ersten Ergebnissen gefragt. Denn die bestehenden Gesetze sollen sich bald ändern.