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Wie kühl muss ein Radeberger sein?

In der Radeberger Exportbierbrauerei dreht sich eine Menge ums Thema Kälte.

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© Uwe Soeder

Von Jens Fritzsche

Wie kühl muss so ein „kühles Blondes“ eigentlich sein? „Ein Bier ist dann am besten, wenn es nicht auf die Blase schlägt“, lautet die augenzwinkernde Temperatur-Vorgabe von Dr. Paul Panglisch. Als Technischer Direktor der Radeberger Exportbierbrauerei also ein echter Fachmann in Sachen Biertemperatur. Und dann lässt er sich doch noch die etwas konkretere Ansage entlocken, dass er für eine Trinktemperatur von acht bis zwölf Grad Celsius plädiert. „Wobei das letztlich jeder ein bisschen für sich entscheiden muss – ich stelle mein Bier beispielsweise statt in den Kühlschrank, stets nur in den Keller“.

Andreas Schwarze, Maschinist im Bereich Energieerzeugung, kontrolliert die Kühlung über den Lagertanks. Dort müssen vier Grad herrschen.
Andreas Schwarze, Maschinist im Bereich Energieerzeugung, kontrolliert die Kühlung über den Lagertanks. Dort müssen vier Grad herrschen. © Uwe Soeder

Richtig genau nimmt Paul Panglisch die Sache mit der Temperatur dann aber natürlich beim Brauprozess. Denn beim Bier brauen spielt Kälte eine durchaus bedeutende Rolle. Bei der Lagerung, aber auch bei der Gärung. „Denn die Gärung wird ja von der Hefe ausgelöst und dabei wird Wärme frei“, beschreibt der Technische Direktor. Würden die Brauer nicht eingreifen, käme das Bier während der Gärung auf Temperaturen von um die 30 Grad Celsius. Zu viel, „denn dann würde es geschmacklich kein vernünftiges Pilsner“.

Und so muss während der Gärung rund um die Uhr gekühlt werden. An den riesigen, silbrig glänzenden Edelstahl-Gärtanks in der Radeberger Brauerei verlaufen deshalb unzählige Schlangen von Kühlmittelrohren, was letztlich auch die Besucher bei den Brauereiführungen zu spüren bekommen. Im Gärkeller herrscht durch diese Kühlung der Tanks eine durchgängige Temperatur von zwölf Grad Celsius. Im Lagerkeller sind es dann sogar nur noch null Grad. Hier reift das Radeberger dann 21 Tage lang. Nimmt man die sieben Tage Gärung hinzu, wird das Pilsner beim Brauen also insgesamt vier Wochen lang mit Kälte „behandelt“. Nachdem es zunächst erst mal sieben Stunden lang im Sudhaus so richtig zum Kochen gebracht wurde …

Früher gab es Eis-Teiche

Ohne künstliche Kälte beim Brauen müssten die Fans des Radeberger Pilsners zwischen Frühling und Herbst also quasi auf ihr Lieblings-Getränk verzichten. „In Bayern gibt es ja zum Beispiel das Märzen-Bier – der Name kommt daher, dass dieses Bier früher nur bis zum März gebraut werden konnte, dann war es einfach zu warm fürs Brauen“, beschreibt Paul Panglisch. Aber aufs Radeberger – und überhaupt aufs Bier – verzichten wollten die Kunden schon früher nicht. Und so wurde in Sachen Kälte ideenreich nachgeholfen. „Früher hatte jede Brauerei eigene sogenannte Eis-Teiche, aus denen im Winter Eisbrocken herausgeschnitten wurden, die dann in kalten Kellern lagerten“, weiß der Technische Direktor. Auch Eis-Galgen gehörten zum Brauer-Geschäft; „daran wurden im Winter nasse Stricke aufgehängt, die dann bei Frost zu Eis wurden“. Später wurden für die Brauereien dann sogar eigens Eisblöcke industriell hergestellt. Das Eis wurde dann in speziellen Kühltaschen am Lager- und Gärtank angebracht. Eine harte Arbeit.

