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Wie läuft’s beim freien Träger?

Die Stadt Bischofswerda will einige Kitas abgeben. Anderswo gibt’s damit gute Erfahrungen, wie das Beispiel Awo zeigt.

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© dpa

Von Ingolf Reinsch

Die Stadt Bischofswerda arbeitet an einer Konzeption für die Kindertagesstätten. Vorgeschlagen wird unter anderem, einen Teil der zurzeit neun städtischen Einrichtungen an freie Träger zu übergeben. Dieses Vorhaben ist bei Betroffenen umstritten. „Nein zur freien Trägerschaft“ heißt es in einer Petition, die Stadträte und Oberbürgermeister erhalten haben (SZ vom 5. Dezember, Seite 17). Zurzeit sind in Bischofswerda nur zwei Kindertagesstätten in freier Trägerschaft: das „Märchenland“ (Volkssolidarität) und das Hermannstift (Diakonie).

Wie läuft’s bei einem freien Träger? Was macht er anders als ein kommunaler? Die SZ fragte nach bei der Arbeiterwohlfahrt (Awo) im Kreis Bautzen. Sie betreut 15 Kindertagesstätten und sieben Horte, darunter die Kitas in Burkau, Demitz, Frankenthal, Putzkau und Uhyst sowie den Hort der Schule zur Lernförderung Bischofswerda. Hinzu kommt eine Tagesmutti in Demitz. Der Awo-Kreisverband beschäftigt in der Region Bautzen-Bischofswerda insgesamt 320 Mitarbeiter, davon rund 200 Erzieherinnen. Sie betreuen mehr als 1 900 Kinder.

Was bedeutet ein Trägerwechsel für das bisherige Kita-Konzept?

Die Arbeiterwohlfahrt setzt in ihrer Arbeit auf Vielfalt. Ihre Kinderhäuser arbeiten nach unterschiedlichen Konzepten. Dazu gehören beispielsweise die Fröbel-Pädagogik, das Konzept von Maria Montessori, Häuser, die den sogenannten Situationsansatz betonen oder die nach dem Konzept der gesunden bzw. bewegten Kita arbeiten. Im vergangenen Jahr übernahm die Arbeiterwohlfahrt die Tagesstätte in Halbendorf (Gemeinde Malschwitz), die sich – am Heiderand gelegen – als naturnahe Kita versteht. „Dort verwirklichen wir ein Waldprojekt“, sagt Annett Fahland, Leiterin Kindertagesstätten beim Awo-Kreisverband. Neuen, anderen Konzepten stehe man aufgeschlossen gegenüber, sehe diese als Bereicherung für die pädagogische Arbeit im Verband, sagt Annett Fahland.

Was macht ein freier Träger in der Erziehung anders?

Abgesehen von den unterschiedlichen Konzepten der Häuser sollte es keine inhaltlichen Unterschiede zwischen Kitas in kommunaler und freier Trägerschaft geben. Grundlage ihrer Arbeit ist in jedem Fall der sächsische Bildungsplan. Er gilt als Leitfaden für pädagogische Fachkräfte in Krippen, Kindergärten und Horten sowie in der Kindertagespflege.

Doch im Unterschied zu einer Stadt oder Gemeinde, wo man sich neben der täglichen Verwaltungsarbeit mit den Kitas beschäftigt, sind Tagesstätten bei freien Trägern wie zum Beispiel der Awo oft das „Kerngeschäft“. Etwa 75 Prozent seines Umsatzes realisiert der Verband im Kreis Bautzen in diesem Bereich, sagt Kreisgeschäftsführerin Marina Schneider. Hinter dieser Zahl steht aber auch, dass hier pädagogische Kompetenz gebündelt wird.

„Für Gemeinden, die Kitas an einen freien Träger abgeben, steht der finanzielle Aspekt oft nicht im Vordergrund“, sagt Großharthaus Bürgermeister Jens Krauße, der zugleich Vorsitzender des Awo-Kreisverbandes ist. Wichtiger seien die qualitativen Kriterien. Die Gemeinde Großharthau übergab ihre Kinderhäuser im Jahr 2002 an Volkssolidarität und evangelische Kirche. „Die Eltern erwarten eine steigende Qualität in der Betreuung. Als Kommune hätten wir das nicht in dem Maße leisten können wie die freien Träger“, sagt Jens Krauße.

Die Arbeiterwohlfahrt verwirklicht in ihren Tagesstätten ein Qualitätsmanagement. Die zuständige Sachgebietsleiterin Annett Fahland ist Sozialpädagogin. Sie steht den Kita-Leiterinnen bei fachlichen Fragen und Problemen zur Seite. Es gibt regelmäßige Weiterbildungen im Verband. Am Rande dieser Veranstaltungen tauschen die Kita-Leiterinnen ihre Erfahrungen aus – ein gewollter Nebeneffekt.

Wie viel Entscheidungskompetenz leibt vor Ort?

Bei der Arbeiterwohlfahrt setzt man auf flache Hierarchien, kurze Wege und Vertrauen vor Ort. So haben die Kita-Leiterinnen eine hohe Verantwortung, können mit ihrem Team auch selbst über Geld, beispielsweise für den Kauf von Betreuungsmaterial, Spielzeug und Instandhaltungen, verfügen, sagt Marina Schneider. Die Höhe des Fonds richtet sich nach der Anzahl der Kinder, die betreut werden. Dieses Vertrauen des Arbeitgebers zahlt sich aus, wirkt auch positiv aufs Betriebsklima. „Leiterinnen und Erzieherinnen sind motiviert. Die Fluktuation in unseren Einrichtungen ist gering“, sagt Marina Schneider.

Wie steht es um den Verdienst bei der Arbeiterwohlfahrt?

Grundlage der Bezahlung ist ein Tarifvertrag, der sachsenweit für alle Einrichtungen des Sozialverbandes gilt. Das aktuelle Tarifgehalt für eine Erzieherin liegt bei der Awo etwa zehn bis zwölf Prozent unter dem Tarif des öffentlichen Dienstes, nach dem Erzieherinnen in kommunalen Einrichtungen entlohnt werden. Festgeschrieben im Tarifvertrag sind auch Urlaubs- und Weihnachtsgeld. Es gibt eine betriebliche Altersvorsorge und das Angebot für vermögensbildende Leistungen. Der Jahresurlaub beträgt 30 Tage. Eine Mitgliedschaft in der Arbeiterwohlfahrt, die sich auch in anderen sozialen Bereichen engagiert, wird gern gesehen. Sie ist aber nicht Bedingung, um bei der Awo arbeiten zu können.

Welche Auswirkungen hat ein Trägerwechsel auf die Elternbeiträge?

Unmittelbar keine. Denn nicht der Träger entscheidet über die Höhe der Beiträge, die die Eltern zahlen müssen, sondern der zuständige Stadt- bzw. Gemeinderat. Grundlage sind die Betriebskosten der Kindereinrichtungen. Bei Hort und Kindergarten dürfen Kommunen bis zu 30 Prozent der Platzkosten auf die Eltern umlegen, in der Krippe sind es maximal 23 Prozent. Die Elternbeiträge gelten für alle Einrichtungen in der Stadt gleichermaßen, unabhängig davon, wer der Träger ist. Als Faustregel gilt: Steigen die Betriebskosten, wie in vergangenen Jahren in fast allen Kommunen, erhöht sich auch der Anteil, den die Eltern zahlen müssen.