Heute müssen die Radeberger Brauer natürlich nicht mehr im Winter runter an die nahe Röder und Eisblöcke aus dem frostigen Wasser schneiden. Dazu hat die Exportbierbrauerei längst hoch effiziente Kälteanlagen, in denen das Kühlmittel durch Druck flüssig wird und dann mit einer Temperatur von minus fünf Grad Celsius den Mantel der Gärbehälter erreicht. „An den Gärtanks zieht das Kühlmittel dann die Wärme aus dem gärenden Bier - und wird dadurch in den Rohren wieder zu Dampf, der im Kreislauf durch den erwähnten Druck dann erneut verflüssigt und quasi wieder auf die Reise durch die Brauerei geschickt wird“, beschreibt Paul Panglisch vereinfacht den durchaus komplizierten Vorgang. „Diese moderne Kühlung ist natürlich im Vergleich zu früheren Zeiten mit den Eis-Teichen und den Eis-Kellern sehr unromantisch“, schiebt der Technische Direktor schmunzelnd nach.

Seit 1895 Kühlmaschinen

Dabei gehört diese Romantik in Radeberg schon länger der Vergangenheit an. Denn die Exportbierbrauerei gehörte bereits 1895 zu den ersten Brauereien in Deutschland überhaupt, die Kühlmaschinen im Lager- und Gärkeller einsetzten. Schon 1873 hatte der deutsche Ingenieur Carl von Linde – Gründer der noch heute aktiven Linde AG – eine Kühlanlage erfunden, die die Gärung bei einer konstanten Temperatur garantieren sollte. Wirklich ausgereift war die Maschine damals aber noch nicht, so dass es noch gut zwanzig Jahre dauerte, bis die Anlagen dann in Serie produziert werden konnten. Dann allerdings wartete die damalige Chefetage in Radeberg nicht lange und stellte eine Luftkühlanlage ins Maschinenhaus an der Dresdener Straße, die aus einer MAN-Dampfmaschine mit 100 PS Leistung, einem Kühlaggregat und besagter Linde-Kältemaschine bestand. Zudem wurden auch gleich noch zwei Generatoren zur Stromerzeugung installiert. Die bis dahin notwendigen Eiskeller wurden damit nicht mehr gebraucht und boten nun weiteren Platz für Gärung und Lagerung. Mehr Platz fürs Brauen – mehr Platz für mehr Radeberger also … „Ohne diese Kühlmaschinen hätte unsere Brauerei – hätten überhaupt die Brauereien – nicht wachsen können, diese Maschinen waren ein echter Durchbruch“, macht Paul Panglisch deutlich.

Damit heute nun in den modernen Anlagen der Radeberger Exportbierbrauerei je Abfüll-Linie immerhin 14 Flaschen Radeberger Pilsner pro Sekunde abgefüllt werden können, brauchte es natürlich noch weitere solcher technischer Durchbrüche. Der Brauprozess wird mittlerweile von einer computergesteuerten Schaltwarte aus geregelt. „Aber unser Pilsner wird natürlich trotzdem nicht von Computerprogrammen gebraut, sondern von Menschen“, stellt der Technische Direktor klar. „Eine Maschine macht ja nur, was der Mensch sagt.“ Zudem sind die Zutaten allesamt Naturprodukte. „Hopfen und Braugerste sowie die daraus resultierenden Malze, variieren je nach Herkunft und von einem zum anderen Erntejahr“, flechtet Radebergs Erster Braumeister Udo Schiedermair ein. Und macht deutlich, dass es trotz der technischen Hilfe großes Können und viel Erfahrung brauche, an den richtigen „Rädchen“ zu drehen, „um trotzdem durchgängig den typischen und unverwechselbaren Geschmack unseres Radeberger Pilsners zu treffen“. Und es gehört eben auch das Können der Mitarbeiter im Gär- und Lagerkeller hinzu, „die dafür sorgen, dass zum Brauen immer die richtige Temperatur herrscht“, sagt Paul Panglisch.

Denn ohne die perfekte Kälte beim Brauen bräuchte sich schließlich kein Pilsner-Fan Gedanken über die perfekte Trinktemperatur seines Bieres zu machen …